Irak: Washington rät US-Bürgern zur Ausreise
Berlin verschärft lediglich Sicherheitsmaßnahmen für Bundeswehrsoldaten
Nach der Tötung des iranischen Al-Kuds-Kommandeurs Qassem Soleimani durch eine amerikanische Drohne oder Rakete rät das amerikanische Außenministerium US-Bürgern von Reisen in den Irak ab. US-Bürger, die sich bereits im Irak aufhalten, sollten den gestern auf Twitter und im Web veröffentlichten Hinweisen nach "unverzüglich" ausreisen. Am besten mit einem Flugzeug. Wer dazu Fragen hat, kann sich nicht persönlich an amerikanische Vertreter vor Ort wenden: Das State Department hat nämlich "alle konsularischen Operationen ausgesetzt".
Für deutsche Staatsbürger gelten weiterhin die seit dem 27. November 2019 unveränderten Hinweise: Vor Reisen in den arabischen Teil des Irak wird "gewarnt", von Reisen in den kurdischen Teil lediglich "abgeraten".
Verschärft hat Berlin bislang lediglich die Sicherheitsmaßnahmen für die im Kurdengebiet, in Bagdad und im Militärkomplex Tadschi bei Bagdad stationierten Bundeswehrsoldaten. Mit den nun für sie geltenden "Einschränkungen für Bewegungen am Boden und in der Luft" folgt man einer Anordnung des Hauptquartiers der internationalen Militärkoalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Die knapp 500 Bundeswehrsoldaten sollen den Streitkräften des Zweistromlandes unter anderem Nachhilfe in den Bereichen "ABC-Abwehr", "Hochbau für Pioniere" und "Logistik" geben. An diesem Auftrag, so ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam, habe sich "nichts geändert" und man setze ihn "so fort, wie er befohlen ist".
Racheakte angekündigt
Anlass für den amerikanischen Ausreiserat und die verschärften Sicherheitsmaßnahmen ist die Möglichkeit von Rachemaßnahmen, die iranische Politiker nach der Tötung Soleimanis angedroht haben. Das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei twitterte, nun wüssten sowohl Freunde als auch Feinde, "dass der Dschihad des Widerstandes mit höherer Motivation weitergehen" werde. Der Verlust "unseres lieben Generals", so Chamenei, sei "bitter" - aber der "andauernde Kampf und der letztendliche Sieg" werde "für die Mörder und Kriminellen noch bitterer".
Hassan Rouhani, der iranische Präsident, kündigte an, dass "der Iran und andere unabhängige Staaten dieses schreckliche Verbrechen der USA zweifellos rächen" würden, der iranische Verteidigungsminister Amir Khatami sprach von einer "vernichtenden Antwort" und der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif von "Konsequenzen einer schurkischen Abenteuerpolitik", für die die USA selbst "verantwortlich" seien.
Asymmetrische Lage
Darüber, wie diese "Konsequenzen" konkret aussehen sollen, beriet gestern der Nationale Sicherheitsrat des Iran in einem Krisentreffen. Beobachter gehen davon aus, dass den meisten Teilnehmern dieses Gremiums die asymmetrische Lage auch im Zorn bewusst sein dürfte und halten deshalb indirekte Racheakte für wahrscheinlicher als einen offenen Angriff. So ein indirekter Racheakt bietet sich auch deshalb an, weil bei dem Drohnen- oder Raketenschlag in der Nähe des Flughafens von Bagdad nicht nur der Al-Kuds-Kommandeur, sondern auch Abu Mahdi al-Muhandis, die Nummer Zwei der irakischen Schiitenmiliz Al-Haschd asch-Schabi, ums Leben kam.
Ein anderer Hebel, den Teheran ansetzen könnte, wäre die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die nach der Beruhigung der Lage in Syrien wieder Kapazitäten frei hat. Opfer ihrer Handlungen könnten (wie in der Vergangenheit häufig der Fall) Bürger des iranischen Standard-Ersatzfeindes Israel werden, den der Revolutionsgardensprecher Ramesan Scharifi im öffentlich-rechtlichen Fernsehen seines Landes gestern explizit nannte. Eher mit Kämpfen im eigenen Land beschäftigt scheinen dagegen die schiitischen Huthi-Milizen im Jemen.
Ein für Teheran neuer Weg wäre, den internationalen Rechtsweg zu beschreiten und die Rechtmäßigkeit der Tötung Soleimanis unabhängig überprüfen zu lassen. Der UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard zufolge reicht nämlich "eine frühere Verwicklung eines Individuums in terroristische Attacken" nicht aus, um so eine Tötung zu rechtfertigen. Dafür müsse eine "unmittelbare Lebensbedrohung" vorliegen. Die hat US-Präsident Donald Trump zwar behauptet, aber bislang noch nicht bewiesen. Eine Ermordung darf man ihm den deutschen und österreichischen Rechtslagen nach ohne Gerichtsurteil nicht vorwerfen.