Indiana Jones und das Grab der Hollywood-Helden

Seite 3: Digitale "Disneyfizierung" der Geschichte: ein deutscher Heinkel-Bomber über römischem Kriegsgerät

Eine weitere Schraube in der Spirale der Verrücktheit, ist dann die letzte große Actionsequenz: die versammelte Nazi-Schar und auch Indiana Jones und seine Begleitung reisen in der Zeitmaschine, die schließlich funktioniert, ins Jahr 1939.

Sie haben allerdings einen Rechenfehler begangen: Weil man in der Antike noch nichts von der Erdplattenverschiebung wusste, gerät der ganze Mechanismus komplett aus den Fugen, und die Schar landet im Jahr 214 vor Christus, zur Zeit, als die Römer gerade das damals noch griechische Syrakus auf Sizilien eroberten.

Dies hat trotzdem eine tiefere Notwendigkeit, denn es handelt sich gerade um den Moment, an dem Archimedes auf Syrakus weilte, und an dieser Zeitmaschine gearbeitet hat.

So passiert es dann tatsächlich, dass Harrison Ford Indiana Jones einem seiner antiken Helden, Archimedes leibhaftig für ein paar Minuten gegenübersteht - und ihm im Übrigen nichts von der Erdplattenverschiebung erzählt ...

In diesem faszinierend-verrückten, gerade dadurch so magisch wie ungesehenen Bildern – ein deutscher Heinkel-Bomber über römischem Kriegsgerät, der mit Katapulten und Pfeil und Bogen bekämpft wird; ein Archäologe aus dem Jahr 1969 im Gespräch mit Archimedes – wird das Erfolgsgeheimnis der "Indiana Jones"-Reihe so deutlich, wie selten.

Diese Filme sind Vexierbilder, die den Zuschauern einerseits filmische Themenparks und Traumwelten präsentieren, wie sie sonst nur in Computerspielen und vielleicht geschichtstouristischen Erlebnisreisen konsumierbar sind. Sie entsprechen damit genau der digitalen "Disneyfizierung" von Historie in den modernen Massenmedien und der weltweiten Popularität von archäologischen Themen in konsumierbarer Form.

Sehnsucht nach analoger "Authentizität"

Zugleich versetzen sie das Publikum in eine Ära, die idealerweise durch authentische Orte und authentische Menschen gekennzeichnet ist. Sie verteidigen die Textur der physischen, vordigitalen, "analogen" Welt, indem sie durch beschwerliche Weltreisen, Kommunikation von Angesicht zu Angesicht und "unbezahlbare" Relikte den Wunsch nach den "authentischeren" Welten befriedigen.

Eine nostalgische Vorliebe für eine hedonistischere, zugleich idealistischere, weniger materialistisch ausgerichtete Welt steht im Mittelpunkt der Indiana-Jones-Filmreihe und treibt die Handlungen der Filme an.

Die geschichtliche Vergangenheit ist der Fluchtpunkt aus der globalisierten, digitalisierten Zukunft – und so ist es keineswegs Zufall, dass die Filmhandlung just in jenem Monat angesiedelt ist, in dem der (geschichts-)optimistische Zukunftsglaube mit der Mondlandung seinen Höhepunkt erreichte und von den "Grenzen des Wachstums" noch nicht die Rede war.

Indem sie demgegenüber klassische Vorstellungen von Authentizität und Unmittelbarkeit verteidigt, steht die "Indiana Jones"-Reihe repräsentativ für eines der über alle historischen Brüche beständigsten Elemente erfolgreicher Kinofilme der letzten 50 bis 60 Jahre: Das Thema der Authentizität – ob nun in Form einer Feier authentischer Menschen oder Dinge oder einer direkten Kritik an den entfremdeten Verhältnissen der Moderne. Authentizität ist eine der wichtigsten Perspektiven, unter denen wir die heutige Mediengesellschaft betrachten.

Die "Indiana Jones"-Filme haben eine spezifische Haltung zu diesem Thema: Die Vorstellung, dass authentisches Leben und Sterben nicht in der Zukunft zu finden sind, sondern in der Vergangenheit.

Zugleich steht die Figur unter ihrer heute kolonialistisch anmutenden Oberflächen gerade nicht für Suche nach "Beutekunst" und materialistische Ausbeutung fremder Kulturen, sondern für die Vorstellung, dass es erstrebenswerter ist, sich der "achtsamen" Rekonstruktion der Vergangenheit, und dem Verständnis nicht-westlicher Hochkulturen zu widmen.

Moderner Mythos für den Jahrmarktscharakter des Mediums

James Mangolds Film interpretiert die zeitlosen Fundamente, auf die Spielberg und Lucas ihre Heldenfigur gestellt und zum modernen Mythos geformt haben, überaus zeitgemäß, und verteidigt dabei den – unzeitgemäßen – hedonistischen Kern von "Indiana Jones".

Neben der Action ist dies auch Klamauk und Slapstick, und eine Vorstellung von Kino, in der man keine unangemessene Mühe darauf verlegt, die Handlung möglichst glaubwürdig erscheinen zu lassen. Stattdessen ein nostalgiesatter großer Kinokindergeburtstag für alle.