Ich bin der ich bin da
Online-Konferenz der Babys
Von seiner ersten Online-Konferenz hat Spencer George Cook nicht besonders viel mitbekommen. Ehrlich gesagt hat er die meiste Zeit über geschlafen. Und in seinen wachen Momenten hat er außer einem gurgelnden Krähen nichts Substanzielles von sich gegeben. Klingt wie eine äußerst peinliche Veranstaltung, und doch waren alle, die sich dazugeklickt hatten, zufrieden mit Spencer Georges erstem Auftritt. Schließlich war der Bursche bei seinem Web-Debüt erst zwei Tage alt, und was kann man schon erwarten von einem Neugeborenen außer, dass er aussieht wie ein Baby und sich dementsprechend benimmt?
Zugegeben, das übertragene Bild ist nicht ganz scharf und könnte ruhig ein paar Nummern größer sein, auch ruckeln Ton und Bild je nach Verbindung gewaltig. Vom Kind selbst erkennt man nicht viel mehr als dass es klein und ebenso hellhäutig ist wie Vater und Mutter. Dafür mussten die Eltern von George Spencer auch keinen Pfennig bezahlen für die 30-minütige Show. Die Baby-Presse-Konferenz ist ein kostenloser Service, den immer mehr Krankenhäuser in den USA anbieten. Auch die Verwandtschaft wird nicht zur Kasse gebeten. Einzige Teilnahmebedingung: die Gäste müssen Zugang zu einem mulitmediatauglichen PC mit Internetanschluss haben (an einer Lösung für MAC wird noch gearbeitet) und das Passwort kennen, mit dem man zum virtuellen Familientreffen gelangt.
Seit März des vergangenen Jahres gab es bereits über 3.700 Baby-Presse-Konferenzen an über 100 beteiligten Krankenhäusern, und jeden Monat werden es mehr, denn immer weniger werdende Eltern geben sich mit einer Klinik ohne Zusatzangebote zufrieden. Die Vorteile der Baby-Webcast liegen auf der Hand: Freunde und Verwandte aus der ganzen Welt können gleichzeitig abgefertigt werden, und keiner muss im Stau stehen oder gar ins Flugzeug steigen, um einen Blick auf die junge Familie zu werfen. Selbst Gratulanten mit entsetzlichen ansteckenden Krankheiten können an der virtuellen Zusammenkunft teilnehmen. Falls einer der Gäste dennoch unangenehm auffallen sollte, können ihn die Eltern - und nur die Eltern - in den Mülleimer werfen.
Noch macht ‚BabyPress' keine Gewinne, doch Lee Perlman, geistiger Vater und Mitbetreiber des Start-Ups sowie Vizepräsident der Greater New York Hospital Association, glaubt fest daran, dass sich das bald ändern wird. Zum einen verdient die Firma nicht nur am Equipment, das die Krankenhäuser erwerben müssen, sondern auch an den Baby-Artikeln, die man auf der Homepage von BabyPressConference.com bestellen kann. Dort finden sich nicht nur Links zum Internet-Floristen, sondern auch eindeutige Hinweise auf Babies R Us, ein Tochterunternehmen des Spielwaren-Riesen Toys R Us, der neben einigen weiteren Investoren an ‚BabyPress' beteiligt ist.
Wer sich von der massiven Werbung für Kinderwagen und Teddybären nicht beeindrucken lässt, wird möglicherweise schwach angesichts der CD-Rom, auf der die komplette Baby-Konferenz festgehalten ist. Der Preis von 29,95 US-Dollar ist zwar absurd, doch die Betreiber der Site spekulieren darauf, dass Eltern und Verwandte eine bleibende Erinnerung haben wollen an den ersten öffentlichen Auftritt des neuen Familienmitglieds. Deshalb ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis die Macher von BabyPress jeder Familie die eigene Homepage gleich dazu anbieten. Jedenfalls wirbt die kalifornische Firma Namezero seit kurzem damit, Domains speziell für Neugeborene zu sichern. Man glaubt es zwar kaum, aber es soll auch Eltern geben, die das auch ohne Namezero schaffen.
Egal. Der Säugling Spencer George Cook denkt noch nicht an die Zukunft, vielmehr beschränkt er sich nach Art aller Babys auf seine pure Präsenz, und deshalb ist es auch vollkommen in Ordnung, wenn sich die Kommentare der Besucher in der Formel ‚Ich kann ihn sehen. Ist der niedlich!' erschöpfen. Schließlich hat die ganze Veranstaltung nur den einen Zweck, der Welt mitzuteilen, dass Spencer George Cook jetzt da ist. Das ist, mit Verlaub, genau das, was auch ein Schnappschuss leistet, mit dem Unterschied, dass alle, die sich eingeloggt hatten bei der Baby-Konferenz, das Gefühl haben dürfen, live dabeigewesen zu sein, als die Wackelbilder entstanden.
Fotos allerdings kann man auf eine Postkarte kleben und in alle Welt zu verschicken. Davon profitiert nicht nur die Post, sondern auch der Mac-besessene Teil der Verwandtschaft. Nicht zu vergessen all jene, mit denen man zwar verwandt, aber nicht vernetzt ist.