Kartellvorwürfe gegen die drei größten deutschen Autobauer
Der "Diesel-Gate"-Skandal weitet sich aus. Medien sprechen von einem "kaum zu ermessenden Schaden"
Rückt man der Autoindustrie mit Vorschriften zu nahe, so ist der Wohlstand der ganzen Republik in Gefahr - über 600.000 Arbeitsplätze seien durch die Forderung der Grünen nach einem Ende der Verbrennungsmotoren im Jahr 2030 gefährdet, lautete kürzlich die Botschaft einer Ifo-Studie, die gehörig Angst schürte. Auftraggeber der Studie war der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA).
Im Rahmen der Arbeitskreise des Verbands der Automobilindustrie trafen sich seit den 1990er Jahren Vertreter der Branchengrößen, der sogenannte "5er-Kreis" (VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler), und handelten "offenbar" (Die Welt) Absprachen aus, die es in sich haben.
Gezielt "Wettbewerb außer Kraft setzen"
Nach Informationen des Spiegel sollen sich nämlich mehr als 200 Mitarbeiter der genannten Autobauer in mehr als 60 Arbeitskreisen getroffen haben, um mit Absprachen "gezielt den Wettbewerb außer Kraft zu setzen". Dies gehe aus einer Selbstanzeige des VW-Konzerns hervor, die laut Spiegel bei den "Wettbewerbsbehörden" eingereicht wurde.
Gemeint sind die EU-Kartellbehörden, wo VW eine Selbstanzeige eingereicht habe, wie der Welt auf Nachfrage von einer Person bestätigt wurde, die mit den Vorgängen vertraut ist. Der Konzern hoffe damit auf eine Kronzeugenregelung, um straffrei auszugehen, so die Zeitung. Auch Daimler habe mit einer Selbstanzeige nachgezogen, berichten Medien.
BMW möglicherweise "auf dem falschen Fuß erwischt"
Die SZ stellt heraus, dass die Selbstanzeigen der beiden anderen den Konkurrenten BMW auf dem "falschen Fuß erwischen" könnten. Mit den Selbstanzeigen von VW und Daimler wird auch BMW belastet.
Die Medienberichte sind auffallend von vorsichtigen Formulierungen durchsetzt, wenn es um die Vorwürfe geht. "Es soll so gewesen sein", "Wäre es so gewesen, dann …" (SZ), "Illegal wäre es allerdings" (Die Welt), der Spiegel ist etwas forscher, allerdings ist auch dort Vorsicht herauszulesen - bei den Selbstanzeigen: "Es bestehe 'der Verdacht', erklärt Volkswagen in seinem Schriftsatz auch für Audi und Porsche, dass es zu "kartellrechtswidrigem Verhalten" gekommen sei." Zur Selbstanzeige von Daimler heißt es, dass das Unternehmen "eine Art Selbstanzeige" eingereicht habe.
Die Selbstanzeigen sind der stärkste Hinweis darauf, dass sich hier eine ernsthafte Lawine aufbaut, der "mutmaßlich größte Wirtschaftsskandal seit dem Zweiten Weltkrieg", so die SZ, wegen Bildung eines illegalen Kartells. Geldstrafen in Milliardenhöhe wäre eine der Folgen und Forderungen von Geschädigten, möglicherweise auch von Autokäufern:
Die Frage ist, ob Autos durch mögliche Kartellabsprachen auf einem schlechteren technischen Stand verkauft wurden, als sie hätten sein können. Das könnte ein argumentativer Ansatz sein. Klagen von Autokäufern sind deshalb nicht ausgeschlossen.
Kartellrechtler Christian Kersting
Dazu käme ein Imageschaden, dessen Konsequenzen auf den Märkten noch nicht abzusehen sind. Die Aktienkurse sackten erstmal ab. Erste Reaktionen fürchten Schlimmes: "Der Schaden durch den Diesel-Skandal ist kaum zu ermessen".
Dass sich die drei großen Autobauer VW, Daimler und BMW dem Vorwurf illegaler Absprachen über ihre Preispolitik gegenüber Zulieferern ausgesetzt sehen, dürfte, ohne dies zu beschönigen, zum Bereich des Erwarteten gehören. Der andere Vorwurf, dass sich die drei angeblich auch über die Abgasreinigung ihrer Dieselfahrzeuge abgesprochen haben, lässt den Diesel-Abgasskandal in eine neue Dimension auswachsen und dies zu einer Zeit, wo Dieselfahrzeuge stark in die Kritik gekommen sind.
"Manipulierte Autos aus dem Verkehr ziehen"
Am Freitag hieß es, dass die EU-Industriekommissarin Elzbeieta Bienkowska in einem Schreiben an alle EU-Verkehrsminister forderte, "manipulierte Autos radikal aus dem Verkehr zu ziehen". Sollten solche Fahrzeuge etwa von VW nicht bis Ende dieses Jahres nicht umgerüstet sein, müssten sie von 2018 an stillgelegt werden, berichtete die Printausgabe der SZ am Freitag, dem 21. Juli, von dem Papier, das der Zeitung nach eigenen Angaben vorliegt.
Die Vorwürfe laufen nun auf eine Absprache über mögliche Manipulationen bei Dieselabgasen von allen drei Automobilkonzernen hinaus. Bislang gab es die Vorwürfe nur gegenüber dem VW-Konzern und seinen Töchtern; Daimler steht unter Verdacht. BMW würde in den "Diesel-Gate" mithineingezogen.
Die Konzerne kommentierten die Vorwürfe bisher nicht.