"Kriegserklärung an die zivilisierte Völkergemeinschaft"

Gerhard Schröder, 2001. Bild: bundestag.de

Heute vor zwanzig Jahren gab Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Regierungserklärung zu den Anschlägen in den USA ab. Telepolis dokumentiert die Rede

Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag hat angesichts der dramatischen und bestürzenden Terroranschläge auf das amerikanische Volk seine Haushaltsberatungen unterbrochen. Sie werden in der kommenden Sitzungswoche fortgesetzt; so eine Vereinbarung zwischen allen Fraktionen.

Ich bitte Sie nun, sich zu erheben. Wir wollen der Toten der furchtbaren Anschläge in New York und Washington gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Wolfgang Thierse: Ich danke Ihnen.

Wir kommen nun zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Das Wort hat Herr Bundeskanzler Schröder.

Gerhard Schröder: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gestrige 11. September 2001 wird als ein schwarzer Tag für uns alle in die Geschichte eingehen. Noch heute sind wir fassungslos angesichts eines nie da gewesenen Terroranschlags auf das, was unsere Welt im Innersten zusammenhält.

Wir wissen noch nicht, wer hinter dieser Kriegserklärung an die zivilisierte Völkergemeinschaft steht. Wir wissen noch nicht einmal, wie viel Tausende ganz und gar unschuldige Menschen den feigen Attentaten zum Opfer gefallen sind. Wir wissen und erfahren aber:

Jetzt geht es darum, unser Mitgefühl, unsere Solidarität zu zeigen: Solidarität mit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika, und zwar Solidarität aller, die für Frieden und Freiheit einstehen, in Deutschland, in Europa, überall auf der Welt. 2.000 Menschen haben sich gestern Abend zu einer spontanen Beileidskundgebung und zu einem Gottesdienst im Berliner Dom versammelt.

Im Anschluss an diese Sitzung des Deutschen Bundestages wird ein ökumenischer Trauergottesdienst in der Sankt-Hedwigs-Kathedrale stattfinden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände haben dazu aufgerufen, am Donnerstag um zehn Uhr für fünf Minuten in der Arbeit innezuhalten. Die Bundesregierung wird diesem Aufruf für die Institutionen des Bundes folgen.

"Fest an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika"

Meine Damen und Herren, ich habe dem amerikanischen Präsidenten das tief empfundene Beileid des gesamten deutschen Volkes ausgesprochen. Ich habe ihm auch die uneingeschränkte – ich betone: die uneingeschränkte – Solidarität Deutschlands zugesichert.

Ich bin sicher, unser aller Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ihnen gilt unser Mitgefühl, unsere ganze Anteilnahme.

Ich möchte hier in Anwesenheit des neuen amerikanischen Botschafters Dan Coats noch einmal ausdrücklich versichern: Die Menschen in Deutschland stehen in dieser schweren Stunde fest an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika.

(Beifall im ganzen Hause)

Gerhard Schröder: Selbstverständlich bieten wir den Bürgern und Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika jede gewünschte Hilfe an, natürlich auch bei der Ermittlung und Verfolgung der Urheber und Drahtzieher dieser niederträchtigen Attentate.

Bei meinem Gespräch mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden am gestrigen Abend bestand völlige Einmütigkeit darüber, dass diese außergewöhnliche Situation das Zusammenstehen aller Demokraten erfordert.

Die gestrigen Anschläge in New York und Washington sind nicht nur ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika; sie sind eine Kriegserklärung gegen die gesamte zivilisierte Welt.

Diese Art von terroristischer Gewalt, das wahllose Auslöschen unschuldiger Menschenleben stellt die Grundregeln unserer Zivilisation infrage. Sie bedroht unmittelbar die Prinzipien menschlichen Zusammenlebens in Freiheit und Sicherheit, all das also, was in Generationen aufgebaut wurde.

Gemeinsam werden wir diese Werte - sei es in Amerika, sei es in Europa oder wo auch immer in der Welt - nicht zerstören lassen.

In Wirklichkeit - das zeigt sich immer mehr - sind wir bereits eine Welt. Deshalb sind die Anschläge in New York, dem Sitz der Vereinten Nationen, und in Washington gegen uns alle gerichtet.

Der gestrige terroristische Angriff hat uns noch einmal vor Augen geführt: Sicherheit ist in unserer Welt nicht teilbar. Sie ist nur zu erreichen, wenn wir noch enger für unsere Werte zusammenstehen und bei ihrer Durchsetzung zusammenarbeiten.

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