Irak: Die Grenzen der Supermacht USA

Jubelnde Menge nach den irakischen Wahlen im Mai 2018. Foto: Zoheir Seidanloo / CC BY 4.0

Aus dem Weißen Haus kommen Drohungen für den Fall, dass in der neuen irakischen Regierung ein wichtiger Minister mit engen Verbindungen zu Iran sitzt

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Es ist nicht leicht einzuschätzen, welchen Einfluss die Supermacht USA ungefähr 15 Jahre nach dem Einmarsch im Irak auf die politische Situation im Land hat. In der Regierung Trump geht man davon aus, dass die früheren Besatzer noch über starke Hebel verfügen. Jedenfalls droht Washington Bagdad mit Reaktionen, sollte dort ein Mann mit engen Verbindungen zum Iran einen wichtigen Posten in der Regierung bekommen.

Welche Zugkraft die angedrohten Maßnahmen entfalten können, ist unklar. Es gibt da ein gewisses Risiko der Fehleinschätzung, weswegen die Drohung wahrscheinlich auch anonym und nicht offiziell geäußert wird. Ausgesprochen wird sie von einem namenlosen, ranghohen Mitarbeiter der Trump-Administration gegenüber der Publikation Defense One:

Wir werden sehr genau beobachten und bewerten, wer welche Position mit welcher Verantwortlichkeit (in der irakischen Regierung, Anm. d. A.) bekommt, und diejenigen, die eine starke und dauerhafte Beziehung zu Iran unterhalten, werden es extrem schwer für uns machen, das gegenwärtigen Niveau an Unterstützung aufrechtzuerhalten.

Unbekannter Vertreter der US-Administration

Nachdem sich die beiden großen schiitischen Allianzen, die Saairun-Allianz unter Führung von Muktada as-Sadr und die Fatah-Allianz von Hadi al-Amiri zusammengetan haben, um eine Regierung zu bilden, so ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ein Minister mit guten Verbindungen zu Iran auf der Regierungsbank sitzen wird.

Ziemlich aussichtslos ist, dass der von den USA unterstützte Premierminister al-Abadi im Amt bleibt. Die größte Autorität der Schiiten im Irak, Ayatollah Ali Sistani, hat sich dagegen ausgesprochen, zudem gibt es keine Mehrheit gegen eine Koalition zwischen as-Sadr und al-Amiri. Die Unruhen im August in Basra waren das Ende der Hoffnungen, die in al-Abadi gesetzt wurden.

Aber, so zitierte die Arab News Mitte September Unterhändler aus dem Lager der beiden großen schiitischen Allianzen, die den neuen Premierminister und Regierung in Bagdad nominieren, ganz an den Interessen der USA vorbei, funktioniert die Regierungsbildung auch nicht:

Die Wirklichkeit deutet darauf, dass die (pro-iranische, Anm. d.A.) al-Fattah-Liste keine Regierung formen kann, die von den lokalen, regionalen und internationalen Kräften akzeptiert würde. Die USA würde die Regierung innerhalb von Wochen stürzen. Die Iraner haben nicht die Möglichkeit, eine Front gegen die Amerikaner im Irak aufzumachen, so sind sie schon mit dem Schlag zufrieden, den sie den Amerikaner damit versetzt haben, dass al-Abdai verbrannt ist.

Arab News

Man darf bei dieser Wiedergabe eines Verhandlungsführers für die al-Sadr-Allianz nicht vergessen, dass der Mann eigene Stärken gegenüber der bis dato rivalisierenden al-Fattah-Allianz hervorhebt - was er mit "Wirklichkeit" umschreibt.

Außerdem stehen diese Sätze, die am Ende von der Feststellung gekrönt werden, dass die Iraner as-Sadr und den Amerikanern den Vortritt lassen, in einem saudi-arabischen Medium, das stets darauf achtet, das Königshaus nicht zu verärgern.

"Ein Regierungssturz durch die USA"

Bemerkenswert sind die Statements trotzdem. Weil sie tatsächlich den Eindruck machen, als ob sie aus erster Hand kommen und weil sie die Einflussmöglichkeiten der USA im Irak ohne Umschweife auf den Punkt bringen: Die USA könnten die Regierung im Irak stürzen, wenn ihnen zu viel iranischer Einfluss im Spiel ist ("The US would topple it within weeks").

Das lässt an 2003 denken, wo die USA diese Macht bewiesen haben. Aber 15 Jahre später liegen die Dinge anders. Ein militärisches Vorgehen wie damals wäre vor allem angesichts der Situation in Syrien hochriskant und würde schnellsten sehr unangenehme Gegner auf den Plan rufen. Und politisch?

Man denkt, wenn man an Regime Change denkt, noch immer an ein "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", das es das auch in dieser Beziehung nicht mehr ist. Der letzte Regime-Change-Versuch in Syrien hat nicht funktioniert. Die Ablösung einer Regierung, die von einer Koalition bestimmt wird, die die Mehrheit der abgegebenen Stimmen hinter sich hat und das Einverständnis der geistlichen Elite in Nadschaf, dürfte den USA nicht leichtfallen.

Wer sollte das politisch übernehmen? Wenn dann könnten das nur sunnitische Vertreter im Irak, die allerdings nicht viele Wählerstimmen hinter sich haben und damit ihrerseits vor allem mit Unruhen und militärischen Dimensionen Druck machen könnten, was ebenfalls sehr riskant ist.

Momentan sind etwa 5.200 US-Militärs im Irak, dazu kommen Ausbilder aus Nato-Staaten, wie zum Beispiel Deutschland, die den teilweise freiwilligen, aber auch aufgezwungenen Abzug größerer US-Kontingente kompensieren. Dass die USA beim Kampf gegen den IS im Irak eine wichtige Rolle spielten, hat schon Gewicht. Wobei jeder weiß: Dass der IS aus wichtigen Städten wie Mosul verjagt wurde, hing enorm von den schiitischen Milizen ab, die enge Verbindungen zu Iran haben.

Laut Einschätzungen von Ende August gibt es starke Kräfte im Land, die den Einfluss der USA weiter eindämmen wollen, jedoch auch Stimmen, die das Argument der US-Regierung unterstützen, wonach der IS noch nicht besiegt sei und daher eine weitere unbestimmt lange US-Präsenz vonnöten (wie das auch für Syrien behauptet wird). Entsprechend gibt es auch ein Risiko für die Seite, die den Einfluss der USA völlig zur Seite wischen will.

Nur eine "leere Drohung"?

Welche Positionen mit der anfangs erwähnten Drohung des unbekannten Mitglieds der Trump-Administration gemeint sind und welche Unterstützung und Hilfeleistungen eingestellt werden, wird nirgends präzisiert.

Der Irak-Korrespondent der Washington Post, Tamer El-Ghobashy, hält die Aussage denn auch für eine leere Drohung. Das Weißen Haus wolle davon ablenken, dass die USA hier nur geringen Einfluss haben. Zudem sei dies überhaupt nicht mit den Zielen des Verteidigungsministeriums abgestimmt. Das Pentagon dürfte nach dieser Auffassung kein Interesse an der Destabilisierung Iraks haben.

Allerdings gibt es einen starken Hebel, den die USA haben: Sie können mit dem Druck agieren, dass die US-Sanktionen gegen Iran auch für den Irak gelten, dass es keine der gewünschten Ausnahmen gibt. Die Handelbeziehungen zwischen Iark und Iran sind in den letzten sechs Monaten beträchtlich angewachsen. Allerdings hat auch dieses Druckmittel seine Risiken. Es sei denn die USA wünschen sich instabile Zeiten im Irak zurück.