Krisenhorn von Afrika
Auseinandersetzungen zwischen Oromo und Somalis - Trump verdoppelte US-Militärpräsenz in Somalia - Eulenfalterraupen vernichten Maisernte
In Äthiopien tobt derzeit ein bewaffneter Konflikt, dessen Ursache so alt ist wie die Geschichte vom Ackerbauern Kain und vom Viehzüchter Abel: Bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Oromo-Bauern und Somali-Hirten starben nach Angaben der äthiopischen Regierung letzte Woche mindestens 20 Menschen. Die Stationierung zusätzlicher Soldaten der Zentralregierung konnte das Wiederaufflammen des bereits im September ausgebrochenen Konflikts nicht verhindern. Wegen der Kämpfe haben angeblich mehrere zehntausend Menschen das Konfliktgebiet verlassen.
Dem äthiopischen Informationsminister Negeri Lencho nach (der ein Oromo ist), wurden inzwischen insgesamt 103 Personen festgenommen. Davon stammen 98 aus der Region Oromia und fünf aus Äthiopisch-Somalia. Nach 24 weiteren Personen, die sich auf somalischer Seite am Konflikt beteiligt haben sollen, wird gefahndet.
Andere Oromo werfen der Regionalregierung von Äthiopisch-Somalia vor, nicht nur absichtlich zurückhaltend gegen somalische Gewalttäter vorzugehen, sondern sich über regionalstaatlich geförderte Paramilitärs sogar daran zu beteiligen. Von der Zentralregierung in Addis Abeba fordern sie, die Ergebnisse eines Referendums, bei dem sich 2004 80 Prozent von 420 umstrittenen Kebele-Gebietskörperschaften für die Zugehörigkeit zur Region Oromia entschieden, endlich umzusetzen.
Insektenplage
Verschärft wird der Konflikt zwischen Oromo-Bauern und Somali-Hirten durch eine Insektenplage, die sich von den Regionen Oromia, Gambella und SNNPR ausgehend nach Norden ausbreitet und große Teile der Maisernte vernichtet. Weil bereits ein Viertel der insgesamt zwei Millionen Hektar Maisanbaufläche von der Eulenfalterraupenplage befallen ist, sieht Abdoul Karim Bah, der stellvertretende Repräsentant der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO die Versorgungssicherheit gefährdet. Die drei Millionen US-Dollar, die die Regierung zur chemischen Schädlingsbekämpfung zur Verfügung stellte, reichten nämlich nur für weniger als ein Drittel der befallenen Felder. Finden die Schädlinge keine Maispflanzen mehr, weichen sie außerdem auf andere Nutzpflanzen aus - darunter Hirse, Weizen, Reis, Soja und Tomaten.
Dass die von Oromo und Somalis besiedelten Regionen zu Äthiopien gehören, liegt an der Geschichte des Landes. Es war - anders als andere afrikanische Staaten- nie europäische Kolonie. Dafür agierten die oft als Abessinier zusammengefassten eng verwandten Amharen und Tigray im 19. und frühen 20. Jahrhundert mit ihren Kaisern selbst als Kolonialmacht und unterwarfen weit über ihre Siedlungsgrenzen hinaus andere Völker. Kaiser Menelik II., der 1896 die Italiener besiegte, machte den anderen europäischen Kolonialmächten erfolgreich vor, er würde als Christ die Nachbarvölker zivilisieren, wenn man ihn dort herrschen lässt - obwohl dieses Unterfangen in der Praxis vor allem daraus bestand, dass diese Völker abessinische Garnisonen ernähren mussten.
Der Versuch des ehemaligen somalischen Staatsführers Siad Barre, seinem 1960 aus den britischen und den italienischen Somalilandkolonien zusammengefügten Staat 1977 den zwischen 1887 und 1910 von Abessinien eroberten und von somalischen Clans besiedelten Ogaden einzuverleiben, schlug militärisch fehl. Stattdessen scheiterte Somalia nach Barres Sturz 1991 als Staat - und 2006 und 2011 marschierten äthiopische Truppen in das Gebiet des zerfallenen Somalistaates ein, um dort die islamistische al-Shabaab in Schach zu halten (vgl. Zwischen Kat und Katjuschas).
Ein Clan und zwei Terrororganisationen
Das sollen auch die amerikanischen Truppen in Somalia, deren Anzahl US-Präsident Donald Trump innerhalb ein es knappen Jahres mehr als verdoppelte. Die über 500 US-Soldaten bilden Rekruten der Regierung in Mogadischu aus, nehmen aber auch direkt an Kampfhandlungen teil, wie das US-Afrikakommando Africom einräumt. Dabei scheinen sie sich den Zorn des Habar-Gidir-Clans zugezogen zu haben, der ihnen inzwischen (ebenso wie die Islamisten) feindlich gegenübersteht.
Unterstützt werden die Operationen durch Drohnenschläge, von denen es im laufenden Jahr bislang 28 gab - 15 davon in den letzten drei Monaten. Sie gelten nicht nur der al-Shabaab, sondern auch dem IS, der sich eine Basis in Puntland eingerichtet hat, die nach den Niederlagen der Terrororganisation in Libyen, Syrien und dem Irak an Bedeutung gewinnen könnte. Bislang macht die al-Shabaab allerdings noch mit deutlich mehr Terror in Somalia auf sich aufmerksam als der IS: Alleine im Oktober verübte sie in Mogadischu zwei große Anschläge, bei einem davon wurden 358 Menschen getötet und mindestens 400 weitere verletzt.