Jemen: Hunger als Kriegswaffe
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Hunger, Krankheit, Vertreibung sind im ärmsten Land der arabischen Halbinsel seit fast acht Jahren Alltag. Hinzu kommt der Klimawandel. Derweil profitieren Konzerne und EU-Regierungen von Waffenlieferungen.
Für dringend benötigte humanitäre Hilfe im Jemen kamen auf einer UN-Geberkonferenz Ende Februar 1,2 Milliarden US-Dollar zusammen. Das Geld stammt von insgesamt 31 Spendern – Deutschland trägt120 Millionen Euro bei. Das klingt nach viel Geld, ist aber zu wenig, um Lebensmittel, Wasser, Medizin und andere Hilfsleistungen für 17,3 Millionen Menschen hinreichend zu finanzieren.
Dafür bedarf es rund 4,3 Milliarden US-Dollar. Seit acht Jahren kämpfen der Iran und Saudi-Arabien einen Stellvertreterkrieg im Jemen, der von den Vereinten Nationen (UN) als eine der weltweit schlimmsten humanitären Krisen eingestuft wird. Während der Iran die schiitischen Houthi-Rebellen unterstützt, kämpft Saudi-Arabien mit weiteren sunnitisch geprägten Golfstaaten an der Seite der Regierung.
Bis zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, die kürzlich auf Vermittlung Chinas zustande kam, wurden bereits Millionen Menschen vertrieben, mindestens 400.000 Menschen während der Kämpfe getötet.
Aufgrund der zerstörten Infrastruktur und der kaputten Straßen können die Menschen nicht so schnell vor den Kämpfen fliehen und Verletzte nicht so einfach transportiert werden. Schulen, Märkte, Geschäfte und Krankenhäuser wurden zerbombt. Daher können Kranke und Verletzte kaum oder gar nicht behandelt bzw. ausreichend medizinisch versorgt werden. Weil Hunderte Brunnen zerstört wurden, ist das Trinkwasser knapp. Etwa 16 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 24 Millionen Menschen hungern oder benötigen dringend humanitäre Hilfe.
Hinzu kommt eine extrem hohe Inflation. Mancherorts stiegen die Lebensmittelpreise um 150 Prozent. Tausende Menschen verloren ihre Jobs die Wirtschaft ist weitgehend zusammengebrochen.
Auch die Hilfsorganisationen haben mit Zugangsbeschränkungen und Unsicherheiten zu kämpfen, erklärte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths auf der Geberkonferenz. Weil Häfen und wichtige Flughäfen zerstört oder geschlossen wurden, kommen Lebensmittel und Hilfspakete bei den Menschen kaum noch an. Ein großes Problem ist der Geldmangel: Medikamente, Lebensmittel und Wasser, aber auch Lehrer und Ärzte müssen bezahlt werden. Ohne Geld können die Hilfsorganisationen vor Ort nicht arbeiten.
Mehr als 200 lokale Märkte wurden bombardiert. In den Häfen und im Roten Meer wurden mehr als 220 Fischerboote zerstört, viele Boote blieben im Hafen. Mit einer Seeblockade im Roten Meer versuchte die arabische Koalition, Waffenlieferungen der Houthi-Rebellen zu blockieren. Damit blockierte sie allerdings auch humanitäre Hilfe, medizinische Ausrüstung und Nahrungstransporte. Seit April 2016 sind mehr als eine Millionen Menschen an Cholera erkrankt und tausende daran gestorben.
Die Kinder trifft es besonders hart: UN-Angaben zu Folge sind 2,2 Millionen Kinder akut unterernährt. Bei vielen Kindern ist das Immunsystem derart geschwächt, dass sie extrem anfällig für Krankheiten wie Cholera, Masern aber auch für Diphterie und Dengue-Fieber sind.
Seit Kriegsbeginn wurden rund 4.000 minderjährige Jungen rekrutiert, die als Kindersoldaten kämpfen. Mindestens 11.000 Kinder wurden nach UN-Angaben verletzt, verstümmelt oder getötet.
Vertriebene Bauern, brach liegende Äcker
Der Jemen ist etwa anderthalbmal so groß wie Deutschland und besteht hauptsächlich aus Gebirgen und Wüsten. Nachts fallen die Temperaturen meist nicht unter 26 Grad. Regen fällt hauptsächlich im Südosten des Landes, vor allem im Gebirge. Auf den Berghängen im Westen wachsen Weihrauch, Myrrhe und Balsam, daneben auch Feigen, Hirse sowie Kaffee. Als eine der ältesten Handelsrouten der Welt verläuft die Weihrauchstraße quer durch das Land bis zum Mittelmeer.
Nur ein Bruchteil des Landes wird permanent kultiviert. Als die Kämpfe ausbrachen, hörten die Bauern auf, ihre Äcker zu bewirtschaften, viele wurden vertrieben. So wie Mohammed Abdulwahab und seine Familie. Der Vater von vier Kindern brachte die Familie mit seinen Ersparnissen durch. Für Saatgut oder anderes Material, um den Acker zu bewirtschaften, war kein Geld übrig.
Weil sie nicht wussten, wohin sie gehen sollten, aber auch, um das Vieh zu versorgen, blieb die Familie auf dem Hof. Die Familie kämpfte ums Überleben, denn um das Land zu bewirtschaften, fehlten die Mittel. "Ich musste alle zwei oder drei Tage das Haus verlassen, um etwas zu essen für meine Familie zu suchen", berichtet der Farmer in einem Interview.
Zudem waren Wasserpumpen und Generatoren beschädigt. Von der Organisation Norwegian Refugee Council (NRC) erhielten sie schließlich Saatgut, landwirtschaftliches Gerät, Wassertanks und Geld. Das ermöglichte ihnen, ihr Land wieder zu bewirtschaften. Zusammen mit einer einheimischen Organisation schult NRC Bäuerinnen und Bauern der Region in modernen Landwirtschaftstechniken.
Laut Muneer Rageh, ein Mitarbeiter des NRC im Gouvernement Taiz, wurden 250 Landwirtschaftsbetriebe beim Anbau von Gemüse und weitere 400 beim Anbau von Getreide unterstützt. Je mehr Bauern ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten, umso mehr regionales Gemüse war verfügbar. Das hatte den Effekt, dass das Gemüse wieder preisgünstiger wurde. Die Organisation half vor allem auch Vertriebenen, die nach Hause zurückkehrten.
Dem ärmsten Land der Arabischen Halbinsel drohen Wasserknappheit, Hitzewellen, Sandstürme, Erdrutsche sowie überflutete Küsten durch steigende Meeresspiegel. Überschwemmungen während der Regenzeit verstärken die Krise - etwa im August 2022 im Norden des Landes, als die Region regelrecht überflutet wurde. Auch Ackerland wurde von den Wassermassen überschwemmt. Angaben der Houthi-Rebellen zufolge kamen damals mehr als 90 Menschen ums Leben.
140 Gebäude stürzten nach schweren Regenfällen ein, mehr als fünftausend weitere wurden beschädigt. Mehr als 24.000 Familien waren betroffen, viele wurden obdachlos. Bereits zehn Tage zuvor hatten Sturzfluten in der Provinz Marib Tausende Menschen vertrieben bzw. ihre Unterkünfte stark beschädigt. Helfer einer internationalen Organisation hatten mehr als 3.400 Familien zu versorgen.
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