"Klumpenrisiko" China: Gewagtes Spiel mit dem Drachen

Schanghai; Bild: Sam Balye/Unsplash

Signale aus der Regierung zu einem Kurswechsel in der China-Politik: Handels- und Investitionsbeziehungen sollen eingeschränkt werden.

"Lasst den chinesischen Drachen schlafen. Wenn er sich erhebt, erzittert die Welt." Mit diesen Sätzen riet Napoleon 1817 dem britischen Emissär Lord Amherst nach dessen gescheiterter China-Mission, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Offensichtlich ist dieser Rat inzwischen in Vergessenheit geraten.

Unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas drängt es die USA und ihre Verbündeten verstärkt dazu, China Sand ins Getriebe zu streuen, um den eigenen Status zu retten.

Die chinesische Wirtschaft wurde in den vergangenen Jahrzehnten zielstrebig mit einer konsequenten Anwendung des Trial-and-Error-Prinzips erfolgreich entwickelt. In jenen Fällen, in denen der wirtschaftliche Erfolg seine Urheber dazu verführt hat, das Primat der kommunistischen Partei infrage zu stellen, wurden diese mehr oder weniger unsanft belehrt, was ihre Aufgaben angeht.

Nicht jede von der Politik angestoßene Initiative war durchgängig von Erfolg gekrönt. Für die gesamte chinesische Wirtschaft gab es jedoch unter dem Strich kein Halten. Lokale Aufstände unzufriedener Bürger mögen im Westen irritieren, zählen jedoch im Reich der Mitte zur gewohnten Kommunikation mit den lokalen Behörden.

Die Tatsache, dass die chinesische Regierung nicht schwankt und alle Versuche des Westens, sie zum Schwanken zu bringen, bislang kläglich gescheitert sind, regt die Politik im Westen nur dazu an, sich neue Widerstände gegen Beijing auszudenken.

So hat man mit gewaltigem Aufwand begonnen, die neue Seidenstraße zu behindern, was aktuell nur dazu führt, dass mit Duisburg der größte europäische Binnenhafen an Bedeutung für den Landtransport von und nach China verliert. Dies erfolgt beispielsweise dadurch, dass es für den Transport durch Russland keine der zuvor üblichen Versicherungspolicen mehr gibt.

China entwickelt sich zum größten Markt der Welt

Der Weg Chinas von der verlängerten Werkbank des Westens zum führenden globalen Innovationstreiber verlief in nur wenigen Jahrzehnten mit einer geradezu schwindelerregenden Geschwindigkeit, die hierzulande nur zu gerne ausgeblendet wurde.

Schon vor zwanzig Jahren beklagten sich Hersteller von Consumer Electronics, die ihre deutsche Fertigung so durchrationalisiert hatten, dass man mit drei Personen, beispielsweise die gesamte Mikrofonproduktion abwickeln konnte, dass es bestimmte Komponenten wie Magnesiumdruckgussgehäuse aus europäischer Fertigung gar nicht mehr gebe. Ohne Lieferanten aus China wäre eine Produktion in Deutschland nicht mehr möglich.

Ähnlich sieht es heute bei Gigaset aus, die als einziger Hersteller in Deutschland noch Smartphones herstellen, nachdem Motorola sein Werk in Flensburg, Nokia die Fertigung in Bochum und Siemens Mobile in Bocholt und Kamp-Lintfort aufgegeben hatten. Mit dem Ende der Siemens Mobile kam auch das Ende ihres Gehäusezulieferers Balda in Bad Oeynhausen.

Für die im Consumerbereich benötigten Elektronikkomponenten gibt es in Europa heute nicht mal ein Verkaufsbüro. So sehr hat sich der gesamte Elektronikmarkt noch Ost- und Südostasien verlagert. Und China verfügt heute über ein dichtes Netz an Zulieferern, das in Europa früher auch die Basis des wirtschaftlichen Erfolges war.

Neben der Politik der chinesischen Regierung hat dazu auch die Technikverliebtheit des chinesischen Publikums beigetragen, die Innovationen mit Begeisterung aufgreifen. Diese Offenheit für Innovationen ist ein weiterer Treiber, der dazu geführt hat, dass der große chinesische Binnenmarkt inzwischen mit einem Anteil von 80 Prozent an der inländischen Wertschöpfung die Bedeutung des Exports weit überflügelt hat.

Für viele deutsche Firmen ist der chinesische Markt inzwischen wichtiger als der deutsche Heimatmarkt.

Die Bundesregierung will Kurswechsel in der Chinapolitik

Der Vorwurf, dass große Teile der chinesischen PV-Technik auf Produktionslinien in Xinjiang zurückführbar seien und dort von Zwangsarbeit profitierten, gilt in der deutschen Politik inzwischen als ein schlagendes Argument, sich von den Handelsbeziehungen mit China freizumachen.

Das Reich der Mitte, das viele deutsche Technikunternehmen geradezu beflügelt, stellt für die deutsche Politik offenbar inzwischen ein Klumpenrisiko dar, das die Handlungsfreiheit von Berlin und Brüssel einschränken könnte, wenn man dort beispielsweise gegen die chinesische Neue Seidenstraße oder die Aktivitäten gegenüber Taiwan vorgehen will.

Das Handelsblatt zitierte jüngst einen hochrangigen Vertreter des Wirtschaftsministeriums mit den Worten "Wir müssen etwas dagegen tun, dass sich das Klumpenrisiko China weiter aufbaut". Laut Aussagen "von mehr als einem halben Dutzend hochrangiger Regierungsmitglieder" wolle man im Ministerium Habecks "die Regeln für staatliche Garantien bei Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland deutlich verschärfen".

Man hat im Gefolge der Russlandsanktionen erkannt, dass die Handelsbeziehungen in einem globalen Wirtschaftssystem stark vernetzt sind und ein Schlag gegen einen Player zahlreiche unerwartete Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Um die Welt für die deutsche Politik wieder ein wenig überschaubarer zu gestalten, will man in einem ersten Schritt die Regeln für staatliche Garantien bei Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland deutlich verschärfen. Ob das genügt, um deutsche Unternehmen von Investitionen in zukunftsträchtig erscheinende Märkte abzuhalten, kann bezweifelt werden.

Zu schnell besteht das Risiko in schnell wachsenden Märkten den Anschluss zu verlieren, wenn man sich dort mit Investitionen zurückhält. In zahlreichen Feldern hat sich der Entwicklungsschwerpunkt inzwischen nach Asien verlagert.