Finanzielle Kriegsführung: Schuldensystem und Dollarhegemonie

Warum eine Reform von Weltbank und Währungsfonds den USA entgegenkommt und warum sich hinter dem Label "Entwicklungshilfe" imperiale Interessen verstecken. Klimaschutz-Kolonialismus? (Teil 2).

Umweltschutz und Geopolitik haben eine engere Verwandtschaft, als es der breiten (und klimafreundlichen) Öffentlichkeit bekannt ist. Das gilt nicht nur für den "neuen Bretton-Woods-Moment", der auf der Klimakonferenz COP27 in Ägypten angekündigt wurde (siehe Teil 1).

2010 berichtete der britische Guardian über geleakte Dokumente, die enthüllten, "wie die USA eine geheime globale diplomatische Offensive starteten, um den Widerstand gegen das umstrittene Kopenhagener Abkommen zu brechen".

Veröffentlicht hatte sie WikiLeaks, die Enthüllungsplattform, gegen dessen Gründer Julian Assange die Central Intelligence Agency (CIA) Mordpläne schmiedete. Die "Copenhagen Cables" (=Depeschen) sind einer von vielen Gründen.

Schließlich war es eben jene CIA, in deren Auftrag das Außenministerium kompromittierende Informationen zu diplomatischen Vertretern innerhalb der Vereinten Nationen (UN) einholte, die sich dem "Kampf gegen den Klimawandel" widersetzten – auch wenn die eigentlichen Klimaschützer im Copenhagen Accord nichts weiter als einen faulen Kompromiss sahen.

Besonders interessant dabei ist nun die Form der Überredungskunst, die die USA anwendeten.

Denn den ärmsten Nationen, die am schlimmsten vom Klimawandel betroffen waren, sagte das Kopenhagener Abkommen insgesamt 30 Milliarden Dollar zu. "Manche Länder mussten also kaum überredet werden", folgerte der Guardian. Und diejenigen, die aufgrund vorangehender gebrochener Versprechen skeptisch waren, wurden schlichtweg erpresst. Klingt abenteuerlich? Ist es nicht.

So erwogen die ehemalige EU-Klimaschutzkommissarin, Connie Hedegaard, und der ehemalige US-Sicherheitsberater (heute: US-Handelsbeauftragter), Michael Froman, unkooperative Länder wie Venezuela und Bolivien zu "neutralisieren, zu vereinnahmen ["co-opt"] oder zu marginalisieren". Bolivien und Ecuador bekamen wenige Monate später ihre US-Entwicklungshilfe gestrichen. Offenbar wollten sie sich nicht erpressen lassen.

Warum diese Anekdote?

Sie zeigt, dass die Vereinigten Staaten im Kontext von (vermeintlicher) Umwelthilfe bereit sind, ihre Finanzkraft als Waffe einzusetzen. Die Frage ist, was das für die "grüne" Reform von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) bedeutet? Denn die "Bretton-Woods-Institutionen" stehen seit jeher unter massivem Einfluss der USA.

Weltbank, IWF und die "unkonventionelle Kriegsführung" der USA

Beide UN-Sonderinstitutionen sind in Washington stationiert. Der Weltbank steht traditionell ein US-Amerikaner vor (aktuell: David Malpass), dem Währungsfonds ein Repräsentant der EU (aktuell: Kristalina Georgieva). IWF und Weltbank wurden 1944 auf der Bretton-Woods-Konferenz im US-Bundesstaat New Hampshire gegründet.

Ursprünglicher Zweck war der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und die Stabilisierung des internationalen Währungssystems, um Abwertungskämpfe zu vermeiden und Weltwirtschaftskrisen wie die zuletzt erlebte Great Depression von 1929 zu verhindern.

Darüber hinaus sollten die Zwillingsinstitutionen der Bekämpfung von Armut und Einkommensungleichheit dienen – inoffiziell dienten sie zugleich der Abwehr des kommunistischen Einflusses. Seit Ende der 1960er-Jahre rückten statt Infrastruktur-Projekten vermehrt die Themen Gesundheit, Ernährung und Familienplanung in den Fokus.

Die "World Bank Group" besteht aus vier Teil-Institutionen mit unterschiedlichen Aufgaben. Ganz grob: Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) vergeben die (langfristigen) Kredite, die Internationale Finanz-Corporation (IFC) gestaltet die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) sowie das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) schützen die ausländischen Kapitalanlagen.

Der IWF soll seinerseits die Währungsstabilität garantieren und Probleme in der Zahlungsbilanz beheben, unter anderem durch die berüchtigten Strukturanpassungsprogramme, bei denen Kredite an (Spar-)Auflagen geknüpft sind. Weil diese meist einen sehr "marktorientierten" Charakter haben, sprechen Kritiker von einem "Dreiklang aus Privatisierung, Deregulierung, Liberalisierung". Nun zum Einfluss der USA.

Die Vereinigten Staaten besitzen in beiden UN-Sonderorganisationen die größten Anteile von jeweils mehr als 15 Prozent (Weltbank: 16,45, IWF: 17,43). Nach dem "One Dollar, One Vote"-Prinzip haben die USA de facto ein Veto-Recht inne, weil "substanzielle" Entscheidungen von einer Mehrheit von 85 Prozent der Mitgliedsstaaten getroffen werden müssen.

Außerdem kommt die westliche Allianz der G10 inklusive Irland, Australien und Korea zusammen auf mehr als 50 Prozent der Stimmen. Mit ein bisschen "Überzeugungsarbeit" kann die USA also alle Mitgliedsländer auf Linie bringen.

Das Portal mintpressnews hat im Februar 2019 über ein weiteres WikiLeaks-Dokument berichtet, das – in mehrerlei Hinsicht – viel Sprengkraft in sich birgt. Das Dokument mit dem Namen "Unconvential Warfare – Field Manual" soll am 30. September von den Army Special Operations Forces (ARSOF) veröffentlicht worden sein. Darin heißt es:

ARSOF kann finanzielle Macht als Waffe in Konfliktzeiten bis hin zu einem groß angelegten allgemeinen Krieg einsetzen. [...]
Die Manipulation der Finanzkraft der USA kann die Politik und die Zusammenarbeit der Regierungen der Staaten beeinflussen. Finanzielle Anreize und Negativanreize können internationale Koalitionen aufbauen und aufrechterhalten, die US-Kampagnen durchführen oder unterstützen [...]

Die Beteiligung an internationalen Finanzorganisationen wie der Weltbank (WB), dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bietet den USA diplomatisch-finanzielle Möglichkeiten, um solche Koalitionen zu erreichen.

ARSOF: Unvconventional Warfare – Field Manual