Iran: Proteste gegen Regierung weiten sich aus
Bazarhändler in Teheran schließen sich dem Widerstand an, es wird über einen möglichen Putsch debattiert
In Iran begann das Jahr mit den größten landesweiten Protesten seit 2009. Mit der Verhaftung von rund 5000 Menschen und brutalen Polizeieinsätzen versuchte die Regierung in Teheran, die Kontrolle zurückzugewinnen. Doch wirklich beendet sind die Proteste seither nicht. Seit Monaten brodelt es im Land. Gewerkschaften und Arbeiter, darunter Lehrer und LKW-Fahrer, streiken immer wieder, regelmäßig werden Fabriken, Schulen und der Verkehr lahmgelegt. Trotz teils harter Intervention der Polizei und staatlicher Milizen beruhigt sich die Lage kaum.
Die Absage von US-Präsident Donald Trump an den Atomdeal versetzte der iranischen Wirtschaft erneut einen schweren Schlag. Die iranische Währung hat gegenüber dem Dollar seit Jahresbeginn einen dramatischen Absturz von rund 42.000 auf nun knapp 90.000 Rial erlebt. Inflation und Arbeitslosigkeit erschweren die Lage der Bevölkerung zusehends. Am Montag brauchen in der Hauptstadt Teheran erneut Proteste aus. Demonstranten zogen zu Tausenden durch die Innenstadt und durch den Großen Bazar, der daraufhin geschlossen wurde.
Zahlreiche der einflussreichen Bazarhändler, die eigentlich zu den wichtigsten Stützen der Islamischen Republik gehören, schlossen sich der Demonstration an. Sie forderten nicht nur ein Ende der ökonomischen Krise, sondern auch den Rücktritt der Regierung, die sie für ihre Lage verantwortlich machen. Eine Demonstration vor dem Parlament löste die Polizei mit Tränengas auf, nachdem Demonstranten in den umliegenden Straßen Barrikaden errichtet hatten. Es ist auch zu hören, wie "Nieder mit Palästina, nieder mit der Türkei" gerufen wird.
Es ärgert die Menschen, dass die Regierung der Außenpolitik und der Unterstützung politischer Gruppen im Ausland aus ihrer Sicht größere Aufmerksamkeit schenkt als den Problemen im Inland. Der Protest setzte sich seither fort.
Besonders dramatisch für das Regime ist die Tatsache, dass der Protest nicht wie 2009 von der städtischen Mittelschicht, sondern von Arbeitern und der Landbevölkerung ausgeht - also jenen Gruppen, die eigentlich meist hinter der Politik in Teheran stehen. Staatspräsident Hassan Rohani versuchte, die Gemüter zu beruhigen, indem er versicherte, das Land habe genug Ressourcen, um weitere Sanktionen zu überstehen. Langfristig ist das allerdings zweifelhaft.
Die Regierung Rohani gerät allerdings auch aus den obersten Kreisen des Staates heraus in Bedrängnis. Bereits seit mehreren Monaten wird öffentlich, auch in den Medien, die Möglichkeit eines Putsches durch die Revolutionsgarden debattiert. Mehrere Generäle kritisieren Rohani offen sowohl für seine Wirtschaftspolitik als auch für seine Versuche, die strengen Gesetze für die Zivilbevölkerung zumindest partiell zu locken. Dabei ist das meist reine Symbolpolitik. Die Revolutionsgarden sind eine nicht zu unterschätzende Macht im Staat. Sie sitzen an allen Schaltstellen des Systems und kontrollieren große Teile der Wirtschaft, weswegen neue Sanktionen sie ganz direkt treffen würden.
Ob es tatsächlich Putschpläne gibt oder durch die Debatten lediglich der Druck auf Rohani erhöht werden soll, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehen, deutet aber auf die Schwäche der amtierenden Regierung.
Gegenüber der New York Times macht Mirzababa Motaharinezhad von der reformorientierten Demokratischen Partei Trump ganz direkt für die Entwicklung verantwortlich. Iran sei "politisch und ökonomisch auf einem guten Weg" gewesen. Seit Trumps Ausstieg aus dem Atomdeal sei "diese Offenheit beendet", Verfolgung von und Gewalt gegen Aktivisten habe wieder zugenommen.