Kampfzone Straßenraum

Kreuzberg Bergmannstraße Parklets. Bild: Fridolin freudenfett/CC BY-SA-4.0

Der Raum in den innenstädtischen Straßen wird mit der beginnenden Ablösung vom Auto enger, jetzt wird der Kampf um schrumpfende Parkplätze schärfer

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Es tut sich viel im städtischen Verkehr und öffentlichem Raum, es steht eine Verkehrswende an, die weit über den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen hinausgeht. Neben Fußgängern und Fahrrädern sowie den öffentlichen Verkehrsmitteln, die mit Autos um den knappen Raum konkurrieren, kommen neue Fahrzeuge wie die E-Scooter, die den Druck erhöhen, aber auch neue Anbieter von Mobilitätskonzepten wie Uber oder Lyft oder Sharing-Unternehmen für (später auch autonome) Autos, Fahrräder, Roller etc., die den Besitz von individuellen Verkehrsmitteln durch Mieten ersetzen. Möglicherweise können letztere ein wenig den fließenden Verkehr reduzieren, aber auch sie benötigen Parkraum, der durch mehr Fußgängerzonen, Fahrradwege, Auflade-Parkplätze für E-Autos schrumpft.

Dazu kommen Anstöße, den Straßenraum auch für andere Zwecke vom Auto zurückzuerobern, also etwa Parkplätze vorübergehend oder dauernd umzufunktionieren, um sich dort im Freien aufhalten und sich treffen zu können, wie das in München vom Stadtrat für drei "Parklets" oder Aufenthaltsbereiche geplant ist, oder auch zu arbeiten, wie das die Initiative WePark mit Co-Working-Plätzen in San Francisco durchzusetzen versucht (Arbeiten auf dem Parkplatz).

Die autogerechte Stadt war lange Zeit eine Dominante der Stadtentwicklung. Die anderen Verkehrsteilnehmer wurden zurückgedrängt, selbstverständlich wurde nicht nur dem fließenden Verkehr, sondern auch dem parkenden ein Großteil des öffentlichen Raums zur Verfügung gestellt. Nach Untersuchungen wird nicht nur durch den (Aus)Bau von Straßen mehr Verkehr angelockt, sondern auch durch den Parkraum: Je größer die Parkfläche in Städten, desto mehr Verkehr.

Das urbane Raumkonzept verändert sich nun radikal, da es im Straßenraum in den Städten immer enger wird und Verkehrsteilnehmer mit unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln um den vorhandenen und immer beschränkten Raum konkurrieren. Dazu kommen zunehmend die breiteren SUVs, die den Verkehr in kleinen Straßen blockieren, sie parkend verengen oder nicht mehr in die vorgesehenen Parkräume passen. Manche wollen dem Schlamassel ganz entkommen und einfach darüber hinwegfliegen, was freilich, zusammen mit Drohnen, zu neuen Verkehrsstaus und -unfällen in der Luft führen dürfte, die dann für die terrestrischen Verkehrsteilnehmer gefährlich werden (Der Traum vom Überfliegen).

Der Traum vom Überfliegen (15 Bilder)

Passagierdrohne "Ehang 184" auf der Consumer Electronics Show 2016, Las Vegas. Bild: Ben Smith / CC-BY-2.0

Krieg um den Parkplatz

Es scheint ja schon auch zu heftigen Auseinandersetzungen um den Parkraum zu kommen. So geriet in Philadelphia eine Frau in Streit mit einer Nachbarin, weil sie auf einem Parkplatz einen Grill aufgestellt hatte und den nicht wegstellen wollte, um die Nachbarin dort parken zu lassen. Die Polizei musste den Streit schlichten, die Frau mit dem Grill starb wenige Zeit später.

Auch in Japan kam es Mitte Mai zu Handgreiflichkeiten, als ein Mann in der Stadt Chigasaki mit seinem Auto einem bereits wartenden anderen einen Parkplatz wegschnappte. Dummerweise handelte es sich um einen Wrestling-Kämpfer, der aus Wut den anderen zu Boden warf und ihn leicht verletzte. Hier griff die Polizei ein und trennte die Streithähne.

Solche Fälle passieren oft, meist bleibt es bei Geschrei und Beschimpfungen. Auf Vancouver Island kam es ebenfalls zum Streit, als eine Frau schneller als eine andere in einen Parkplatz einbog. Der "Gewinnerin" wurde es dann offenbar zu viel, sie holte schließlich eine Machete aus ihrem Fahrzeug und bedrohte die "Verliererin". Auch hier wurde die Polizei gerufen. Natürlich gibt es solche Parkplatzwut auch in Deutschland.

Rechtlich hat derjenige Vorrang, der einen öffentlichen Parkplatz zuerst unmittelbar erreicht. Damit ist natürlich Streit im Territorialkonflikt vorprogrammiert, denn es wird belohnt, wer sich schneller und brutaler hereindrängelt. Reservieren kann einen Parkplatz für einen Fahrer keine andere Person. Im Auto zu sitzen, verstärkt sicherlich Wut, Gewaltbereitschaft und Egoismus, während Höflichkeit und Kooperation hintanstehen.

Jeder sitzt in seiner kleinen mobilen Festung und fühlt sich sicher, weswegen auch der Road Rage verbreitet ist und das Drängeln, Sichdurchsetzen, Drohverhalten mit hoher Rücksichtslosigkeit stärker ist, als wenn sich Menschen ungeschützt im öffentlichen Raum oder in öffentlichen Verkehrsmitteln befinden. Selbst auf einem Fahrrad zu sitzen, zumal geschützt mit einem Helm, kann schon zu stärkerem Rüpelverhalten gegen Fußgänger führen.

Donald Shoup, Professor für Stadtplanung an der UCLA und Parkplatzexperte (letztes Buch: Parking and the City), sieht das Problem ökonomisch. Wenn Parken in Stadtvierteln mit hohem Verkehr, in denen der Parkraum knapp ist, kostenlos sei, würde es unweigerlich zu einem Kampf um diesen kommen, der eben auch in Gewalt münden kann. Seine Lösung: Parken muss entsprechend viel kosten. Das ist allerdings eine Lösung, die Reichere gegenüber Ärmeren bevorzugt, aber eigentlich auch nicht die Suche nach Parkraum verkürzt. Shoup sieht die Lösung auch eher in Carsharing oder Uber/Lyft etc., also im Ende des individuellen Besitzes von Fahrzeugen, so dass deren Zahl ebenso wie die der Parkplätze schrumpfen könnte, die dann stärker nur für kurze Zeit zum Ein- und Aussteigen oder Ein- oder Ausladen genutzt werden.

Noch dürfte allerdings das Schrumpfen von Parkraum an Straßen, wenn nicht mehr Tiefgaragen, Parkhäuser und Parklätze den Verlust kompensieren, zu mehr Parkplatzwut, Parkplatzsuchverkehr und Einschränkung der Anwohner führen.

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