Interne Dokumente: EU steigt in Informationskrieg mit Russland in Afrika ein

Russland und EZ nehmen Afrikanische Medien und User ins Visier. Bild: Derli_lopez, pixabay.com

Russische Fahnen nach dem Umsturz in Niger schüren Nervosität. Experten in Brüssel warnen vor Desinformation aus Moskau. Nun planen sie Gegenpropaganda – auch präventiv.

Im Schatten der Krise in Niger spitzt sich ein Konflikt zwischen der Europäischen Union und Russland um Einfluss in Afrika zu. Laut internen EU-Protokollen, die Telepolis vorliegen, sind Vertreter des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Mitgliedsstaaten besorgt über einen wachsenden Einfluss des russischen Militärkonzerns Wagner und anderer, nicht konkret benannten "prorussischer Akteure" auf dem Kontinent.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, planen die EU-Außen- und Sicherheitsexperten daher Kampagnen zur "strategischen Kommunikation" sowie eine enge Überwachung von Militärs, die an EU-Ausbildungsprogrammen teilnehmen – sofern diese Programme nicht gar ganz ausgesetzt werden.

Besonderes Augenmerk legen die EU-Vertreter offenbar auf die Präsenz westafrikanischer Militärs in der Zentralafrikanischen Republik (CAR). Aber auch der russische Einfluss in Burkina Faso, Libyen und Sudan wird aufmerksam verfolgt. Aus den Protokollen mehrerer Ratsgremien geht hervor, dass Brüssel befürchtet, russische Akteure könnten versuchen, einen Keil zwischen die betroffenen Staaten und die EU zu treiben.

Experten beobachten seit geraumer Zeit zunehmende Aktivitäten Russlands in Afrika. In diesem Kontext hatte der russische Präsident Wladimir Putin der auf dem zweiten Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg Vertretern des Kontinents kürzlich verlässliche Lebensmittellieferungen zugesichert.

"Russland bleibt ein verlässlicher Lieferant von Nahrungsmitteln für Afrika", sagte er bei einem Treffen mit Vertretern der Afrikanischen Union (AU). Der AU-Vorsitzende Moussa Faki Mahamat hatte zuvor beklagt, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine die weltweite Nahrungsmittelkrise verschärfe.

Dieses Verhalten ist nach Ansicht von Experten eingebettet in eine umfassendere Interessenpolitik Russlands in Afrika. Dort seien die Aktionen Moskaus nicht mehr zu übersehen. Joana de Deus Pereira vom britischen Thinktank Rusi Europe wies darauf hin:

Im Chaos des Staatsstreichs (in Niger) blieb nicht unbemerkt, dass die Anhänger der Putschisten demonstrativ russische Flaggen schwenkten. Es gibt zwar keine belastbaren Beweise, dass Wagner oder Russland direkt etwas mit dem Putsch zu tun haben, aber die opportunistischen Untertöne sind nicht zu überhören. Der Aufruhr passt scheinbar gut in das Konzept ihrer strategischen Interessen, denn er schafft mehr Instabilität und damit einen fruchtbaren Nährboden für Organisationen wie die Gruppe Wagner – auch die Hydra ist in ihrem Element, wenn es auf der See stürmisch zugeht.

Joana de Deus Pereira, Rusi Europe

Konflikt um Russland-Kooperation in der Zentralafrikanischen Republik

Bei einem Treffen des EU-Ratsausschusses für die zivilen Aspekte der Krisenbewältigung (Civcom) wurde jüngst deutliche Besorgnis geäußert. Hinter verschlossenen Türen berieten Vertreter der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel über die Aktivitäten der Russland nahestehenden Kräfte in der CAR.

Die Sicherheitslage dort habe sich nicht zum Positiven verändert und bleibe schwierig, erklärte der Leiter der EU-Beratungsmission in dem Land, José Manuel Márquez Dias, bei der internen Unterrichtung Ende Juni. Sein Gremium berät nach eigenen Angaben "die Behörden in der CAR strategisch, um die Reform des Sicherheitssektors des Landes zu unterstützen".

Laut Márquez Dias haben sich russlandnahe Kräfte, darunter die Wagner-Gruppe, zunehmend in der CAF konsolidiert und die Kontrolle über wichtige Infrastruktur wie den internationalen Flughafen Bangui M'Poko und den von Frankreich aufgegebenen Militärstützpunkt Berengo übernommen. Im Protokoll des Treffens heißt es:

Mit Zugang zur politischen Elite nehmen russlandnahe Kräfte unter vermeintlichem Verweis auf das schwierige (internationale) politische Umfeld und die nationale Sicherheitslage destabilisierend Einfluss auf politische Informations- und Entscheidungsprozesse in der CAF. Desinformation richte sich vor allem gegen Frankreich und die UN-Mission Minusca. Díaz verwies auf eigene und abgestimmte strategische Kommunikation.

EU-Protokoll zur Civcom-Sitzung am 28.06.2023

Die EU-Beratungsmission sei ein "nützliches Instrument bei der Beobachtung und Analyse der Situation und russlandnaher Kräfte vor Ort", so Daniel Grammatico, der beim Europäischen Auswärtigen Dienst für die Koordinierung von Maßnahmen in Afrika verantwortlich ist.

Trotz der Präsenz von "Wagner" und anderer russischer Akteure sei die EU ein wichtiger Partner für die CAF-Regierung. Man werde daher verstärkt gegen Desinformation vorgehen, so Grammatico.

Da sich die Finanz- und Versorgungslage der CAF stetig verschlechtere, wirkten "konkludente Desinformationskampagnen prorussischer lokaler Medien, die die Aussetzung finanzieller und humanitärer Hilfen hierfür verantwortlich machen". Vor allem Frankreich stehe im Visier dieser Kampagnen.

Eine der Folgen sei ein Anschlag auf eine Bierbrauerei der französischen Castel-Gruppe in dem afrikanischen Land. "Bereits im vergangenen Jahr hatte die Firma eines hochrangigen Wagner-Vertreters damit begonnen, in Bangui russischen Wodka für den Lokalmarkt zu produzieren", schreibt die Neue Zürcher Zeitung dazu, nun produziere der Betrieb auch Bier. In Brüssel wird gemutmaßt, dass die Aktionen gegen die französische Brauerei Teil des Versuches ist, den Alkohol-Markt zu dominieren.

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