Israel-Gaza-Krieg: Warum die USA dringend mit dem Iran reden müssen

Seite 2: Die fatalen Fehler Washingtons in der Region

Da das Engagement für Palästina eines der weiter wirkenden Identitätsmerkmale der Islamischen Republik ist, überrascht es nicht, dass die wachsende Unzufriedenheit mit dem politischen System sich in einer schwächeren Unterstützung der Bevölkerung für die Beteiligung des Irans an einem Konflikt niederschlägt, den viele Iraner als einen fremden Konflikt betrachten.

Die Tatsache, dass der Iran gezwungen ist, bisher zurückhaltend zu agieren, öffnet ein Gelegenheitsfenster für eine mutige, kreative Diplomatie auf US-amerikanischer Seite. Echte diplomatische Bemühungen sollten weit über das Aussenden von Warnungen an Teheran durch Dritte wie Katar, Oman oder den Irak hinausgehen. Sie sollte direkte Gespräche nicht nur über die Beendigung des Krieges in Gaza, sondern auch über die Umrisse einer umfassenderen Ordnung im Nahen Osten beinhalten.

In Anbetracht der tief verwurzelten Feindschaft zwischen den USA und dem Iran mag das als schwer machbar erscheinen. Doch wie der Experte für internationale Beziehungen Stephen Walt uns erinnert, lassen sich einige der Wurzeln der derzeitigen Situation bis zur Madrider Friedenskonferenz über den Nahen Osten im Jahr 1991 und den anschließenden Osloer Vereinbarungen über Palästina zurückverfolgen.

Walt schreibt zwar dem damaligen Präsidenten George H.W. Bush und seinem Außenminister James Baker zu, dass sie sich ernsthaft um den Frieden im Nahen Osten bemühten, weist aber auch auf einen fatalen Fehler des Madrid-Oslo-Prozesses hin: den Ausschluss des Irans und vieler weiterer Akteure von den Diskussionen, was den Iran nur dazu ermutigte, als Spielverderber gegen eine regionale Ordnung aufzutreten, die ausdrücklich gegen seine Interessen gestaltet wurde.

Bemerkenswerterweise geschah das zu einem Zeitpunkt, als der Iran, erschöpft vom langen, brutalen Krieg mit dem Irak und unter der pragmatischen Präsidentschaft von Ali Akbar Hāschemi Rafsandschāni, Anzeichen von Mäßigung und der Bereitschaft zeigte, wieder mit den USA zusammenzuarbeiten.

Während die USA und ihre Verbündeten nun über ihre nächsten Schritte nachdenken, sollten sie es vermeiden, denselben fatalen Fehler zu wiederholen. Die Kosten der fehlenden Beziehungen zwischen Washington und Teheran werden bereits durch die fast täglichen Angriffe der schiitischen Milizen in Syrien und im Irak auf US-Militäreinrichtungen in diesen Ländern deutlich.

Die USA führen dagegen Vergeltungsmaßnahmen durch, die sie als "Selbstverteidigungsschläge" gegen die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) des Iran bezeichnen. In Ermangelung eines sinnvollen diplomatischen Wegs und von Deeskalationsmechanismen könnten diese Auseinandersetzungen leicht außer Kontrolle geraten und zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und dem Iran führen.

In einem solchen Szenario hätten die USA wenig regionale Unterstützung, da sich die arabische und islamische Welt darauf konzentriert, Israels Krieg in Palästina zu beenden und nicht gewillt ist, in einen neuen Krieg gegen den Iran einzutreten.

Es ist sehr bezeichnend, dass der Krieg in Gaza Anlass war für den ersten Besuch des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi in Saudi-Arabien nach Jahren der Feindseligkeit. Er reiste zu einem gemeinsamen Treffen der Arabischen Liga und der Organisation Islamische Konferenz. Ein Händedruck zwischen Raisi und dem saudischen Kronprinzen Mohammad Bin Salman in Riad wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.

Die USA sollten diese regionalen Kontakte fördern und ihren eigenen direkten Dialog mit dem Iran aufnehmen. Die Alternative – die Region fein säuberlich in Gemäßigte (wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Jordanien) und Parias (Iran und seine Verbündeten wie Stellvertreter) aufzuteilen – wurde bereits ausprobiert und ist kolossal gescheitert. Die Folgen dieses Scheiterns sind in Gaza auf tragische Weise zu sehen.

Die Aufnahme direkter Gespräche mit dem Iran wird nicht alle Probleme in der Region lösen. Es könnte auch innenpolitische Risiken für Biden im Jahr vor den Wahlen mit sich bringen. Aber wenn man die Strategie des Ausschlusses des Irans von jeder Lösung für den Gazastreifen und die künftige Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten weiterverfolgt, wird sich der Kreislauf der Gewalt in der Region garantiert fortsetzen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.