Kurze Geschichte der fünf Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrats

Seite 2: Großbritannien

Kurz nach Russlands Einmarsch in der Ukraine prangerte der britische Premierminister Boris Johnson den russischen Präsidenten an, weil er immer noch an eine "imperiale Eroberung" glaube. Doch wie Frankreich wurde auch Großbritannien oft beschuldigt, militärische Gewalt einzusetzen, um britische Interessen in seinem ehemaligen Reich zu fördern, einschließlich der dominanten Rolle britischer Banken und Finanzdienstleister und anderer Unternehmen über Jahrzehnte hinweg.

Als einzige europäische Kolonialmacht, die nicht von Nazi-Deutschland besiegt wurde, entsandte man britische Streitkräfte zur Sicherung Indochinas und Indonesiens, bevor französische und niederländische Streitkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren konnten. Doch schon bald konzentrierte sich London auf den Schutz seines eigenen Reiches und der entstehenden unabhängigen Staaten.

Britische Streitkräfte halfen von 1948 bis 1960 bei der Niederschlagung eines kommunistischen Aufstands in Malaysia, kämpften von 1952 bis 1960 im Kenia-Notstand und intervenierten in ehemaligen Kolonien in Afrika, im Nahen Osten, in der Karibik und auf pazifischen Inseln.

Außerdem drangen britische, französische und israelische Streitkräfte 1956 in Ägypten ein, nachdem die ägyptische Regierung den Suezkanal verstaatlicht hatte, bevor sie durch diplomatischen Druck der USA und der Sowjetunion zum Rückzug gezwungen wurden. In den nächsten Jahrzehnten wurden fast alle ehemaligen britischen Kolonien nach und nach in die Unabhängigkeit entlassen. Um 1980 hatte sich die Zahl der britischen Militärinterventionen im Ausland abgeschwächt.

Dennoch hat der Falklandkrieg von 1982 den Blick auf das Vereinigte Königreich als im Niedergang begriffene, imperiale Macht zum Teil geändert. Die erfolgreiche Verteidigung der kleinen, verletzlichen Bevölkerung der Falklandinseln gegen die argentinische Aggression stärkte die Wahrnehmung Großbritanniens als Verteidiger der Menschenrechte und Verfechter des Selbstbestimmungsrechts.

Ferner war Großbritanniens Konzentration auf die Seemacht "wichtig für das Selbstbild des Empire", da Seestärke oft als weniger bedrohlich wahrgenommen wird als Landarmeen. Prominente britische Politiker wie der ehemalige Premierminister David Cameron haben in ähnlicher Weise das Engagement Großbritanniens für den Schutz der Inseln vor dem argentinischen Kolonialismus bekräftigt.

In jüngerer Zeit hat das britische Militär im Jahr 2000 in den Bürgerkrieg in Sierra Leone eingegriffen und ist auch ein wichtiger Partner in den von den USA geführten Kriegen in Afghanistan 2001 und im Irak 2003 gewesen. Und neben den laufenden offiziellen Einsätzen waren britische Spezialeinheiten laut einem Bericht von Action Against Armed Violence von 2011 bis 2023 heimlich in elf Ländern aktiv.

Die noch vorhandene Präsenz der britischen Armee in Übersee hat es oft schwierig gemacht, die "neue und gleichberechtigte Partnerschaft" zwischen Großbritannien und den ehemaligen Kolonien zu begrüßen, für die sich der ehemalige britische Außenminister William Hague 2012 eingesetzt hat.

Die innenpolitische Wahrnehmung von Großbritanniens kolonialem Erbe entzweit die britische Politik und Gesellschaft weiterhin. Winston Churchill, der 2002 in einer BBC-Umfrage zu den 100 großartigsten Briten gewählt wurde, wurde "als Verteidiger eines bedrohten Landes/Volkes/einer bedrohten Kultur bezeichnet, nicht als Vertreter des Empire". Doch während der Anti-Rassismus-Proteste im Vereinigten Königreich im Jahr 2020 wurde eine Statue des ehemaligen Premierministers abgedeckt, um zu verhindern, dass sie von Demonstranten beschädigt wird.

In der Überzeugung, dass er eine Symbolfigur für die Grausamkeit des britischen Kolonialismus ist, zeigt die Verhüllung der Churchill-Statue die gegensätzlichen und sich wandelnden innenpolitischen Ansichten zum britischen Imperialismus.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit der Medienplattform Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Der zweite Teil des Artikels von John P. Ruehl mit den UN-Vetomächten Russland, USA und China erscheint morgen.

John P. Ruehl ist ein australisch-amerikanischer Journalist, der in Washington D.C. lebt. Er ist Redakteur bei Strategic Policy und schreibt für verschiedene andere außenpolitische Publikationen. Sein Buch "Budget Superpower: How Russia Challenges the West with an Economy Smaller than Texas'" wurde im Dezember 2022 veröffentlicht.