Jemen: Die nächste Katastrophe?
1,1 Million Barrel Rohöl befinden sich vor der Küste Jemens auf einem Öltanker mit dem Namen FSO Safer, der unterzugehen droht
Jedes Mal, wenn man glaubt, dass sich die Lage im Jemen kaum noch verschlimmern könnte, kommt eine weitere Katastrophe hinzu. Das Land, welches nicht nur mit Corona, sondern auch mit anderen Krankheiten (wie Cholera und dem Dengue-Fieber), Hungersnöten und einem seit fünf Jahren andauernden Krieg zu kämpfen hat, könnte jetzt auch noch eine Umweltkatastrophe bevorstehen.
1,1 Million Barrel Rohöl befinden sich vor der Küste Jemens auf einem Öltanker mit dem Namen FSO Safer, der aufgrund undichter Stellen unterzugehen droht. Der Tanker wurde seit fünf Jahren, also seit Beginn der von Saudi-Arabien geführten Militärinvasion, nicht mehr gewartet. Ende Mai ist Wasser in den Maschinenraum des Tankers gelangt, was das Risiko erhöht, dass das Schiff sinkt oder sogar explodiert.
Die gegen die Saudi-Koalition kämpfenden Houthi-Rebellen einigten sich vergangene Woche darauf, einem UN-Team Zugang zum Tanker zu gewähren, um eine Inspektion durchzuführen. Während Taucher der Safer Corporation in der Lage waren, das Leck zu beheben, bleibt ungewiss, wie lange diese provisorische Lösung halten wird.
Die Vereinten Nationen warnen davor, dass viermal so viel Öl austreten wird, wie es 1989 bei der Exxon Valdez-Katastrophe nahe Alaska der Fall war, falls keine Maßnahmen ergriffen werden. Wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird, ist weder der Jemen noch seine Nachbarländer in der Lage, die Folgen einer solch großen Öl-Verschüttung zu bewältigen.
Die humanitären, ökologischen und wirtschaftliche Folgen eines Öl-Austritts
Die Auswirkungen wären erheblich für rund 126 000 Menschen, die in der Fischereiindustrie arbeiten und ihren Job durch eine Umweltkatastrophe am Roten Meer verlieren würden. Mark Lowcock, Chef für humanitäre Angelegenheiten der Vereinten Nationen, spricht davon, dass 1,6 Millionen Jemeniten direkt betroffen wären, wenn es zu einem Austritt des Öls aus dem Tanker kommen würde.
Ein Großteil des verschütteten Öls würde nahe der Küste verbleiben, was bedeutet, dass der von den Houthis kontrollierte Hafen von Hudaydah (dem "Tor" für humanitäre Hilfe im Jemen) für Monate schließen müsste. Die Preise für Lebensmittel und andere lebensnotwendige Güter würden in die Höhe rasen. Ein Feuer auf dem Schiff wiederum könnte die Luft der ohnehin schwachen Bevölkerung zusätzlich verpesten. Außerdem sind 969 Fisch- und 300 Korallenriff-Arten vom Austritt des Öls gefährdet, wie die jemenitische Umweltgruppe "Holm Akhdar" berichtet.
Großbritannien möchte wieder Waffen an Saudi-Arabien verkaufen
Knapp 10 Millionen Kinder im Jemen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Trotz den Forderungen unabhängiger Menschenrechtsorganisationen, wie Save the Children, militärische Angriffe zum Wohl der Bevölkerung zu stoppen, nimmt die Gewalt zu.
Die Vereinten Nationen und ihre globalen Partner forderten 2,41 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 im Jemen. Internationale Geber sammelten allerdings nur 1,35 Milliarden US-Dollar, also knapp mehr als die Hälfte der erforderlichen Mittel für die größte humanitäre Katastrophe der Welt.
Zu allem Überfluss hat das Vereinigte Königreich den Export von Waffen an Saudi-Arabien wieder aufgenommen. Mit der Begründung, dass es sich bei saudischen Luftangriffen im Jemen nur vereinzelt um völkerrechtswidrige Anschläge gehandelt haben soll, möchte Großbritannien also wieder "seinen Stück vom Kuchen" abhaben und am Jemenkrieg mitverdienen.
Widersprüchlicherweise hat es wenige Tage nach dieser Begründung eine Bekanntmachung von Seiten des britischen Verteidigungsministeriums gegeben, wonach mehr als 500 saudische Luftangriffe im Jemen verzeichnet wurden, die sehr wohl auch völkerrechtswidrig gewesen sein könnten.
Der britische Rüstungskonzern BAE Systems verkaufte in den letzten fünf Jahren Waffen im Wert von 15 Milliarden Pfund an das Golfkönigreich. Es ist erschreckend, wie einfach es zu sein scheint, enorme Geldsummen für den Export von Waffen zusammenzukriegen, während erforderliche Hilfsgelder zum Schutz der notleidenden Bevölkerung ausbleiben.