"Ich persönlich werde diesmal CDU wählen"

Seite 2: "Die Berichterstattung zu den Reichsbürgern hätte ähnlich auch in "Titanic" stehen können"

Apropos Spaß-Wahlkampf: Bundesinnenministerin Nancy Faeser bot 5.000 Einsatzkräfte auf, um 25 mit Hellsehern und Armbrüsten ausgestattete Reichsbürger festzunehmen. Brauchen wir schärfere Gesetze gegen Hellseher?

Martin Sonneborn: Nein, meine Glaskugel sagt mir, dass wir vielmehr – wie bei so vielen Sachverhalten – eine vernünftige mediale Einordnung der Geschehnisse bräuchten. Kritik der Regierungspolitik, nicht Propaganda und Kampagnenjournalismus.

Es ist schon klar, dass Anzeigenpreise, Klickzahlen & Champagnerkorken an die Decke gehen, wenn wir Bilder von – intakten, nicht von abgeschossenen! – Leopard-Panzern an der Ostfront bekommen. Aber die Berichterstattung zu den Reichsbürgern hätte ähnlich auch in Titanic stehen können.

Wenn Hellseher also noch erlaubt bleiben sollen: Wird 2023 besser?

Martin Sonneborn: Sie belieben zu scherzen. Seriöse Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Deutschen ein Ende des Krieges in der Ukraine fordern, auch wenn das mit ukrainischen Gebietsverlusten verbunden ist.

Da stimmt irgendetwas nicht mit den repräsentativen Mechanismen in unserer Gesellschaftsordnung, wenn sich diese Mehrheitsposition weder in den politischen Parteien noch in den öffentlichkeitsrelevanten Medien wiederfindet.

Heute liefern wir Leopard-Panzer, morgen deutsche Biathleten und zum Schluss die (doofe) Atombombe.

Neulich kam heraus, dass die Munitionsvorräte der Bundeswehr nur für wenige Stunden reichen. Rechnen deutsche Strategen möglicherweise nur noch mit Blitzkriegen?

Martin Sonneborn: Sobald die erste Atombombe fällt, brauchen Sie keine Patronen mehr. Der Focus rät diese Woche: nie direkt in den Blitz schauen!

Bei der Bundeswehr fehlen derzeit trotz vorbildlicher Kinderbetreuung 20.000 Offiziere, vor allem Grüne tun sich traditionell schwer mit Militär. Wie steht die Partei zur Einführung einer Pflichtquote für Kriegsspielzeug?

Martin Sonneborn: Dagegen. Ich sympathisiere eher mit der Forderung, Hofreiter, Baerbock, Bütikofer und Katrin Göring zur Pflege der Leopard-Panzer mit an die Ostfront zu schicken.

Die von Verkaufskanone Strack-Zimmermann bestellten Friedenspanzer werden nun an die Ukraine geliefert. Hätte man bei Putin mit queeren OneLove-Armbändern nicht mehr erreicht?

Martin Sonneborn: Friedenspanzer passen natürlich sehr gut in die Orwellsche Zeit, die wir gerade erleben. In den sogenannten "sozialen Medien" heißt es mittlerweile ja auch, Pazifisten seien Mörder. Wir haben das auf einem Plakat mal mit den einschlägigen Werten unseres Kulturkreises verbunden.

Sie hatten neulich Aktivisten der Letzten Generation geraten, sich an Politikern festzukleben. Beschwören Sie denn nicht die Gefahr herauf, dass diese Leute sich auch an Ihnen fixieren?

Martin Sonneborn: Ich finde, die Klimaaktivisten sollten nicht die kleinen Leute ins Visier nehmen – Taxifahrer & Amazon-Auslieferer – sondern die großen: Politiker und Industrielle. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes hat ergeben, dass ein Tempolimit dreimal soviel CO2 einzusparen hülfe wie offiziell ausgewiesen. Ich streite gerade mit meinem Büroleiter, ob ich 500 Euro ausloben darf, für jeden, der es schafft, sich an Verkehrsminister Wissing festzukleben.