KI im Bewerbungsprozess und Arbeitsalltag – Chancen, Herausforderungen und Folgen
Mit Künstlicher Intelligenz kann der Druck auf Beschäftigte in Betrieben größer werden. Viel hängt davon ab, wie ihre Interessen berücksichtigt werden.
Bewerbungen auf neue Stellen sind ohne Künstliche Intelligenz (KI) nicht mehr denkbar. KI sortiert Bewerbungsschreiben virtuell vor, Bewerber nutzen sie für Anschreiben. DAX-Unternehmen und Bewerber finden das gut, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Energieversorger E.ON erklärte, der Einsatz von KI für Formulierungen sei grundsätzlich akzeptabel.
KI in Bewerbungsprozessen: Eine Win-win-Situation
Die Bedeutung der Technik wird im Arbeitsleben immer wichtiger. Der Autozulieferer Continental antwortete, die Beherrschung von KI sei eine wertvolle Kompetenz im Berufsleben.
Das wird auch für Gewerkschaften zur Herausforderung. "KI ist in den Betrieben schon lange angekommen. Wichtig ist, dass wir die Potenziale anschauen und die Chancen nutzen: Schlaue Maschinen können Menschen die Arbeit erleichtern, Abläufe können automatisiert werden", sagt Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall.
Bundesministerium für Arbeit reagiert auf KI-Einsatz
Das Bundesministerium für Arbeit hat eine Arbeitsgruppe "Algorithmisches Management in der Arbeitswelt" ins Leben gerufen. Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Behörden legen Ergebnisse der gemeinsamen Diskussionen in einem Arbeitspapier vor.
Algorithmen könnten Prozesse des Personalmanagements besser machen, wird einleitend betont. Um die Gefahren des "algorithmischen Managements" in den Griff zu bekommen, empfiehlt die Arbeitsgruppe, diese Systeme vor der Einführung unter Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes zu analysieren. Anknüpfen könne man hier an Risikobeurteilungsmethoden, wie sie auf dem Gebiet der Produktsicherheit üblich sind.
Gewerkschaften und der Umgang mit KI
Die Gewerkschaften wollen aber nicht nur auf den Gesetzgeber hoffen. "Beim Thema Datenerfassung und personenbezogene Daten können Betriebsräte dazu beitragen, diese Aspekte positiv zu gestalten", betont die Gewerkschaftsvorsitzende Benner. Andernfalls könne KI zur "Leistungsverdichtung und Überwachung führen. Das darf so nicht sein".
Die Akzeptanz neuer Technik hänge davon ab, "welches Vertrauen Belegschaften und Betriebsräte in die neue Technik haben". "Arbeitgeber sollten sich direkt mit den Betriebsräten zusammensetzen und analysieren, was auf ihre Betriebe zukommt."
Lesen Sie auch
Regelungen zu KI sollen demzufolge nicht Gesetz oder Tarifvertrag enthalten, sondern über die Aktivitäten von Betriebsräten in jedem einzelnen Betrieb erstritten werden. Diese Art "Häuserkampf" setzt jedoch voraus, dass diese Gremien auch gewählt sind. Und dass diese Vertreter der Beschäftigten sich mit den neuen Techniken auseinandersetzen, schulen lassen und zum Konflikt mit dem Unternehmen bereit sind.
Eine Betriebsvereinbarung zu KI müsste vor Ort durchgesetzt werden. In vielen Verwaltungsbereichen wird die Arbeitssteuerung per KI organisiert. Schriftwechsel erfolgt online, die Kundenpost wird per Datenleitung an die Beschäftigten verteilt. Spezielle Software wie Groupware ermöglichte den Verwaltungsangestellten einen gemeinsamen Zugriff auf Datenbanken. Die Folge ist eine automatische Steuerung der Arbeit, im Extremfall eine "Fließbandarbeit im Büro".
Die Bedeutung der Betriebsräte in der KI-Ära
Wie wenige Beschäftigte jedoch überhaupt durch einen Betriebsrat vertreten werden, verdeutlicht das gewerkschaftsnahe Hugo-Sinzheimer-Institut für Arbeits- und Sozialrecht: "Umso schmerzhafter ist es, dass nach Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung mittlerweile deutlich unter 40 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb mit Betriebsrat arbeiten", verdeutlicht Ernesto Klengel, wissenschaftlicher Direktor des Instituts.
Die Akzeptanz der KI hänge davon ab, "welches Vertrauen Belegschaften und Betriebsräte in die neue Technik haben", beschreibt die IG Metallerin Benner. Es sei wichtig, dass "Arbeitgeber und Betriebsräte diese Schritte von Anfang an gemeinsam gehen". Dagegen beschreibt Wissenschaftler Klengel, dass gemeinsame Regelungen schwieriger werden, da sich vielen Unternehmen "aus der Sozialpartnerschaft verabschiedet haben".
Schutzrechte und KI: Ein Aufruf zur Aktion
Er fordert erweiterte Schutzrechte, um "dem strukturellen Machtungleichgewicht zwischen lohnabhängig Beschäftigten und Unternehmen" gegenzusteuern. Es sei "wichtig, dass die betriebliche Mitbestimmung ausgebaut und den Erfordernissen der Arbeitswelt von morgen entsprechend angepasst wird". Das rechtswissenschaftliche Institut wolle "Fragen des Arbeits- und Sozialrechts aus dem Blickwinkel der Beschäftigten diskutieren", da im arbeitsrechtlichen Diskurs "unternehmensnahe und finanzstarke Großkanzleien sowie konservative Denktraditionen einen großen Einfluss" haben.
Wie tarifliche Regelungen zum Schutz der Belegschaften bei KI-Einsatz aussehen können, lässt Benner offen. Dabei ist gewerkschaftliche Tarifpolitik immer auch ein Instrument zur Mitgestaltung der Arbeitsbedingungen. Etwa in den 1980er-Jahren der Lohnrahmentarifvertrag II der IG Metall in Nordwürttemberg-Nordbaden. Bezahlte Erholungspause oder Taktzeitbeschränkung am Fließband beugten Stress am Arbeitsplatz vor.
KI und globale Arbeitsbedingungen: Ein Blick auf Kenia
Auf die Auswirkungen der KI auf Arbeitsbedingungen weltweit verweist der DGB. Das "Leid kenianischer Digitalarbeiter*innen" beschreibt der gewerkschaftliche Info-Dienst "einblick". Denn Menschen müssen KI trainieren, damit diese Technik nicht Vorurteile, Hass und Hetze verbreitet.
Digitalarbeiter zeigen Sprach- und Bildergeneratoren auf, was gesetzwidrige Inhalte wie Kinderpornografie oder Völkermord sind. Ein verstörender Job, wie der Gewerkschafter Mophat Okinyi kritisiert. Diese Informationen sind "aus den dunkelsten Ecken des Internets zusammengeklaubt", von Dating-Seiten, Pornoseiten, privaten Chatseiten oder illegalen Anbietern, berichtet der DGB.
"Wir haben eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung und Entfernung solcher Inhalte gespielt, um die Integrität und Sicherheit von ChatGPT zu wahren, und wir mussten einen psychischen und emotionalen Preis dafür zahlen", so Menschenrechtsaktivist Okinyi. Viele westliche Nutzer seien sich der Beiträge von Beschäftigten in Kenia zur Entwicklung der KI nicht bewusst. Oft werde KI gefeiert, ohne sich mit der Situation von Arbeitern beim "maschinellen Lernen" zu befassen.