Ican: "Wir können jetzt mehr Druck auf die deutsche Regierung ausüben"

Friedensnobelpreismedaille für Henry Dunant, der die Auszeichnung als erster erhielt. Bild: Henry Mühlpfordt / CC BY-SA 3.0

Nach der Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis: Ein Gespräch mit Felix Werdermann vom deutschen Zweig der Internationalen Kampagne für die Abschaffung nuklearer Waffen

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Die Freude über den Friedensnobelpreis (Rückenwind für die Ächtung von Atomwaffen) ist auch beim deutschen Zweig der Internationalen Kampagne für die Abschaffung nuklearer Waffen (International Campaign to Abolish Nuclear weapons - ICAN) groß.

Es habe zwar im Vorfeld Stimmen gegeben, wonach Ican zu den aussichtsreichen Kandidaten gehöre, aber die Entscheidung des norwegischen Nobelkommitees sei eine Überraschung gewesen, sagte Felix Werdermann, Pressesprecher von ican germany, zu Telepolis.

Was ändert sich durch den Nobelpreis?

Man habe jetzt einen stärkeren Rückenwind, antwortet Werdermann. Die Auszeichnung sei ein deutliches Signal an die Staatengemeinschaft, nicht zuletzt an die Bundesregierung. "Wir werden damit mehr Druck ausüben können."

Ziel sei es, die deutsche Regierung dazu zu bewegen, den "Vertrag über das Verbot von Kernwaffen" zu unterzeichnen. Der Ican-Sprecher hält der Regierung "Doppelmoral" vor. Zwar gebe sie vor für Abrüstung einzutreten, aber den Schritt, sich mit der Vertragsunterzeichnung den anderen Ländern anzuschließen, (beschlossen haben den Vertrag 122 Staaten, unterzeichnet haben bisher 53 Staaten, Liste hier), habe sie nicht gemacht, obwohl es in der Bevölkerung eine Mehrheit dafür gebe. 71 Prozent der deutschen Bevölkerung hatten sich dafür ausgesprochen.

"Befürworter gibt es in allen Parteien"

"In allen Parteien gibt es Befürworter für die Unterzeichnung des Vertrages", hält Werdermann dem Einwand entgegen, dass für eine deutsche Unterschrift "schwere politische Brocken" wegzuräumen sind. Denn der Vertrag verbietet auch das Lagern von Atomwaffen und die Übernahme der Kontrolle über Atomwaffen ("nukleare Teilhabe").

Damit müsste sich Deutschland, wo US-Atomwaffen gelagert sind, auf eine Auseinandersetzung und Spannungen mit Bündnispartnern, allen voran den USA, einlassen, zu der ungewöhnlicher politischer Mut gehört. Alle Nato-Staaten und fast alle EU-Staaten haben die Verhandlungen über den Vertrag in der UN boykottiert.

Die Nato kritisierte den Vertrag, der auch die Drohung mit Atomwaffen verbietet, scharf, mit dem typischen Abschreckungslogik-Verweis auf die Gegenseite: "So lange es Atomwaffen gibt, wird die Nato ein nukleares Bündnis sein."

Der Ican-Deutschland-Sprecher Felix Werdermann lässt sich von den "Brocken" nicht beirren. Man werde Druck auf die laufenden Koalitionsverhandlungen ausüben, erste Kontakte für Gespräche gebe es schon. Er sagt, was auch Sascha Hach, Vorstandsmitglied des deutschen Zweigs von Ican, in der heutigen Pressekonferenz mitteilte: "Die Bundesregierung hat die politische Bedeutung des Verbotsvertrages völlig verkannt."

Kritische Masse in Deutschland?

Ob sich Merkel dem "Bündnis der Deeskalation" anschließen wird, wie es Ican-Deutschland fordert, erscheint derzeit unwahrscheinlich. Aber Ican hat den Friedensnobelpreis für einen außergewöhnlichen Einsatz gewonnen, der außergewöhnlichen Erfolg hatte. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen war die "treibende Kraft" bei der Entstehung des Verbotsvertrags.

Zum Erfolg der Kampagne trugen, so Werdermann, wesentlich die Staaten bei, die von den Anstrengungen zur Abrüstung der Atomstaaten sehr enttäuscht waren. Ob eine solche kritische Masse auch in Deutschland aufzubauen ist?