Iberische Flüsse in Not
Spanien hat darauf hingewiesen, dass die Wasserführung grenzüberschreitender Flüsse nach Portugal im Bedarfsfall reduziert wird
In der Vergangenheit wurde Spanien des öfteren verdächtigt, die gemeinsamen Wasserressourcen der iberischen Halbinsel egoistisch für sich zu beanspruchen und dementsprechend zu nutzen. Um dem ein Ende zu setzen, wurde 1998 das "Abkommen über Zusammenarbeit zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Gewässer der hispano-portugiesischen hydrographischen Becken" (Convénio sobre Cooperação para a Protecção e o Aproveitamento Sustentável das Águas das Bacias Hidrográficas Hispano-Portuguesas) unterzeichnet, auch kurz das Abkommen von Albufeira genannt. Dieser Vertrag verpflichtet Spanien, eine jährliche Mindestmenge an Wasser aus den gemeinsamen Flüssen nach Portugal fließen zu lassen. Jedoch wurden im Vertragswerk Ausnahmen zugebilligt – wie im Falle einer Dürresituation auf spanischer Seite.
Eine solche Situation macht die spanische Regierung jetzt geltend und schickt sich an, die vertraglich zugesicherten jährlich transferierten Mindestwassermengen zu drosseln. Für den Tejo (spanisch: Tajo) fällt die Entscheidung noch in diesem Monat, über den Douro (spanisch: Duero) wird bis zum 1. Juni befunden. Die ökologischen Kreisläufe der Flüsse werden betroffen sein, ebenso die Wasserkrafterzeugung – beide sind von der Aufrechterhaltung eines Minimalflusses abhängig.
Laut Expresso verspricht die spanische Umweltministerin Cristina Narbona eine restriktive Handhabung des Abkommens von Albufeira; ihr portugiesischer Amtskollege Nunes Correia geht von einer einvernehmlichen Lösung zwischen beiden Ländern und keinem spanischen Alleingang aus. Correia begleitete vergangene Woche den portugiesischen Premierminister José Sócrates bei dessen Staatsbesuch in Spanien, bei dem die Wasserfrage ebenfalls Gesprächsthema war. Die Wasserknappheit soll mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten für beide Länder beherrscht werden. Correia bescheinigt den vorhergehenden Regierungen ein Versagen in dieser Frage, die grob fahrlässig und unverantwortlich von der Tagesordnung verschwand. So fand das letzte reguläre Treffen der Kommission zur Umsetzung des Abkommens von Albufeira (CADC- Comissão para a Aplicação e Desenvolvimento da Convenção) vor zwei Jahren statt.
Die 880 großen Staudämme Spaniens halten 40% des Flusswassers zurück – soviel wie in keinem anderen Land. Die resultierende Änderung des Charakters der betroffenen Fließgewässer brachte einschneidende Konsequenzen für die Unterläufe der Flüsse und deren Ökosysteme mit sich.
Letzte spanische Erhebungen zeigen, dass das Einzugsgebiet des Duero momentan 57% seiner Kapazität führt; der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre liegt bei 76,4%. Zehn seiner Staustufen befinden sich in einer schwierigen Situation, Restriktionen für die Bewässerung in den Einzugsgebieten der Flüsse Carrión, Pisuerga und des unteren Duero werden erwartet. Die Situation im Tajo-Becken ist nicht viel besser; 18 Orte mit Wassermengen unterhalb des Mittels der letzten Jahre wurden bereits identifiziert; und Satellitenaufzeichnungen zeigen, dass die minimalen Schneereste bis Mai keine nennenswerten zusätzlichen Wassermengen bereitstellen werden. Die Behörden gehen von einer ernsthaften Gefährdung der Versorgung der Umleitung Tajo-Segura aus, die jährlich 400 Kubikhektometer Wasser in den Südosten Spaniens abzweigt.
Dieses Becken erreicht zurzeit 20% seiner Kapazität. Da die Versuchung groß ist, die derzeit schwierige Situation in den autonomen Regionen Murcia und Valencia der abgelehnten Umleitung Ebro-Segura zuzuschreiben, ist es sehr wahrscheinlich, dass die spanische Regierung einer Hilfswasserversorgung zustimmen wird, um die valencianischen Obstplantagen und die gewinnträchtigen Gewächshausanlagen von Murcia zu erlösen. Sollte dieser Fall eintreten, wird der gesamte Mittellauf des Tajo für Monate in einem Zustand starker Beanspruchung sein und der Wassertransfer nach Portugal erhebliche Einbußen erleiden.
Im Falle des Minho, von dem auf spanischer Seite 57% in Staubecken zurückgehalten werden, ist zwar nichts garantiert, doch aufgrund der klimatischen Situation und der geringeren Bewässerungsintensität auf nordspanischer Seite sind reduzierende Eingriffe in die Wasserführung aufgrund von Ausnahmeregelungen hier bisher eher unwahrscheinlich. Überraschenderweise ist die beste Situation aller luso-spanischer Flüsse am Guadiana anzutreffen, der gegenwärtig 70% seiner Kapazität führt. Spanien kann hier voraussichtlich zusätzliche Wassermengen für Portugal bereitstellen.
Doch die anliegenden Bauern der Einzugsgebiete von Douro und Tejo in Portugal haben genug Gründe zur Beunruhigung. Auch Portugal durchlebt eine schwere Dürreperiode, die ihresgleichen in der Geschichte des Landes sucht. Der im März niedergegangene Regen war nach den vorangegangenen Trockenmonaten zu wenig, um die Situation zu entspannen, und die typischen "aguas mil" des April sind bisher ausgeblieben. Die Situation in den Stauseen ist angespannt; die Wassermengen erreichen 40-60% der Kapazitäten in den hydrographischen Becken der Flüsse Cávado, Ave, Douro, Sado und Tejo und zwischen 60 und 80% in den Einzugsgebieten der Flüsse Mondego, Guadiana und Mira. Besorgniserregend ist die Situation in den Einzugsgebieten der Flüsse Arade und Lima: hier ereichen die Inhalte der Rückhaltebecken nur noch 15-30% ihrer Speichervermögen.
Das Wintergetreide ist verloren; regnet es weiterhin nicht, wird es auch keinen Mais geben. Das Tränken der Tierbestände ist ebenfalls gefährdet; einige verzweifelte Viehzüchter im Alentejo trieben ihr Vieh auf Weideflächen in der Nähe des Alqueva-Staudamms und sehen nun hohen Geldstrafen entgegen. Der portugiesische Landwirtschaftsminister ist mittlerweile in Brüssel vorstellig geworden und hat um Unterstützung der von der Dürre betroffenen Agrarbetriebe gebeten.
Priorität hat die Gewährleistung der Trinkwasserversorgung des Landes; die Regierung will die Bevölkerung mit Kampagnen zur Sparsamkeit sensibilisieren. Teile der Landbevölkerung setzen unterdessen auf himmlischen Beistand – mit meteorologischen Gebeten bitten sie auf Wochenend-Prozessionen um Regen.