Kometeneinschlag im Labor

Seite 3: Wir bauen uns einen Kometen

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Um auf den langen Weg zur Beantwortung dieser Frage wenigstens einen kleinen Schritt voran zu kommen, haben zwei japanische Geochemiker bereits 2013 eine Versuchsreihe gestartet, bei der sie unter Laborbedingungen einen Kometeneinschlag en miniature künstlich erzeugten. Ausgehend von der Frage, wie sich die Geochemie auf der urzeitlichen sterilen Erde nach einem Kometeneinschlag verändert haben könnte, baute das Forscherduo zunächst einmal einen Kometen im Kleinformat.

Wie Haruna Sugahara von der in Yokahma ansässigen Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC) und Koichi Mimura von der Nagoya University auf der Goldschmidt Konferenz für Geochemie in Prag in der letzten Woche in einem Vortrag darlegten, mischten sie im Labor die typischen Ingredienzen eines Kometen zusammen: Wassereis, Silikatgestein (Forsterit) - und die Aminosäure Glycin, die bereits von der NASA-Stardust-Mission auf dem Kometen Wild 2 nachgewiesen wurde.

Besagte eisgekühlte Mixtur quetschten die Geochemiker in eine kleine Kapsel aus rostfreien Stahl. Mithilfe einer vertikal installierten Beschleunigeranlage erzeugten sie künstlich den Effekt eines aufprallenden Kometen auf der Erde. Hierfür legten sie die kleine Kapsel in die Vakuumkammer der Anlage, die mit Flüssigstickstoff auf minus 196 Grad Celsius heruntergekühlt wurde. Nachdem der Beschleuniger verschlossen war, schoss ein Projektil, angetrieben von rauchlosem Treibladungspulver, mit einer Impakt-Geschwindigkeit von 1430 Meter in der Sekunde auf die Kapsel, in der die Aminosäuren und die andere Materie verstaut waren. Zwei Laser halfen dabei, die Geschwindigkeit des Projektils und die Temperatur in der Kammer zu messen.

Dr. Haruna Sugahara vor dem Beschleuniger. Ein Problem dieser Studie ist, dass beide Geochemiker in dem Paper nichts von simulierten Umweltbedingungen im Labor berichten. Eigentlich hätten sie auch die Situation auf der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren im Labor nachahmen und Parameter wie das irdisch-urzeitliche Klima, den sterilen Boden, die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre und die des Wassers usw. mit in ihre Studie miteinbeziehen müssen. Bild: H. Sugahara

Nachdem die beiden Japaner alleine zwei Arbeitstage benötigten, um den Container vorsichtig zu öffnen und die Probe zu extrahieren, analysierten sie im Anschluss daran mit Gaschromatographen die Anzahl der zurückgebliebenen Aminosäuren und künstlich erzeugten Stoffe, die sich auf dem Boden angesammelt hatten. Nach jedem Impakt-Ereignis nahmen die Geochemiker jeweils nur zwei Proben, wobei diese auf eine Untersuchung des Silikatgesteins bewusst verzichteten. "Ich habe für dieses Experiment nicht das andere Material, sprich das Wassereis oder Silikat näher untersucht, weil das ganze Probematerial ausschließlich für die Analyse der neu entstandenen Verbindungen benötigt wurde", so Sugahara gegenüber Telepolis.

Schlüsselschritt zum Weg des Lebens

Als das kleine Geschoss aufschlug, kam es unmittelbar danach infolge der freiwerdenden Aufprallenergie zu chemischen Reaktionen, bei denen komplexere organische Moleküle entstanden, so genannte Peptide.

Peptide sind organische chemische Verbindungen, die auftauchen, wenn sich mehrere Aminosäuren miteinander verknüpfen. Und genau dies geschah nach dem Experiment. Einige der Aminosäuren fanden überraschend zu kurzen linearen Peptiden zusammen, die als wichtige Basiskomponenten für die Bildung von Proteinen gelten.

Fernerhin fanden die Forscher nach der Versuchsreihe auch Tripeptide. Diese bestehen - nomen est omen - aus drei Aminosäuren und gelten als wichtiger Schlüsselschritt zum Weg des Lebens. "Wir konnten aber nicht höhere Peptide als Tripeptide aufspüren, weil dafür unsere Messgeräte nicht ausgelegt waren", erklärt der Co-Autor des Papers und Studienteilnehmer, Koichi Mimura diesem Magazin.

Kometen-Oberfläche. Aufnahme vom Philae-Lander, neun Meter über dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Aus den gewonnenen Daten schlussfolgern die beiden Geochemiker, dass praktisch jeder Kometeneinschlag auf einen festen Himmelskörper ähnliche chemische Reaktionen provozieren und dazu beitragen kann, zumindest die biochemischen Grundvoraussetzungen für die erste Stufe der Bildung einer "Ursuppe" zu schaffen. Hierzu Haruna Sugahara:

Die Herstellung von kurzen Peptiden ist in der chemischen Evolution der Schlüsselschritt zu komplexen Molekülen. Wenn einmal der Prozess in Gang gesetzt wurde, dann ist viel weniger Energie nötig, um in einer irdischen aquatischen Umgebung längere Peptidketten zu bilden.

Die Funde zeigen nach Ansicht der Forscher, dass Kometeneinschläge fraglos eine wichtige Rolle gespielt haben, um die Saat des Lebens auf der frühen Erde freizusetzen. Durch den Aufpralldruck und der damit einhergehenden Hitze konnten sich in der Ur- und Frühzeit der Erde nach Kometeneinschlägen Tripeptide bilden. Diese haben sich sodann mit den in hydrothermalen Quellen vorkommenden Substanzen vermischt. Dies könnte die Initialzündung für die Ausbildung von Leben gewesen sein, glauben Sugahara und ihr Kollege.

Bild: NASA/JPL-Caltech

Dieser katalysatorische Effekt könnte im Zuge von Kometen-Impakt-Ereignissen durchaus auch auf anderen außerirdischen Himmelskörpern zum Tragen gekommen sein, vermuten die beiden Wissenschaftler. Hier könnte eine ähnlich geartete chemische Evolution abgelaufen sein. "Da Kometeneinschläge in unserem Sonnensystem ein weitverbreitetes Phänomen sind, spielen solche Impakts auf anderen außerirdischen Himmelskörpern in der organischen chemischen Evolution sehr wahrscheinlich eine wichtige Rolle, insbesondere auf eisigen Monden", schreibt das Duo in dem Fachaufsatz "Glycine oligomerization up to triglycine by shock experiments simulating comet impacts". Daher könnten sich innerhalb unseres Sonnensystems auf den vereisten Monden des Jupiters und Saturn, etwa Europa und Enceladus, die auch einmal unter einem ähnlichen Bombardement aus dem All gestanden haben, Vorstufen des Lebens herangebildet haben.