"Islamistisches Grundwissen für Frauen": Legitimation von Mord und Gewalt

Ein Buch mit gefährlichen Botschaften in Zeiten zunehmender Gewalt gegen Frauen

"Was haben die islamistische Milli-Görüs-Gemeinschaft (IGMG), ein deutscher Salafisten-Shop und der Internet-Gigant Amazon gemeinsam?", fragt das österreichische Volksblatt provokant. Die Antwort lautet: Die Herausgabe eines Buches, das Gewalt gegen Frauen und Mord im Namen des Islams legitimiert.

Über eine muslimische Facebook-Gruppe, die das Buch kontrovers diskutierte, wurde die Herausgabe des Buches "Ilmihal - Islamisches Grundwissen für Frauen" zufällig bekannt. Der Administrator der geschlossenen Facebook-Gruppe nannte es "erschreckend, was in den Köpfen der Autoren vor sich gegangen ist, vor allem deshalb, weil es auch strafrechtlich relevant sein dürfte".

Das Buch wurde vom Istanbuler Uysal-Verlag in deutscher Sprache herausgegeben. Verfasser sind der Islamwissenschaftler Asim Uysal und seine im Vorjahr verstorbene Frau Mürside. Es wurde unter anderem auch über Amazon vertrieben.

[Update: Wie Amazon der Telepolis-Redaktion mitteilte, ist das Buch nicht mehr auf Amazon erhältlich.]

Erste Kommentare von Käufern warnen ausdrücklich vor dem Buch. "Dieses Buch enthält brandgefährliche Botschaften!", heißt es in einem Kommentar, in dem angemerkt wird, dass das Buch in Deutschland und Österreich angeblich von der islamistisch-türkische Milli-Görüs Bewegung vertrieben wird.

Wie auch dem Autor des Medienberichts ist auch den Buch-Rezensenten der Satz bitter aufgefallen:

"Jemand der den Propheten beschimpft, beleidigt oder seine Religion in irgendeiner Weise schlecht macht, muss getötet werden"

Das lässt an den Fall des französischen Lehrer Samuel Paty denken, der im Herbst letzten Jahres von einem islamistischen Fanatiker grausam ermordet wurde. Er hatte im Unterricht anhand von Mohammed-Karikaturen Ideen und Prinzipien die Meinungsfreiheit erklärt, woraufhin sich, basierend auf einer fatalen Falschaussage einer Schülerin, eine Hetz- und Hasskampagne mit einem Beteiligten aus der islamistischen Predigerszene und "Fernberatung" durch Dschihadisten im syrischen Idlib entwickelte, die zur Ermordung des Lehrers führte.

Im Buch "Ilmihal für Frauen - islamisches Grundwissen für Frauen" steht der oben zitierte Satz mit der Aufforderung zum Töten laut des Berichts im österreichischen Volksblatts auf Seite 177. Eine besondere Härte wird noch durch den Zusatz hinzugefügt, dass selbst Reue dem Beleidiger der Religion nicht helfe:

"Wenn er Buße tut und Reue zeigt, wird zwar seine Reue von Allah angenommen, er muss trotzdem getötet werden. Ihm darf keine Besinnungszeit verliehen werden. Er muss getötet (werden), ganz unabhängig davon, ob er bereut und Buße tut."

"Unglaublich, dass auf Amazon dieses Buch verkauft wird", heißt es in einer Kundenbewertung. Verkauft wird es aber auch in türkischen Buchläden wie etwa in Wiesbaden.

Die islamistische Gemeinschaft Milli-Görüs (IGMG) verkaufte das Buch über ihren in Köln registrierten Online-Buchklub "Kitap Kulübü". Die Werbung für das Buch wurde gelöscht, nachdem das österreichische Volksblatt vergangene Woche schon zuvor über die Inhalte des Buches berichtet hatte. In einem Artikel äußerte sich die österreichische Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sich entsetzt über das Buch, das Gewalt gegen Frauen und Mord legitimiert.

"Leichtes Schlagen erlaubt"

Zum "islamischen Grundwissen für Frauen" zählt laut dem Buch, dass eine Ehefrau häusliche Gewalt über sich ergehen lassen müsse, wenn sie sich dem Mann widersetzt: "Sollte sich eine Frau gegen ihren Mann auflehnen, erlaubt der Koran dem Ehemann als letzte Maßnahme, seine Frau zu züchtigen." Verhält sich eine Frau in der Öffentlichkeit nach Ansicht des Mannes nicht korrekt, "...ist leichtes Schlagen seitens des Ehemannes erlaubt".

Allerdings solle der Mann "keine Spuren des Schlagens hinterlassen", zitiert das Volksblatt aus dem Buch. Es sei verboten, "auf den Kopf, ins Gesicht, auf die Brust oder den Bauch zu schlagen." Auch dürfe er die Frau nicht wegen Lappalien schlagen. Was damit gemeint ist, bleibt der Interpretation des Mannes überlassen. Die Frauen lernen dazu: "…der Sinn dieses Vorgehens liegt nicht darin, die Frau zu schlagen, sondern sie dazu zu bewegen, ihr Fehlverhalten zu ändern."

Denn die beste Ehefrau sei jene, die den Mann erfreut, wen er sie ansieht, und die ihm Folge leistet, wenn er ihr etwas aufträgt.

Verbot gefordert

In der Türkei und in Deutschland versuchen türkische und kurdische Frauen auf die zunehmende Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. In einer Unterschriftenkampagne 100 Gründe den Diktator zu verurteilen klagen sie mit exemplarischen Biografien von 100 Frauen und Mädchen, die seit Erdogans Machtübernahme 2002 aufgrund seiner Politik ermordet wurden, die frauenfeindliche Politik der türkischen Regierung an.

Aber auch konservative Politikerinnen sind entsetzt: die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier (CSU) fordert ein "Verbot von Büchern mit islamistischen Inhalten, die zur Tötung von Menschen und zu Gewalt und Unterdrückung von Frauen auffordern". Es sei ein indirekter Aufruf zu terroristischen Anschlägen, wenn zum Mord an Kritikern von islamistischen Interpretationen des Islams aufgerufen werde.

Hohlmeier plädierte für ein Verbot jener Organisationen, die dieses Buch vertreiben - womit eigentlich nur Milli Görüs und Ditib gemeint sein können, denn die "türkische Version wird (in gleicher Aufmachung wie die deutsche) sowohl von der türkischen Religionsbehörde Diyanet als auch deren deutscher Filiale Ditib angeboten". Auch im Umma-Shop in Düsseldorf von der salafistischen Organisation Ansaar International war das Buch zu finden.

Frauenmorde in der Türkei

Anfang März wurde ein Video aus Samsun/Türkei über die sozialen Medien verbreitet, in dem ein Mann auf offener Straße auf seine auf dem Boden liegende bewusstlose Ehefrau pausenlos einprügelt und eintritt. Die 5-jährige Tochter steht daneben und schreit weinend die ganze "Mama" und versucht die ganze Zeit den Vater zu stoppen.

Ebenfalls Anfang März diesen Jahres wurde der Fall der 35-jährigen Ayten K. aus Diyarbakir bekannt, die sich nach Ansicht der Behörden erhängt haben soll. Allerdings war ihr Körper mit blauen Flecken übersät. Ungewöhnliche Symptome für einen Tod am Strang. Die Autopsie ergab drei Tage alte Blutergüsse am Körper der Frau, also genau von jenem Tag, als Ayten K.s Ehemann, ein Saisonarbeiter, sich zu Hause aufhielt. Die Familie der Frau geht von einem Mord durch den Ehemann aus, der Staatsanwalt schloss dennoch die Akte.

Allein im letzten Jahr wurden 300 Frauenmorde registriert, aber die Dunkelziffer dürfte diese Zahl noch übersteigen.

Diskussion über Ausstieg aus der Istanbul Konvention

2011 verabschiedete der Europarat die Istanbul-Konvention ein Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Die Unterzeichnerstaaten haben sich verpflichtet, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.

2012 ratifizierte die türkische Regierung das Übereinkommen und ließ es als Gesetz zur Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und zum Schutz der Familie rechtlich verankern. Tatsächlich kommen die Rechtsnormen der Istanbul-Konvention jedoch nicht zur Anwendung, im Gegenteil. Gegenwärtig wird sogar über einen Ausstieg diskutiert.

Denn die Konvention stört bei der fortschreitenden Islamisierung der Türkei. Anfang 2020 besuchte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Chef der erzkonservativen muslimischen Bruderschaft Ismailaga. Diese hält die Konvention für einen "Angriff auf islamische Werte". Und diese Werte sind, da schließt sich der Kreis wieder mit dem islamistischen Buch, gewaltverherrlichend und frauenverachtend.

Dass dieses Buch nicht nur auf Türkisch, sondern auch auf Deutsch erschien, sollte die deutschen Behörden, die bisher über Ditib und Milli Görüs ihre schützende Hand gehalten haben, aufhorchen lassen.

Denn vermutlich richtet sich das Buch an deutschsprachige muslimische Konvertitinnen. Es sei an die jungen Frauen aus Deutschland erinnert, die zum Islam konvertierten und letztlich beim IS (Islamischen Staat) in Syrien und im Irak landeten.