Kein Durchbruch in Glasgow, aber Tiefpunkt in Hambach

320 Meter unter dem Meeresspiegel: Braunkohle-Bagger bei Hambach. Bild: Walldi222, CC BY 4.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von gebrochenen Versprechen, Tropfen auf heißen Steinen und einem sehr tiefen Loch

Im schottischen Glasgow ist am Montag die diesjährige UN-Klimakonferenz in ihre zweite und abschließende Woche gegangen. Die aus aller Welt angereisten Klimaaktivisten sind über den bisherigen Verlauf enttäuscht, wenn sie denn überhaupt viel erwartet hatten.

Mehr als 30.000 von ihnen waren am Samstag in Glasgow für mehr Klimaschutz und die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau auf die Straße gegangen. Weitere kleinere und einige größere Demos gab es in anderen Städten in über 80 Ländern.

Auf der Konferenz blieb der große Durchbruch bisher aus. Weder bei den Klimaschutzzielen noch bei der Entschädigung und Unterstützung von ärmeren Ländern gibt es viel Bewegung. Ohnehin versuchen die Regierungen der reichen Länder – insbesondere auch die Bundesregierung – alles, um den Eindruck zu vermeiden, bei der diskutierten "Klimafinanzierung" ginge es um Entschädigung für durch den Klimawandel angerichtete Schäden.

Versprochen ist die Unterstützung schon seit Langem, spätestens seit der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, auf dem die USA und ihre westlichen Verbündeten das Kyoto-Protokoll endgültig zum Scheitern brachten, einen in vielerlei Hinsicht viel verbindlicheren Klimavertrag als das dann 2015 in Paris ausgehandelte Klima-Übereinkommen.

Gebrochene Versprechen

Vanessa Nakate, Klimaaktivistin aus Uganda und eine der international auftretenden Gesichter der Jugend-Umweltbewegung Fridays-for-Future, erinnerte dieser Tage auf Twitter wie auch auf der Konferenz in Glasgow an, das 2009 vom damaligen US-Präsident Barack Obama abgegebene Versprechen. Sein Land werde seine Verantwortung annehmen und sich "an globalen Anstrengungen beteiligen, bis 2020 100 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung zu mobilisieren."

Jährlich sollte das Geld fließen, doch passiert ist bisher viel zu wenig, auch wenn die Summe später in der Pariser Übereinkunft ausdrücklich zugesichert wurde. Gedacht ist sie zum einen für die Anpassung an die nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels, insbesondere in den am wenigsten entwickelten und den am meisten gefährdeten Ländern.

Diese haben zwar nicht zuletzt wegen ihrer begrenzten Ressourcen mehr als andere unter Dürre, Überschwemmungen und Meeresspiegelanstieg zu leiden, haben aber aufgrund ihrer Armut am wenigsten zu den Treibhausgasemissionen, also der Ursache des Klimawandels, beigetragen.

Zum anderen soll die "Klimafinanzierung" der Vermeidung dienen, das heißt, der Unterstützung beim Energiesparen und beim Einsatz erneuerbarer Energieträger. Eine Untersuchung der internationalen Hilfsorganisation Oxfam kam letztes Jahr zu dem Schluss, dass nur der kleinere Teil der bisher vorhandenen Mittel tatsächlich für Anpassung zur Verfügung gestellt und zudem meist als Kredit vergeben wird.

Außerdem würde weitaus weniger Geld bei den Empfängerländern ankommen als von den Geberländern angegeben. Statt der knapp 60 Milliarden US-Dollar als "Klimafinanzierung" ausgewiesenen Beträge seien 2017 und 2018 effektiv nur etwa 19 bis 22,5 Milliarden US-Dollar geflossen.

Derweil heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums, Deutschland wolle "weitere 150 Millionen Euro bereitstellen". 100 Millionen sollen davon den ärmsten Ländern zur Verfügung gestellt werden, 50 Millionen gehen in den Anpassungsfonds der Vereinten Nationen.

Tropfen auf heißen Steinen

Das hört sich großzügig an, doch Oxfam hatte in dem erwähnten Bericht festgestellt, dass Deutschland 2017 und 2018 einerseits zwar immerhin rund sieben Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt hat, dass andererseits aber nur ein Bruchteil dieses Geldes bei den am wenigsten entwickelten Ländern ankam. Zudem seien die kleinen Inselstaaten nahezu vollständig von Berlin ignoriert worden, zumindest wenn man die finanziellen Mittel zum Maßstab nimmt.

Neben Deutschland haben zu Beginn der Woche noch einige weitere Länder zusammen insgesamt 232 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Die Beobachterorganisation German Watch hält das für ein gutes Zeichen für die am wenigsten entwickelten Länder, weist allerdings darauf hin, dass es zunächst nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sei.

Der Adaptation Gap Report des UN-Umweltprogramms UNEP – auf Deutsch etwa Bericht über Lücken bei der Anpassung – hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass die Kosten für die Anpassung in den Entwicklungsländern inzwischen höher eingeschätzt werden. Ab 2030 sei selbst bei einer ehrgeizigen globalen Klimaschutzpolitik mit einem jährlichen Bedarf von 140 bis 300 Milliarden US-Dollar zu rechnen, ab 2050 mit 280 bis 500 Milliarden US-Dollar.

Kettenreaktionen

Aber nach einer wirklich ehrgeizigen Klimaschutzpolitik sieht es weiter nicht aus – weder hierzulande noch anderswo. Wir hatten bereits vergangene Woche in unserem wöchentlichen Rückblick berichtet, dass die bisher abgegeben Selbstverpflichtungen der Länder bestenfalls dafür reichen, die globale Erwärmung auf 2,7 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Man muss bei diesen global gemittelten Werten immer im Hinterkopf behalten, dass die Erwärmung über Land deutlich stärker ausfällt und dass insbesondere die Arktis sich mindestens doppelt so stark erwärmen wird. Bisher beträgt dort der Temperaturanstieg sogar das Dreifache des globalen Durchschnitts.

Bei einer Erwärmung um 2,7 Grad Celsius im globalen Mittel würde es nördlich des Polarkreises also um durchschnittlich 5,4 bis 8,1 Grad Celsius wärmer. Das wäre mit Sicherheit das Ende des ganzjährigen Meereises auf dem arktischen Ozean und keiner wird garantieren können, dass damit nicht Kettenreaktionen ausgelöst werden, die das globale Klima noch weiter steigen lassen. Zum Beispiel durch die Emission großer Mengen des Treibhausgases Methan.

Aber die Selbstverpflichtungen der Industrie- und Schwellenländer (die anderen tragen nichts zum Problem bei) sind nicht nur unzureichend, viele Länder spielen offensichtlich auch noch mit gezinkten Karten. Nach einem Bericht der Washington Post geben viele Länder ihre Treibhausgasemissionen zu niedrig an.

Die aufsummierte Lücke belaufe sich auf 8,5 bis 13,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente, so das in der US-Hauptstadt erscheinende Blatt. Die US-Kolleginnen und Kollegen hatten für ihre Berechnungen die offiziellen Berichte von 196 Ländern an das Sekretariat der Klimarahmenkonvention unter die Lupe genommen, die die Grundlage der Verhandlungen bilden.

Imagepflege

Ansonsten gab es in Glasgow auch einige Initiativen einiger Partnerländer oder Staatengruppen, von denen man nicht so recht weiß, wie viel sie dem Klima helfen und ob sie überhaupt mehr als ein wenig Imagepflege bringen. So zum Beispiel, wenn Deutschland – weltgrößter Braunkohlenutzer – und die USA, die zu Hause Berge wegsprengt, um an Kohle zu kommen, Südafrika beim Ausstieg aus der Kohle helfen wollen.

Oder Großbritannien und die Niederlande, die dem chinesischen Beispiel folgen und ab dem nächsten Jahr nicht mehr in Kohle-, Öl- oder Gasprojekte in Drittländern investieren wollen. Gemeint ist damit aber offensichtlich wohl nur für die staatlichen Akteure. BP (britisch) und Shell (britisch und niederländisch) werden sicherlich weiter international aktiv bleiben.

Neben den genannten Akteuren beteiligen sich noch rund zwei Dutzend weitere Länder an dieser kleinen Geste, darunter auch die USA und Kanada, die sicherlich genauso wenig wie die Europäer vorhaben, ihren Unternehmen entsprechende Vorschriften zu machen. Auch Deutschland ist nach einigem Zögern kurz vor Redaktionsschluss dieses Textes noch aufgesprungen, nach dem es bereits einige negative Presse gegeben hatte.

Ausgeschlossen

Kritik gibt es von den Umweltgruppen nicht nur an den mal wieder unzureichenden Verhandlungsergebnissen, sondern auch an der Organisation der Konferenz. Vertreterinnen und Vertreter indigener Bevölkerungen, Frauenrechtsgruppen, wissenschaftlicher Organisationen und der Klimaschutzbewegung hätten nur sehr erschwerten Zugang zu den Verhandlungen.

Viele seien schon aus Gründen der "Impfstoff-Apartheid" nicht angereist. Andere hätten Schwierigkeiten, weil es nur eine beschränkte Anzahl von Tickets zu den Verhandlungen gebe und weil Restaurants und ähnliche Treffpunkte geschlossen wurden, sodass es an Möglichkeiten fehlt, Delegierte zu treffen und mit ihnen zu reden.

Die Zeitung bezeichnet diese Gruppen als Augen der Öffentlichkeit, die für Transparenz bei den Verhandlungen sorgen. Tatsächlich sind sie für Journalisten, die nicht nur die tendenziösen Erklärungen ihrer jeweiligen Regierungen abschreiben wollen, oft eine wichtige Quelle und unverzichtbare Hinweisgeber im dichten Dschungel der Verfahrensanträge, technischen Details und Einlassungen.

Die britische Regierung begründet die Beschränkungen mit der Pandemie, die in Großbritannien derzeit besonders hohe Wellen schlägt. Dort liegt die tägliche Zahl der Neuinfizierten seit Wochen zwischen 30.000 und 40.000. Bald wird dort ein Sechstel der Bevölkerung die Krankheit mindestens einmal gehabt haben. Die Zahl der gemeldeten Corona-Todesfälle liegt bei fast 142.000.

Eine Gruppe scheint derweil kein Problem mit dem Zugang zu haben. Während viele arme Staaten über Schwierigkeiten bei der Einreise ihrer Delegationen und die hohen Kosten klagen, die durch die Quarantäne-Auflagen entstehen, stellen die fossilen Industrien alle anderen Gruppen und selbst die Länder mit der Zahl ihrer Vertreterinnen und Vertreter in den Schatten. Wie der britische Sender BBC berichtet, sind von 503 angereist. 27 Länder haben Vertreter dieser Industrie in ihre Verhandlungsdelegationen aufgenommen.

Das Loch

Und ganz zum Schluss die Zahl der Woche: Zwischen Köln und Aachen haben sich die Bagger von RWE im Tagebau Hambach auf ihren tiefsten Punkt vorgewühlt. Dieser liegt 411 Meter unterhalb des umliegenden Geländes und damit ungefähr 320 Meter unter dem Meeresspiegel.

Damit ist das Loch inzwischen tiefer als Nord- und Ostsee über dem größten Teil ihrer Fläche. Das alles, um einen Brennstoff aus der Erde zu holen, der längst hätte ersetzt werden können, der von allen fossilen Energieträgern den mit Abstand schlechtesten Brennwert hat und der daher besonders klimaschädlich und in der Gesellschaft höchst umstritten ist.