Jemen am Ende
Die saudisch-arabische Invasion jährte sich gerade zum sechsten Mal. Die Militäroperation "entschlossener Sturm" hat das zuvor schon geteilte Land noch weiter zersplittert und Hoffnungen zerstört
Vor wenigen Tagen jährte sich die Beteiligung der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz im Jemen zum sechsten Mal. Am 26. März 2015 begann die vom Königreich der Sauds geführte militärische Intervention, die auch unter dem zynischen Titel "Operation Decisive Storm" (also Operation "entschlossener Sturm") bekannt wurde.
Die Entschlossenheit, diesen Krieg so einfach zu gewinnen, dürfte der saudische Prinz Mohammad bin Salman (MBS), der federführend für die Militäroperation war und immer noch ist, mittlerweile verloren haben. Zumindest wirkt dies so, was auch mit der Verkündigung von US-Präsident Joe Biden einhergehen dürfte, an Saudi-Arabien keine Waffen mehr verkaufen zu wollen.
Gefechte in der ölreichen Provinz Marib
Das Ziel, den ins Exil geflohenen international anerkannten Präsidenten Abdu Rabbu Mansour Hadi wieder zur Macht zu verhelfen, scheiterte. Den einstigen jemenitischen Staat gibt es nicht mehr, womit der Wunsch zur Wiederherstellung des Landes ebenfalls in die Ferne rückt.
Der Krieg von saudischer Seite lässt sich nicht gewinnen. Aber es scheitern auch Friedensgespräche mit den Huthi-Rebellen - auch nachdem die USA die von Iran unterstützte Gruppe von ihrer Terrorliste entfernt haben. Die Huthis sehen sich am längeren Hebel und starteten eine Offensive zur Eroberung des öl- und gasreichen Gouvernements Marib.
Geopolitisch ist die Provinz höchst relevant. 90 Prozent des Propangases, welches in knapp allen jemenitischen Haushalten zum Kochen und Heizen gebraucht wird, wird hier produziert. In einem Land, das maßgeblich vom Import von Lebensmittel aus dem Ausland abhängig ist, würde die Eroberung Maribs die Machtverhältnisse erheblich zugunsten der Huthis verändern. Durch die de facto Beinahe-Monopolstellung, wenn es um Öl- und Gasressourcen im Land geht, würden sie sich entscheidende Exporteinnahmen sichern und ihre Machtposition erweitern.
Diese Bilanz zieht der Journalist Gregory D. Johnsen, der ein sehr pessimistisches Bild von der Zukunft des Landes zeichnet. Die Huthis haben kein Interesse an Friedengesprächen und verstärkten Anschläge in den letzten Wochen.
Das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis hat Schwierigkeiten mit dem Abfangen der Drohnenangriffe. Auch die saudi-arabische Hauptstadt Riad soll getroffen worden sein, wie ein Sprecher der Rebellengruppe verkündete. Die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition verurteilte die Angriffe, bei denen angeblich auch Zivilisten verletzt wurden.
Diese Anschläge sind zu verurteilen, jedoch macht die Verurteilung vonseiten der Koalition einen zynischen Eindruck, wenn man bedenkt, dass sie selbst für die Tötung zahlreicher jemenitischer Zivilisten verantwortlich ist, ganz zu schweigen von der Zerstörung der Infrastruktur des Landes, von Krankenhäusern und Schulen.
Seit Beginn der Eskalation des Krieges im März 2015 wurde von Mwatana for Human Rights die Rekrutierung und militärische Ausnutzung von Kindern sowohl von Seiten der Huthi-Rebellen (1324 dokumentierte Vorfälle) wie auch von Gruppierungen, die von der Anti-Huthi Koalition unterstützt werden (359 dokumentierte Vorfälle), festgestellt.
Johnson führt weiters aus, dass die Fragmentierung des jemenitischen Staates darauf hindeute, dass es in absehbarer Zukunft zu keiner Einheit kommen könne. "Den Jemen" gebe es also demnach praktisch nicht mehr. Zu unüberschaubar sei der Krieg durch die Beteiligung zahlreicher Gruppierungen von Huthis, Islah-Anhängern, der Anti-Huthi-Allianz bis zu anderen Gruppierungen mit unterschiedlichen Interessen, die weder den Krieg für sich entscheiden können noch auf Frieden aus sind.
Covid-19 Impfdosen: Ein kleiner Hoffnungsschimmer
Vor kurzem sollen laut UN-Angaben 360 000 Covid-19 Impfdosen den Jemen erreicht haben. Angesichts von knapp 30 Millionen Einwohnern ist das bei weitem zu wenig. Zunächst sollen Arbeiter des Gesundheitswesens mit den Astrazeneca-Impfdosen behandelt werden.
In der Vergangenheit haben jedoch die Huthi-Rebellen Lebensmittelrationen, die für die Bevölkerung bestimmt waren, unterschlagen und unter den eigenen Leuten aufgeteilt. Dass ähnliches auch bei den Impfdosen geschieht, ist wahrscheinlich, jedenfalls ist es nicht auszuschließen.
Bei all den Problemen, die die jemenitischen Bevölkerung mit großer Wucht treffen, Hungersnot, Krieg und der schweren Gesundheitskrise schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie, könnte selbst dieser kleine Hoffnungsschimmer im Keim ersticken, wenn die Impfdosen an die falschen Hände geraten.