Irakkrieg wird Vorwahlkampfthema bei Demokraten
Sanders kritisiert Biden, der verwechselt Iran und Irak - und Bloomberg bereut seine Befürwortung nicht
Begünstigt durch die Möglichkeit einer größeren militärischen Auseinandersetzung nach der Tötung des Al-Kuds-Kommandeurs Quassem Soleimani debattiert man im Vorwahlkampf der Demokraten die Haltung der Bewerber zum Irakkrieg. Bernie Sanders, der 2002 Zeitgeist, Medien und Konformitätsdruck widerstand und einer der wenigen Kongressabgeordneten war, die gegen diesen Feldzug stimmten, erinnerte den aktuellen Umfrageführer Joseph Biden am Montag in der CNN-Show von Anderson Cooper an dessen Befürwortung der seiner Ansicht nach "gefährlichsten außenpolitischen Fehlleistung in der modernen Geschichte dieses Landes".
Biden meinte auf diesen Vorwurf hin, er habe damals zwar vor Beginn dieses Krieges für eine Invasion gestimmt, sei aber seit dem tatsächlichem Einmarsch ein "ausgesprochener Gegner" dieser Maßnahme gewesen.
In einer Rede, die der Politiker im Juli 2003 - also über drei Monate nach dem Beginn des Irakkrieges - am Think Tank Brookings Institution hielt, hatte er allerdings behauptet:
Vor neun Monaten stimmte ich mit meinen Kollegen dafür, dem Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika die Autorität zu übertragen, Gewalt anzuwenden - und ich würde heute wieder so abstimmen. Es war damals das richtige Votum und würde auch heute ein korrektes Votum sein. (Joseph Biden im Juli 2003)
Unterschiedlich gealtert oder eine andere Strategie?
Möglicherweise erinnert sich Biden tatsächlich in einer Weise an seine Vergangenheit, die von dem Bild abweicht, das seine Zeugnisse zeichnen. Immerhin ist der ehemalige Vizepräsident bereits 77 Jahre alt und erweckte unter anderem in den Fernsehdebatten mehrfach den Eindruck, dass er manchmal Sachen durcheinanderbringt. Zuletzt verwechselte er zwei ähnlich klingende Länder, als er meinte, "das iranische [sic] Parlament" habe "dafür gestimmt, alle Amerikaner und Koalitionstruppen aus dem Land zu werfen".
Der Milliardär Michael Bloomberg, der Anfang der Nullerjahre ebenfalls für den Irakkrieg war, scheint sich trotz seiner ebenfalls 77 Jahre besser an diese Zeit zu erinnern als Biden. Oder er verfolgt eine andere Strategie des Umgangs mit seiner Vergangenheit. In jedem Fall meinte er zur Los Angeles Times, er lebe nicht in einer "Welt des Bedauerns" und habe damals außerdem nicht "die Entscheidung gefällt":
Amerika wollte in den Krieg ziehen, aber es stellte sich heraus, dass das auf fehlerhaften Geheimdienstinformationen basierte und ein Fehler war. Aber ich glaube, die Leute, die diesen Fehler machten, machten ihn aufrichtig. (Michael Bloomberg)
Trump oder der Tiefe Staat?
Darauf, wie und warum solche fehlerhaften Geheimdienstinformationen zustande kamen (und möglicherweise noch kommen), ging Biden nicht näher ein. Damit beschäftigte sich stattdessen der konservative Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der weniger Donald Trump als einem "Tiefen Staat" vorwirft, die USA in einen Krieg mit dem Iran zu ziehen:
Das sind die Leute, die Vorwände erfanden, um Trumps Wahlkampagne auszuspionieren, nur weil sie die außenpolitischen Ansichten des Kandidaten nicht mochten. Und die dann vorgaben, er sei ein russischer Agent [...]. Erinnern Sie sich an dieses Intermezzo? Unsere Freunde in den Geheimdiensten machten das. […] Sie logen auch 2002 über irakische Massenvernichtungswaffen und zogen uns in einen ausgesprochen sinnlosen Krieg, der unser Land dramatisch schwächte. Die Leute, die jetzt auf einen Konflikt mit dem Iran drängen, machten das. (Tucker Carlson)
In der Demokratischen Partei warnt man ebenfalls vor einer Eskalation des Konflikts mit dem Iran, konzentriert sich dabei aber ganz auf die Person des amtierenden Präsidenten. Hier sind sich Joseph Biden, Bernie Sanders, Michael Bloomberg, Elizabeth Warren und Peter Buttigieg relativ einig.
Andrew Yang, der aktuell sechstplatzierte im demokratischen Vorwahlrennen, sieht darüber hinaus zu viel Entscheidungsmacht auf das Weiße Haus konzentriert und kündigte in der MSNBC-Sendung The Beat an, er werde im Fall seiner Wahl zum Präsidenten die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführte Authorization of Military Force (AUMF) wieder abschaffen. Sie erlaubt es einem amerikanischen Staatsoberhaupt, Militärschläge ohne Zustimmung des Kongresses anzuordnen.
Am explizitesten vor einer Auseinandersetzung mit dem Iran warnt die bereits vorher als Anti-Kriegs-Kandidatin aufgetretene Tulsi Gabbard. Ihren Worten nach würde ein Krieg mit dem Iran "die Kriege, die wir im Irak und in Afghanistan gesehen haben, wie ein Picknick aussehen lassen". Auch dann, wenn es zu keinem Krieg kommt, ist die Verschlechterung des Verhältnisses zum Iran ihrer Meinung nach schädlich, weil sich die US-Truppen im Nahen Osten nicht mehr auf die Bekämpfung des Islamischen Staats und der al-Qaida konzentrieren können, was diesen beiden Gruppen die Möglichkeit gibt, sich neu zu formieren.