Klimakrise: Die Kosten der Untätigkeit
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Die Energie- und Klimawochenschau: Eine unkritische und schlecht vorbereitete Kandidatenbefragung, ein Hungerstreik fürs Klima und eine Wissenschaft ablehnende Digitalisiererin in Laschets Zukunftsteam
Das war schon eine sehr eigenartige Moderation des Dreikampfes der Kanzler-Kandidatinnen und -Kandidaten, den ZDF und ARD am Sonntag zur besten Sendezeit ausstrahlten. Deutschland erschien als eine einsame Insel im weiten Universum, hermetisch abgeschlossen gegen alle Einflüsse aus den fernen Galaxien jenseits von Rhein, Oder und Alpen.
Keine einzige außenpolitische Frage wurde angesprochen, weder der vollkommen desaströse Afghanistan-Krieg, der seit 2009 nach UN-Angaben knapp 20.000 Zivilisten das Leben kostete, noch die dramatische Situation an den EU-Außengrenzen, noch die weiter vor sich hinschwelende EU-Krise. Scheint alles nichts mit der Politik der bisherigen oder der künftigen Bundesregierung zu tun zu haben.
Auch die große Megakrise der 21. Jahrhunderts, die inzwischen - eigentlich unübersehbar - mit der globalen Erwärmung Fahrt aufnimmt, scheint nicht so besonders wichtig zu sein. Lange mussten die Zuschauerinnen und Zuschauer warten, bis sie endlich angesprochen wurde, und dann ging es der Moderation, Maybrit Illner und Oliver Köhr, eigentlich nur ums Geld.
Immer wieder versuchten sie die Antworten dahin zu lenken, dass der Klimaschutz den Bürgerinnen und Bürgern teuer zu stehen kommen werde. Die Flutopfer in Ahrweiler, das großflächige Absterben der Fichtenwälder, die steigenden Herausforderungen beim Küstenschutz, der katastrophal mangelhafte Katastrophenschutz kamen in ihren Fragen hingegen ebenso wenig vor wie die fortgesetzte Zerstörung von Wäldern und Dörfern für den Abbau der Braunkohle, dem mit Abstand klimaschädlichsten Brennstoff, der bestenfalls noch von Torf überboten wird.
Auch die Kandidatin der Grünen begnügte sich damit, nur einmal kurz auf die enormen Schäden zu verweisen, die die Klimakrise künftig noch mit sich bringen wird. Einen kleinen Eindruck davon vermitteln neueste Zahlen aus den USA.
Dort haben 2020, Waldbrände, Sturmfluten, Hurrikane und andere extreme Wetterereignisse Schäden in Höhe von fast 100 Milliarden US-Dollar angerichtet, berichtete am gestrigen Dienstag unter anderem der Deutschlandfunk.
US-Präsident Joe Biden habe daher von "Alarmstufe Rot" gesprochen und angekündigt, dass in diesem Jahr die Schadenssumme sogar noch höher auszufallen drohe. Angesichts dessen sind die 1,2 Milliarden Euro, die die EU-Kommission für Hilfen bei Naturkatastrophen zur Verfügung stellt, lächerlich bescheiden. Kein Wunder also, dass sie für dieses Jahr bereits aufgebraucht sind, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland meldet.
Armin der Ahnungslose
Ansonsten sprach sich Baerbock dafür aus, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, wovon ihre beiden Konkurrenten nichts wissen wollten. Armin Laschet demonstrierte hingegen einmal mehr, dass er so seine Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung von Zeiträumen hat und sich Jahreszahlen nicht recht merken kann.
Seit den 1990er Jahren wissen wir von Welt-Klimaereignissen. Wir wissen seit Monaten von Fridays for Future, die auf der Straße sind, dass etwas passieren muss.
Armin Laschet
Die weltweiten Schulstreiks für das Klima finden seit nunmehr rund drei Jahren statt. Hierzulande gab es die ersten Aktionen Anfang Dezember 2018.
Und was der Unions-Kanzlerkandidat mit den "Welt-Klimaereignissen" meint, bleibt wohl sein Geheimnis. Sollte er damit gemeint haben, dass der Klimawandel erst seit den 1990ern bekannt sei oder erst seither diskutiert werde, so redet er einfach mal wieder groben Unfug.
Die Mechanismen, die das Klima verändern, sind in wissenschaftlichen Kreisen seit weit über 100 Jahren bekannt und werden in der breiteren Öffentlichkeit spätestens seit den 1970-er Jahren diskutiert. Eine erste Weltklimakonferenz von Forschern und Politikern fand bereits 1979 statt.
1988 wurde der sogenannte Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) gegründet und 1992 in Rio de Janeiro die UN-Klimaschutzrahmenkonvention verabschiedet, in der sich 196 Staaten verpflichten, "die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird" (Artikel 2 der Konvention).
Bitte keine Kritik
Kritische Nachfragen nach diesen offensichtlichen Kenntnislücken in der Klimapolitik, seiner Braunkohlepolitik, der Verhinderung des Windkraftausbaus mit dem neuen 1000-Meter-Mindestabstand sowie dem repressiven Vorgehen der von ihm geführten nordrhein-westfälischen Landesregierung gegen Klimaschützer ersparte die Moderation Laschet.
Erst kürzlich hatte ein Kölner Gericht das Land Nordrhein-Westfalen beschieden, dass die Räumung des Hambacher Forstes 2018 für die Ausweitung des gleichnamigen Tagebaus illegal war (Hambacher Forst: Armin Laschet agierte illegal.) Anfang der Woche wurde in einem anderen Verfahren einem Filmemacher 3.350 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld zugesprochen, der in diesem Zusammenhang unangemessener Polizeigewalt ausgesetzt gewesen war.
Schließlich stritten Scholz und Laschet noch länger rum, wessen Fuß in der ausgehenden Legislaturperiode in Sachen Ausbau der erneuerbaren Energieträger fester auf die Bremse getreten hat. Einig waren sie sich, dass sie Genehmigungsverfahren beschleunigen wollen.
Unerwähnt blieb hingegen von beiden, dass der Ausbau der Windenergie vor allem unter dem aufwendigen Ausschreibungsverfahren leidet, das seit 2017 selbst von den kleinsten Windprojekten durchlaufen werden muss (Generalangriff auf die Energiewende, Gegen Dezentralisierung und Bürgerwindparks). Auch hier keinerlei kritische Nachfragen oder Hinweise der Moderation.
Neue Verfassungsbeschwerden
Wir hatten am Montag nachträglich von den Klagen berichtet, die die Deutsche Umwelthilfe DHU und Greenpeace gegen verschiedene Automobilkonzerne angestrengt haben. Nun legt di DUIH nach.
In fünf Bundesländern wurden gemeinsam mit Kindern und jungen Erwachsenen Verfassungsbeschwerden gegen die Landesregierungen eingereicht. Der Vorwurf: Keines der Länder - betroffen sind Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt - habe ein Landesklimaschutzgesetz, das den Anforderungen der Pariser Klimaübereinkunft genügt. Ähnliche Beschwerden wurden bereits Anfang Juli in Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen eingereicht.
Durch die Klimakatastrophe wächst die soziale Ungleichheit in Deutschland und der Welt. Mir ist absolut unbegreiflich, wieso Sachsen keine Pläne für sozial-gerechten Klimaschutz vorzeigen kann. Mein Bundesland lenkt mich und alle künftigen Generationen in eine Katastrophe. Großdemonstrationen und die Wünsche der jungen Generation sind wohl nicht ausreichend, um die Regierenden zum Handeln zu bringen. Deshalb ziehe ich vor das Bundesverfassungsgericht.
Tristan Runge, Beschwerdeführer aus Sachsen