Israels Militärstrategie im Libanon: Anzeichen für längerfristige Besatzung?
Seite 2: Eine neue "Sicherheitszone"?
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Ein möglicher Grund für die Angriffe ist, dass die IDF glaubt, die Vertreibung der Unifil würde die Hisbollah bloßstellen und der IDF erlauben, ihre Invasion ohne die wachsamen Augen internationaler Beobachter fortzusetzen.
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Während des libanesischen Bürgerkriegs besetzte die IDF einen Teil des libanesischen Territoriums an der Grenze zu Israel, die so genannte "Sicherheitszone". Sie sollte als Pufferzone für den Norden Israels dienen, zunächst zum Schutz der israelischen Bürger vor palästinensischen Milizen, später auch vor den schiitischen Widerstandsgruppen Amal und Hisbollah.
Die israelische Forderung, Unifil solle sich fünf Kilometer von der Blauen Linie zurückziehen, könnte bedeuten, dass Israel erwägt, wieder eine Art Pufferzone einzurichten. Mehrere Faktoren deuten darauf hin, dass dies eine Möglichkeit ist – auch wenn die IDF und die israelische Regierung in dieser Frage nicht unbedingt einer Meinung sind, wie die jüngsten Spannungen vermuten lassen.
Erstens hat die IDF jetzt Einheiten von mindestens vier Divisionen im Libanon stationiert. Die Zahl der eingesetzten Truppen beläuft sich auf über 15.000, was darauf hindeutet, dass es sich bei dieser Invasion um mehr als eine begrenzte Operation handelt.
Zweitens befinden sich entlang der Blauen Linie 29 Stützpunkte der Unifil. Sollten diese von der UNO geräumt werden, gäbe es keine Hindernisse für die IDF, dort einzumarschieren und sie zu eigenen Stützpunkten auszubauen. Auch wenn die UN-Stellungen mit Verstärkungs- und Schutzausrüstung ausgestattet werden müssten, blieben sie dennoch nützlich.
Drittens versuchten die israelischen Streitkräfte 2006, die Hisbollah aus der Luft zu vernichten und führten begrenzte, planlose Bodenoperationen durch. Diese Taktiken scheiterten, und die vorherrschende Meinung könnte nun sein, dass die einzige Möglichkeit, die sichere Rückkehr von 65.000 Israelis in ihre Häuser in Nordisrael zu gewährleisten, eine Besetzung ist.
Aber im Gegensatz zur früheren Besatzung, als die IDF von der SLA unterstützt wurde, hat Israel derzeit keinen Partner im Libanon, und es ist unwahrscheinlich, dass es in der libanesischen Bevölkerung einen willigen Komplizen findet, der ihm hilft, die Sicherheit einer Pufferzone zu verwalten.
Das bedeutet, dass die IDF-Truppen direkt Angriffen von Widerstandsgruppen ausgesetzt wären und die nördlichen israelischen Dörfer wahrscheinlich nicht sicher bleiben würden.
Die Tatsache, dass die Regierung Netanjahu weiterhin auf militärische Mittel setzt, um politische Probleme zu lösen, hat beunruhigende Folgen für Israel, den Libanon und den Nahen Osten insgesamt. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so aus, als könnte Israel in einen Konflikt hineingezogen werden, der sich zu einem neuen "ewigen Krieg" entwickeln könnte.
Die bisherige Taktik der IDF deutet darauf hin, dass sie nicht an den "Tag danach" und die Kosten für Israel denkt, die mit der längeren Besetzung einer Pufferzone verbunden wären.
Vanessa Newby ist Assistenzprofessorin am Institut für Sicherheit und globale Angelegenheiten der Universität Leiden in den Niederlanden.
Chiara Ruffaist Professorin für Politikwissenschaft am Centre for International Studies (CERI) der Sciences Po in Paris.
Dieser Text erschien zuerst auf The Conversation auf Englisch und unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz.