Neue Studie: Atomreaktoren der vierten Generation erst in Jahrzehnten bereit

Kernreaktor Doel am Flussufer beim Hafen Antwerpen

Symbolbild: Blick auf das Flussufer mit dem Kernreaktor Doel im Hafen von Antwerpen, Belgien, am späten Nachmittag.

(Bild: TonyV3112 / Shutterstock.com)

Neue Atomreaktoren der vierten Generation bleiben fern. Studie sieht Einsatz erst in Jahrzehnten. Klimaziele und Endlagerung ungelöst.

Eine aktuelle Studie stellt klar: Neue Kernreaktoren der vierten Generation werden in den nächsten Jahrzehnten nicht zum Einsatz kommen. "Alle Technologien brauchen noch mindestens zwei bis drei Jahrzehnte, bis sie einsatzfähig sind", sagt der Physiker Christoph Pistner vom Öko-Institut, der an der Studie mitgearbeitet hat.

Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität Berlin sieht laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) die Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit dieser Technologien sogar erst in den nächsten "fünf bis sechs Jahrzehnten".

Keine Lösung für Klimaziele und Endlagerproblematik

Die im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) erstellte Studie kommt zu dem Schluss, dass alternative Reaktorkonzepte nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

BASE-Präsident Christian Kühn betont zudem, dass diese neuen Reaktorkonzepte weder die Notwendigkeit eines Endlagers für radioaktive Abfälle beseitigen, noch die drängenden Fragen des Klimaschutzes beantworten.

Sieben Reaktortypen unter der Lupe

In der Studie wurden sieben verschiedene Reaktortypen untersucht, darunter blei- und gasgekühlte Reaktoren, Salzschmelzreaktoren und beschleunigergetriebene Systeme. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich von den weltweit verbreiteten Leichtwasserreaktoren.

Sie sollen nach den Vorstellungen ihrer Entwickler Vorteile hinsichtlich Sicherheit, Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Brennstoffausnutzung bieten. Außerdem soll bei diesen Reaktoren weniger hochradioaktiver Abfall anfallen.

Keine echte Alternative zu Leichtwasserreaktoren

Die Studie kommt jedoch zu dem Schluss, dass keiner der untersuchten Reaktortypen eine echte Alternative zu den heutigen Leichtwasserreaktoren darstellt.

Die wissenschaftliche Arbeit des Öko-Instituts, der Technischen Universität Berlin und des Physikerbüros Bremen komme zu dem Ergebnis, dass keiner der untersuchten Reaktortypen eine echte Alternative zu den heutigen Leichtwasserreaktoren darstelle, so von Hirschhausen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei schon heute deutlich günstiger als die Nutzung heutiger Atomreaktoren – und diese wiederum deutlich günstiger als die neuen Konzepte.

Atomkraft weltweit auf unterschiedlichen Wegen

Während in Deutschland im April 2023 die letzten drei Kernkraftwerke vom Netz gehen, gehen andere Länder wie die USA, Frankreich, China oder Polen einen anderen Weg und treiben eine Renaissance der Kernenergie voran. Doch auch in Deutschland werden die Rufe nach einem Wiedereinstieg immer lauter – hauptsächlich seitens der Union, der FDP und der AfD.

30 Staaten verpflichten sich zum Ausbau der Atomkraft

Trotz der ernüchternden Ergebnisse der Studie haben sich 30 Staaten auf dem Atomgipfel in Brüssel verpflichtet, das Potenzial der Kernenergie voll auszuschöpfen. Sie wollen nicht nur neue Kernkraftwerke bauen, sondern auch die Laufzeiten bestehender Anlagen verlängern. Dies sei unerlässlich, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, heißt es in der Erklärung der Europäischen Atomallianz.

Proteste von Umweltschützern

Die Entscheidung der Staaten stieß bei Umweltschützern auf Protest. Greenpeace kritisierte, Atomkraft sei die schlechteste Wahl für eine kohlenstoffarme Zukunft.

Lange Entwicklungs- und Bauzeiten für Atomkraftwerke und neue Atomtechnologien wie SMR würden die Energiewende nur verlangsamen. Die Umweltorganisation wies auch darauf hin, dass die Kosten für neue Atomreaktoren fast viermal so hoch seien wie für Windenergie.

Atomindustrie begrüßt Entscheidung

Die weltweite Atomindustrie begrüßte hingegen die Erklärung der Staaten. Sie forderte eine stärkere Unterstützung von Nuklearprojekten durch internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank, die bisher alternative Energiequellen bevorzugen. Deutschland, das den Atomausstieg vollzogen hat, nahm an dem Treffen nicht teil.

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