Kohleausstieg bis oder ab 2030?

Demo Kohlestopp am Sonntag in Berlin. Bild: J. Blume

Die Energie- und Klimawochenschau: Kohlekommission tritt zusammen, Westantarktis schmilzt, chinesische Fabriken produzieren Ozonkiller

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Am heutigen Dienstag tritt erstmals die Kohlekommission, offiziell Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung genannt, zusammen. Das Gremium besteht aus 31 Mitgliedern, 3 davon ohne Stimmrecht.

Auf der Liste der von der Bundesregierung gestellten Aufgaben steht ganz oben die "Schaffung einer konkreten Perspektive für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen". Erst an vierter Stelle stehen Maßnahmen, um das Klimaziel im Energiesektor für 2030 zuverlässig zu erreichen. Laut Klimaschutzplan müssten die Emissionen in diesem Sektor um 61 bis 62 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. An fünfter Stelle folgt schließlich ein "Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums".

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schloss am Samstag in einem RBB-Interview einen Kohleausstieg vor 2030 aus. Zunächst sollte über Arbeitsplätze und über Strukturwandel gesprochen werden, erst danach über mögliche Stilllegungen von Kohlekraftwerken und Tagebauen.

Ganz anders sehen das Tausende von Menschen, die am Sonntag in Berlin und an 40 anderen Orten für einen schnellen Ausstieg aus der Kohle auf die Straße gingen. Das veranstaltende Bündnis von Umweltorganisationen fordert einen Kohleausstieg spätestens bis zum Jahr 2030 sowie ein Sofortprogramm der Bundesregierung, um das Klimaziel für 2020 einzuhalten. Dazu müssten die CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke um rund 100 Millionen Tonnen sinken.

Der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Michael Müller betonte: "Der Ausgangspunkt der Kohle-Kommission kann allein der Klimawandel sein. Daran werden sich Personen und Inhalte messen lassen müssen. Natürlich werden die Umweltverbände alles unterstützen, was soziale Härten verhindert und den Strukturwandel fördert. Das gilt allerdings nur unter der Maßgabe, dass wir einen vorbildlichen Beitrag leisten, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen." Die Klimaexpertin des Bund für Umwelt und Natuschutz Deutschland Tina Löffelsend wies außerdem auf die Verantwortung der Konzerne RWE und EPH für die Folgeschäden durch ihre Tagebaue hin.

Angesichts derart divergierender Positionen in Politik und Gesellschaft darf man auf die Arbeit der Kohlekommission gespannt sein. Und selbst wenn das Wirtschaftsministerium bremst, würde die Bundesregierung Anfang Dezember wohl gerne schon konkrete Ergebnisse der Kommission zur Klimakonferenz nach Kattowitz mitnehmen.

Neue Studien zum Antarktiseis

Rund 70 Prozent des Süßwassers auf der Erde ist im Eispanzer der Antarktis gebunden. Dass dieser Koloss teilweise zusammenbrechen und nicht nur den Meeresspiegel drastisch ansteigen lassen, sondern auch Meeresströmungen durch den Zufluss von Süßwasser stark verändern würde, ist vielleicht schwer vorstellbar, aber nicht unmöglich.

Daten aus der Vergangenheit belegen jedoch, dass sich das Eis nach der letzten Eiszeit schon einmal relativ schnell zurückgezogen hat, nämlich um rund 1000 Kilometer in einem Zeitraum von 1000 Jahren. Auch heute beschleunigt sich der Rückgang des Eises vor allem in der Westantarktis, wie Wissenschaftler von 44 internationalen Organisationen in einer Eismassenbilanz zeigen. Seit 1992 ließen Eisverluste in der Antarktis den Meeresspiegel um 7,6 Millimeter ansteigen, wobei die Verlustrate sich aber jüngst in den Jahren 2012 bis 2017 verdreifachte. Damit trug die Antarktis bis 2012 mit 0,2 mm pro Jahr zum Anstieg der Meere bei, seither mit 0,6 mm.

Polarstern nahe eines Eisbergs in der Pine Island Bucht. Foto: AWI/Thomas Ronge

Das klingt immer noch vergleichsweise harmlos, doch das Tempo könnte sich weiter steigern. Anhand des Pine-Island-Gletschers in der Westantarktis lässt sich nachvollziehen, wie es zu einem plötzlichen und schnellen Abfließen der Gletscher kommen kann. Die Gletscherzunge liegt als Schelfeis auf dem Amundsen-Meer. Von dort gelangt Wasser unter den Gletscher und bringt das Eis zum tauen. Dennoch konnte sich die Eiszunge lange halten, bis 2015 ein großer Eisberg abbrach und sich die Kante damit um 20 Kilometer nach innen verlagerte. Polarforscher konnten nun bei Vermessungen des Meeresbodens feststellen, dass die Gletscherzunge zu einem bestimmten Moment die Bodenhaftung verloren hat und seither quasi ungebremst ins Meer fließen konnte.

Wie die Wissenschaftler berichten, hat der Pine-Island-Gletscher momentan wieder neuen Halt gefunden, was sich bei einem weiteren Abschmelzen von unten auch wieder ändern kann. Langfristig könnte das Schelfeis insgesamt instabil werden, was bei einer derzeitigen Dicke von 400 Metern aber noch nicht der Fall sei.

Was die Eismassenbilanz und auch die Prognosen der zukünftigen Gletscherbewegungen kompliziert macht, sind unter anderem auch Landhebungen. Dadurch, dass das Gewicht des aufliegenden Eises abnimmt, hebt sich langsam die darunter liegende Erdkruste. In einem Artikel in der Fachzeitschrift Nature legen Wissenschaftler dar, dass dieser Prozess dazu geführt haben muss, dass die Gletscher sich nach der letzten Eiszeit nicht weiter zurückzogen, sondern danach über einen Zeitraum von 10.000 Jahren wieder um 400 Kilometer ausdehnten.

Rückzug der Kalbungslinie des Pine Island Gletschers seit dem Jahr 1947. Foto: AWI/Jan Erik Arndt

"Das ist eine begrenzte, aber erstaunliche Stabilisierung. Diese dauerte jedoch satte 10.000 Jahre. Angesichts der Geschwindigkeit des derzeitigen Klimawandels durch das Verfeuern fossiler Brennstoffe ist klar: der von uns entdeckte Mechanismus funktioniert leider nicht schnell genug, um die heutigen Eisschilde vor einem Schmelzen zu bewahren und damit zu verhindern, dass sie massiv beitragen können zum Anstieg des Meeresspiegels", erklärt Torsten Albrecht vom Potsdam-Institut für Klimafolgen, einer der Hauptautoren der Studie.

Proteinfutter aus Mikroben

Eine eher skurrile Idee für den Klimaschutz kommt ebenfalls vom PIK. Rinder, Schweine und Hühner könnten zukünftig mit eiweißreichem, industriell produziertem Futter ernährt werden. Dadurch wären weniger Anbauflächen für Tierfutter nötig und die Treibhausgasemissionen aus dem Ackerbau könnten reduziert werden, ebenso die weitere Entwaldung.

"In der Praxis könnten gezüchtete Mikroben wie Bakterien, Hefen, Pilze oder Algen proteinreiche Pflanzen vom Acker wie Sojabohnen oder Getreide ersetzen. Entwickelt wurde diese Methode ursprünglich während des Kalten Krieges für die Raumfahrt. Energie, Kohlenstoff und Stickstoffdünger werden dabei im Labor zur industriellen Produktion proteinreicher Mikroben eingesetzt", erklärt Ilje Pikaar von der University of Queensland in Australien.

Der Nachteil des Verfahrens: Der Energiebedarf muss ebenfalls gedeckt werden. Von daher klingt die Schlussfolgerung von Alexander Popp vom PIK doch eher einleuchtend, einfach weniger tierische Produkte und mehr Obst und Gemüse zu essen. Außerdem könnte das mikrobiell produzierte Protein auch direkt in der menschlichen Ernährung eingesetzt werden, ohne den Umweg über das Tier.

Hinweise auf illegale FCKW-Produktion

Im Fall des mysteriösen Anstiegs verbotener, ozonschädigender Stoffe in der Atmosphäre ist Aufklärung in Sicht. Laut einem Bericht der New York Times führt die Spur angeblich nach China.

Im Mai hatte die unabhängige, in den USA und Großbritannien ansässige Organisation Environmental Investigation Agency (EIA) berichtet, dass plötzlich erhöhte Werte des Fluorchlorkohlenwasserstoffs Trichlorfluormethan (CFC-11), der nach dem Montreal-Protokoll verboten ist, in der Atmosphäre gemessen wurden. Demnach seien die Trichlorfluormethan-Emissionen zwischen 2014 und 2016 um rund 67.000 Tonnen pro Jahr gestiegen, was nur durch eine neue, illegale Produktion zu erklären sei.

In China wird der Stoff scheinbar noch immer illegal in der Herstellung von Schaumstoffen wie Polyurethan eingesetzt, entweder weil sich Hersteller des Problems gar nicht bewusst sind oder weil sie sich den Umstieg auf andere Chemikalien nicht leisten können oder wollen. Ermittler der EIA haben laut New York Times acht chinesische Fabriken identifiziert, die CFC-11 verwenden. Das dürften aber längst nicht alle Urheber sein. Die EIA will im Juli einen offiziellen Bericht vorlegen. Letztendlich liegt es an den chinesischen Umweltbehörden, das Verbot von CFC-11 durchzusetzen und illegale Produzenten und Anwender zu verfolgen. CFC-11 ist nicht nur ozonschädigend, sondern auch ein sehr potentes Treihausgas, das 4750mal stärker wirkt als Kohlendioxid.

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