Kampf gegen Solarkrise: Deutsche Firmen fordern politische Rettungsaktion
In Sachsen droht das Aus für zwei Produktionsstätten. Der Grund: Billigangebote aus China. Was jetzt Unternehmen von der Politik fordern.
Nachdem schon der schweizerische Solarhersteller Meyer Burger angekündigt hat, seine Modulfertigung in Sachsen womöglich einzustellen, erwägt nun auch das deutsche Unternehmen Solarwatt, sein Werk in Dresden zu schließen.
Preisdruck: Chinesische Konkurrenz dominiert
Wenn gar nichts passiert, müssten wir darüber nachdenken, wie es mit unserer Produktion weitergeht", sagte Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus Anfang der Woche gegenüber dem Handelsblatt. Bis Ende des Jahres müsse entschieden werden, ob die Fabrik geschlossen wird.
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Neuhaus fordert, wie auch andere Vertreter der Branche, Unterstützung aus der Politik, da Solarmodule aus deutscher Fertigung nicht mit den billigen Modulen aus China konkurrieren können. Laut Neuhaus böten die chinesischen Hersteller ihre Module sogar zu Preisen an, die 20 Prozent unter den Herstellungskosten in Deutschland lägen.
Jobangst in Dresden: 120 Mitarbeiter vor ungewisser Zukunft
Wie die Sächsische Zeitung berichtet, ginge es aber nicht um ein komplettes Aus für das Unternehmen Solarwatt. Von einer Werksschließung wären 120 der 600 Mitarbeitenden in Deutschland betroffen.
Im vergangenen Jahr hatte Solarwatt bereits 85 Beschäftigte entlassen. Forschung und Entwicklung sollen aber erhalten bleiben. Ebenso gehören zu den Geschäftsbereichen auch Vertrieb und Installation von Photovoltaiksystemen.
Mehrheit für staatliche Unterstützung der Solarindustrie
Laut einer vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) beauftragten und von YouGov durchgeführten Umfrage würde eine Mehrheit der Bevölkerung eine temporäre Unterstützung der deutschen Solarfabriken befürworten.
Auf die Frage: "Beim Ausbau der Solarenergie ist Deutschland sehr stark auf Importe aus Asien angewiesen. Sollte die Bundesregierung den Absatz von Solarmodulen aus heimischen Solarfabriken für einen begrenzten Zeitraum gezielt fördern, um diese wettbewerbsfähig und Europa unabhängiger zu machen?" antworteten 39 Prozent mit "ja" und 27 Prozent mit "eher ja".
BSW-Solar schlägt Alarm: Resilienz-Boni als Rettungsanker?
Dem BSW-Solar schweben als Förderung sogenannte "Resilienz-Boni" vor. "Der Vorschlag sieht vor, für die Dauer der Ramp-up-Phase der heimischen Solarfabriken den Betreibern von neuen Photovoltaiksystemen innerhalb der Systematik des EEG die Mehrkosten zu erstatten, die mit dem Erwerb europäischer Komponenten verbunden sind", erläuterte der Geschäftsführer des BSW-Solar, Carsten Körnig, im November in einem Interview mit dem pv magazine.
Die Boni sollten also auf die reguläre EEG-Vergütung aufgeschlagen werden. Ein Teil der jährlichen PV-Ausschreibungen könnte auf solche Resilienzausschreibungen entfallen – würden für diese zu wenige Gebote eingehen, könnte das Volumen durch solche aufgefüllt werden, die auf importierte Komponenten setzten.
Importbeschränkungen und Zölle wie etwa nach dem Vorbild der USA lehnt der BSW-Solar aber ab. Das mag auch daran liegen, dass zu den Verbandsmitgliedern viele Unternehmen zählen, die aus Asien importierte Module installieren.
Photovoltaik-Branche am Scheideweg
Hersteller wie Meyer Burger, Wacker Chemie, Heckert Solar und Solarwatt haben sich vergangene Woche auch mit einem Appell an die deutsche Bundesregierung gewendet, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Europas Solarindustrie sei "akut von Abwanderung und Schließung" bedroht, so die Unternehmen, die Zeit dränge enorm.
Auch in diesem Appell werden dem Bericht zufolge ein Resilienz-Bonus und Resilienz-Auktionen gefordert. Im Juni hatte das Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt, den Ausbau der Solarindustrie in Deutschland unterstützen zu wollen.
Bundesregierung unter Zugzwang
Unternehmen aus der Branche mit entsprechenden Plänen waren zur Interessenbekundung aufgefordert. "Ziel ist der Aufbau von einer Gesamtproduktionskapazität von rund 10 GW/a entlang der Wertschöpfungskette. Die Projekte sollten einen Produktionsaufbau umfassen, der mit der Produktion von mindestens 2 GW/a PV-Modulen", hieß es dazu im Bundesanzeiger.
Allerdings erfolgte dieser Aufruf vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Schuldenbremse einzuhalten sei und den darauffolgenden Kürzungen im geplanten Haushalt für 2024.
Am mangelnden Photovoltaik-Zubau in Deutschland liegt die derzeitige Krise der Modulhersteller jedenfalls nicht. Mit 14,1 Gigawatt hat sich dieser nach Angaben der Bundesnetzagentur im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Ein Großteil davon entfalle auf private Anlagen. Um das Ausbauziel von 215 Gigawatt für Solar im Jahr 2030 zu erreichen, müssten bis dahin jährlich 19 Gigawatt zugebaut werden.