Klimafinanzierung: Ein "neues Bretton Woods"

Seite 2: Die seltsame Verbindung von Kapital und Klimaschutz

Auf die geldpolitischen Notwendigkeiten und gesellschaftspolitischen Gefahren einer CBDC ist Telepolis in einem früheren Artikel bereits eingegangen.

Ebenso wie auf die denkwürdige Vermischung von privatem Kapital und öffentlichen Institutionen beim sogenannten Impact Investing. Diese spiegelt sich auch im Tenor der COP27 wider. Und prominenter könnte der nächstgenannte Fürsprecher wohl nicht sein:

Wir müssen Bretton Woods wieder einberufen und das Weltbanksystem vollständig umgestalten und reformieren und den Entwicklungsländern Zugang zu privatem Kapital verschaffen.

Al Gore

Fraglich ist freilich, inwieweit nicht das Gegenteil der Fall ist und dem privaten Kapital der Zugang zu den sogenannten Entwicklungsländern verschafft werden soll.

So konnte man jedenfalls Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verstehen, der wenige Tage später auf dem Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in Bangkok forderte, "die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor" zu fördern, um "gemeinsame Probleme" wie den Klimawandel zu lösen (Telepolis berichtete). Ganz ähnlich tönte der Präsident auch auf der COP27:

Diese Institutionen [Weltbank und IWF] müssen konkrete Vorschläge unterbreiten, um diese innovativen Finanzierungsmechanismen zu aktivieren, den Zugang zu neuer Liquidität zu erschließen, neue konzessionäre Finanzierungsideen für Schwellenländer zu entwickeln und Lösungen vorzuschlagen, die deren Verletzlichkeit [vulnerability] berücksichtigen

Emmanuel Macron

Besser als der ehemalige Investmentbanker Macron verkörpert aber der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Al Gore die seltsame Verbindung zwischen Markt, Wachstum und Klimaschutz.

Das von Gore mitbegründete Unternehmen Generation Investment ist nach eigenen Angaben mit 36 Milliarden Dollar in Fonds privater und öffentlicher Unternehmen investiert, die sich auf "nachhaltige" Investitionen im ESG-Bereich (Environment, Social, Governance) spezialisiert haben. Die Interessenkonvergenz mit der Weltbank-Reform ist schwer übersehbar.

Seine Vision von einer grünen Zukunft durch Public-Private-Partnerships hatte Gore schon 2016 in einer Rede vor einer Master of Business Administration-Klasse (MBA) der Stanford Business School erläutert – des Studiengangs, der Kritikern als "ideologische[s] Transport-Vehikel des Finanzkapitalismus" gilt.

In einer Zusammenfassung der Rede heißt es:

Gore entwirft die Vision einer Welt, in der die Nationalstaaten nicht mehr das Tempo des Wandels diktieren. Die Nachhaltigkeitsrevolution wird zunehmend von lokalen, bodennahen Projekten und dem aufgeklärten Eigeninteresse des Privatsektors vorangetrieben. Und im Mittelpunkt dieser Bewegung, so Gore, steht die Rolle der Investoren, die Chancen erkennen und zukunftsweisende Unternehmen finanzieren.

Stanford Graduate School of Business

In einem lesenswerten Artikel von 2010 zitiert die Wirtschaftswoche den Philanthrokapitalisten George Soros: Der Emissionshandel sei "wenig transparent und anfällig für Manipulationen", sagt der Großinvestor. Fazit: "Deshalb ist er so beliebt bei Finanztypen wie mir."

Wer kommt hier wem entgegen?

Man muss sich also noch einmal die Frage stellen: Wer kommt hier wem entgegen? Die streitbare These, die diese Text-Serie aufstellen will, ist die folgende: Die "grüne" Entwicklungshilfe ist das "Facelift" eines alten Prinzips, das Kritiker als ökonomischen (Schulden-)Imperialismus bezeichnet haben. Die nächsten beiden Teile sollen diese These untermauern.

Fakt ist: Parallelen zwischen der alten und neuen (unrühmlichen) Rolle von IWF und Weltbank werden auch unter Experten beobachtet. So schreibt der Politologe Aram Zai in einem Interview mit dem Goethe-Institut:

In diesem Sinne stehen die SDGs [Social Development Goals der Agenda 2030] ganz in der Tradition der Entwicklungspolitik, die im Kontext des Kalten Krieges und der Entkolonialisierung der USA und ihrer Verbündeten entstanden ist, um zu verhindern, dass die unabhängig werdenden Länder ins sozialistische Lager überlaufen.

Dies geschah, indem man ihnen versprach, dass sie mit Unterstützung des Westens zu wohlhabenden oder "entwickelten" Ländern innerhalb einer kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung werden könnten. Dieses Versprechen wurde nur für eine sehr kleine Minderheit der Länder wahr […] Die SDGs sind eine Erneuerung dieses Versprechens".

Aram Zai

In Teil 2 dieser Serie soll untersucht werden, was sich noch alles hinter diesem (falschen) Versprechen verbirgt.