Kernfusion und Kernspaltung im Check: Was kann die Energie der Zukunft?
Kernspaltung treibt Atomkraftwerke an. Kernfusion lässt Sterne leuchten. Doch welche der beiden Technologien könnte unsere Energiezukunft sichern?
Weltweit hat die Kernenergie einen Anteil von etwa zehn Prozent an der Stromerzeugung. In einigen Ländern, wie etwa Frankreich, liegt dieser Anteil bei fast 70 Prozent.
Auch große Technologieunternehmen wie Google setzen auf Kernenergie, um den enormen Strombedarf ihrer Rechenzentren zu decken.
Die Quelle aller Kernenergie ist die Bindungsenergie eines Atoms. Die in einem Atom gespeicherte Energie kann auf zwei Arten freigesetzt werden: durch Kernspaltung oder durch Kernfusion. Bei der Kernspaltung werden große, schwere Atome in kleinere, leichtere Atome gespalten. Bei der Fusion verschmelzen kleine Atome zu größeren.
Beide Prozesse setzen sehr viel Energie frei. Beispielsweise wird bei der Kernspaltung von U235, einem Uranisotop, das in den meisten Kraftwerken als Brennstoff verwendet wird, mehr als sechs Millionen Mal so viel Energie freigesetzt wie bei einer einzigen chemischen Reaktion von reinster Kohle. Es handelt sich also um sehr effiziente Verfahren zur Stromerzeugung.
Was ist Kernspaltung?
Kernspaltung ist der Prozess, der hinter jedem Kernkraftwerk steckt, das heute in Betrieb ist. Sie entsteht, wenn ein winziges subatomares Teilchen, das Neutron, auf ein Uranatom trifft und es spaltet. Dabei werden weitere Neutronen freigesetzt, die mit anderen Atomen kollidieren und eine nukleare Kettenreaktion auslösen. Dabei wird wiederum eine enorme Menge an Energie freigesetzt.
Um diese Energie in Strom umzuwandeln, wird in einem Wärmetauscher Wasser in Dampf umgewandelt, der eine Turbine zur Stromerzeugung antreibt.
Die Spaltungsreaktion kann durch Unterdrückung der Neutronenzufuhr gesteuert werden. Dies geschieht durch den Einbau von "Steuerstäben", die Neutronen absorbieren. In der Vergangenheit kam es zu Reaktorunfällen wie in Tschernobyl, wenn die Steuerstäbe nicht einrasteten und die Neutronenzufuhr unterbrachen und/oder der Kühlmittelkreislauf ausfiel.
Die sogenannte "dritte Generation" von Reaktordesigns verbessert frühere Designs durch die Integration passiver oder inhärenter Sicherheitsmerkmale, die keine aktive Steuerung oder menschliches Eingreifen erfordern, um Unfälle im Falle einer Fehlfunktion zu verhindern. Diese Merkmale können auf Druckunterschieden, Schwerkraft, natürlicher Konvektion oder der natürlichen Reaktion von Werkstoffen auf hohe Temperaturen beruhen.
Die ersten Reaktoren der dritten Generation waren die fortgeschrittenen Siedewasserreaktoren Kashiwazaki 6 und 7 in Japan.
Eine ungelöste Herausforderung bei der Kernspaltung ist, dass die Nebenprodukte der Reaktion über lange Zeiträume von Tausenden Jahren radioaktiv bleiben. Im Falle der Wiederaufarbeitung können die Brennstoffquelle und die Abfallprodukte auch zur Herstellung einer Kernwaffe verwendet werden.
Die Kernspaltung ist eine erprobte Technologie. Sie ist auch skalierbar, von großen Anlagen (die größte ist das 7,97-Gigawatt-Kernkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa in Japan) bis zu kleinen bis mittelgroßen Reaktoren, die etwa 150 Megawatt Strom erzeugen und auf Schiffen oder Atom-U-Booten eingesetzt werden. Diese Reaktoren werden die acht australischen Atom-U-Boote antreiben, die im Rahmen einer trilateralen Sicherheitspartnerschaft mit Großbritannien und den USA zugesagt wurden.
Was ist Kernfusion?
Kernfusion ist der Prozess, der die Sonne und die Sterne antreibt. Es ist der umgekehrte Prozess der Kernspaltung. Er findet statt, wenn Atome miteinander verschmelzen.
Die einfachste Reaktion, die im Labor ausgelöst werden kann, ist die Fusion von Wasserstoff-, Deuterium- und Tritiumisotopen. Pro Masseneinheit wird dabei viermal mehr Energie freigesetzt als bei der Spaltung von U235.
Der Brennstoff Deuterium kommt auf der Erde und im Universum sehr häufig vor. Tritium ist radioaktiv und hat eine Halbwertszeit von 12 Jahren, weshalb es auf der Erde selten vorkommt. Das Universum ist 13,8 Milliarden Jahre alt; die einzigen in der Natur vorkommenden Isotope leichter Kerne (Wasserstoff, Helium und Lithium) sind diejenigen, die auf diesen Zeitskalen stabil sind.
In einem Fusionskraftwerk würde Tritium mithilfe eines "Lithium Blanket" hergestellt. Dabei handelt es sich um eine massive Lithiumwand, in der die Fusionsneutronen abgebremst werden und schließlich zu Tritium reagieren.
Derzeit ist es für Wissenschaftler jedoch sehr schwierig, eine Fusionsreaktion außerhalb des Labors zu erzeugen. Denn für die Fusion sind extrem hohe Temperaturen nötig: Die optimalen Bedingungen liegen bei 150 Millionen Grad Celsius.
Bei diesen Temperaturen befinden sich die Brennstoffionen in einem Plasmazustand, in dem Elektronen und (Kern-)Ionen dissoziiert sind. Das Nebenprodukt dieses Prozesses ist nicht radioaktiv, sondern das Edelgas Helium.
Der führende Technologiepfad zur Demonstration einer nachhaltigen Fusion wird als "toroidal magnetic confinement" bezeichnet. Dabei wird das Plasma bei extremen Temperaturen in einer riesigen, ringförmigen, magnetischen Flasche eingeschlossen.
Im Gegensatz zur Kernspaltung erfordert dieser Technologiepfad eine kontinuierliche externe Heizung, um Fusionsbedingungen zu erreichen, sowie ein starkes Einschlussfeld. Wird eines dieser Elemente unterbrochen, kommt die Reaktion zum Stillstand. Die Herausforderung besteht nicht darin, eine unkontrollierte Kernschmelze zu verhindern, sondern die Reaktion überhaupt in Gang zu setzen.
Eine große ungelöste Herausforderung für die toroidale magnetische Einschlussfusion, die das meiste Forschungsinteresse auf sich zieht, ist die Demonstration eines brennenden, sich selbst erhitzenden Plasmas. Dies ist der Fall, wenn die durch die Reaktion selbst erzeugte Heizleistung primär ist. Dies ist das Ziel des öffentlich finanzierten multinationalen ITER-Projekts, des weltweit größten Fusionsexperiments, und des privat finanzierten SPARC-Experiments am Massachusetts Institute of Technology.
Ein Großteil der Wissenschaft ist sich jedoch einig, dass die Kernfusion frühestens 2050 kommerziell nutzbar sein wird.
Eine Lösung für das Klima?
Ich werde oft gefragt, ob die Kernenergie die Erde vor dem Klimawandel retten kann. Ich habe viele Kollegen in der Klimawissenschaft, und meine verstorbene Frau war eine führende Klimawissenschaftlerin.
Die Wissenschaft ist sich einig: Es ist zu spät, den Klimawandel aufzuhalten. Die Welt muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren und katastrophale Schäden zu minimieren – und das schon seit Jahrzehnten.
Die Kernspaltung ist Teil dieser globalen Lösung, zusammen mit der weitverbreiteten Einführung und Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Wind und Sonne.
Längerfristig hofft man, dass die Kernfusion die Kernspaltung ersetzen kann. Die Vorteile der Kernfusion gegenüber der Kernspaltung liegen auf der Hand: Die Brennstoffversorgung ist weitaus größer und allgegenwärtig, das Abfallproblem ist in Bezug auf Volumen und Zeitrahmen um Größenordnungen geringer, und die Technologie kann nicht für Waffenzwecke eingesetzt werden.
Matthew Hole ist Professor am Institut für Mathematik und Informatik der Australian National University.
Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. Lesen Sie den Originalartikel. Übersetzer: Bernd Müller