Iranische Sanktionsgeschäfte: Die türkische Regierung im "Goldrausch"

Seite 3: Ein von Trump entlassener Staatsanwalt und eine "Lösung auf höherer Ebene"?

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Mit der spektakulären Verhaftung Zarrabs hat die New Yorker Justiz den Fall, der in der Türkei mit aller Macht unter den Teppich gekehrt wurde, wieder aufgenommen. Der Geschäftsmann gab an, sich keiner Schuld bewusst zu sein: Man wird doch wohl mit Gold handeln dürfen? Doch Staatsanwalt Preet Bharara hielt ihm ein Dokument aus dem Entwurfsordner seines Email-Accounts vor, datiert vom 3.12.2011. Es enthält ein Bekenntnis zum "ökonomischen Dschihad", den "der weise Führer der islamischen Revolution", Ayatollah Khamenei, für das kommende Jahr ausgerufen habe. Deshalb wolle auch die Familie Zarrab mit ihrer 50-jährigen Erfahrung und ihren Filialen in der Türkei, den VAE, in Russland und Aserbeidschan ihrer Pflicht genügen und bei jeder Form von Geld- und Handelsgeschäften kooperieren, um die westlichen Sanktionen zu neutralisieren und möglichst sogar in günstige Umstände zu verwandeln. Das Schreiben war an den Generaldirektor der iranischen Zentralbank, Markazi Bank, gerichtet; ob es so oder so ähnlich abgeschickt wurde, ließ der Staatsanwalt offen.

Mit Bharara war Zarrab an die denkbar ungünstigste Adresse geraten. Der streitbare Ankläger hatte sich nicht nur mit Wallstreet-Firmen und einflussreichen Politikern sowohl bei den Demokraten wie auch bei den Republikanern angelegt, er hatte auch europäische Finanzinstitute wie BNP Paribas, Commerzbank und Deutsche Bank wegen Sanktionsverstößen vor den Kadi gezerrt und sie zu milliardenschweren Vergleichen genötigt.

Bharara und sein Team waren mit der Materie also bestens vertraut. Es gelang ihnen, das Gericht davon zu überzeugen, die Anträge von Zarrabs Verteidigern zurückzuweisen, die eine Niederschlagung des Verfahrens forderten, weil es eine gefährliche Ausweitung des amerikanischen Rechtsanspruchs auf Bürger anderer Staaten impliziere. Auch mit dem beachtlichen Angebot einer Kaution von $ 50 Mio. blieben sie erfolglos.

Allerdings pflegen neue US-Präsidenten die Bundesanwälte nach ihrem Gutdünken zu besetzen. Am 10. März 2017 erging die Aufforderung an 47 von Obama ernannte Beamte, zu demissionieren und unverzüglich ihre Büros zu räumen. Bharara kam der Aufforderung nicht nach; bei einem Treffen im November hatte er Trump so verstanden, dass der ihn behalten wollte, passte er doch mit seinen Anklagen gegen das Establishment zu den einschlägigen Kampfansagen des siegreichen Kandidaten. Am 11. März wurde Bharara gefeuert. Zum Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter Joon H. Kim ernannt. Damit will die Administration den Eindruck vermeiden, als wolle sie dem Iran oder der Türkei gefällig sein. Andererseits darf sich der Nachfolger bewusst werden, wer das Sagen hat.

Bhararas Entlassung ereignete sich just zu einem Zeitpunkt, schrieb NY Daily News, wo der Schwiegersohn Trumps, Jared Kushner, und der Schwiegersohn Erdoğans, Berat Albayrak, Kontakte untereinander geknüpft hatten. Albayrak gehört als Energieminister dem Kabinett Yildirim an.

Schon vor dieser für ihn günstigen Wendung beauftragte Zarrab zwei prominente Republikaner und Freunde Trumps mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Es handelt sich um Rudolph W. Giuliani, ehemaliger Bürgermeister von New York, und Michael B. Mukasey, Bundesrichter und Generalstaatsanwalt unter George W. Bush. Die beiden stramm konservativen Herren vertreten Zarrab allerdings nicht vor Gericht; sie bemühen sich um eine diplomatische Lösung "auf einer höheren Ebene", erklärte die Verteidigung Zarrabs. Um die Möglichkeiten für einen Deal zu sondieren, haben sie Gespräche mit der Trump-Administration geführt und sind auch schon in die Türkei gereist, um Erdoğan zu treffen: Lobbying auf höchster Ebene, wie es in der NZZ passend hieß.

Und nun die Verhaftung von Aslans Co-Manager Hakan Atilla. Hatte er einen Schuhkarton im Reisegepäck? Führt sich Joon H. Kim ebenso eigenwillig auf wie sein Vorgänger Bharara? Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Atilla und Zarrab gar nicht so erpicht auf die Rückkehr in ihre Heimat sind.