LNG-Terminal: Droht in Wilhelmshaven ein "schleichender Chemieunfall"?

Die Umwelthilfe wirft dem Ressort von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor, dem Lobbying der Gasindustrie nicht widerstanden zu haben. Foto: Sandro Halank / CC BY-SA 4.0

Flüssigerdgas wird als Teil der Lösung der Energiekrise verkauft. Das Bundeswirtschaftsministerium habe dafür ein Terminalschiff von der "Resterampe" gechartert, so die Deutsche Umwelthilfe. In Australien bekam es keine Betriebserlaubnis.

Eine sofortige Umweltverträglichkeitsprüfung für das LNG-Terminal Wilhelmshaven hat am Mittwoch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gefordert. Die Organisation wirft dem Bundeswirtschaftsministerium vor, für Wilhelmshaven ein Terminalschiff von der "Resterampe" der anderswo nicht genehmigungsfähigen LNG-Schiffe gechartert zu haben.

Im australischen Bundesstaat Victoria habe die "Höegh Esperanza" wegen "nicht akzeptabler Umweltfolgen" keine Betriebserlaubnis erhalten, erklärte am Mittwoch der DUH-Bereichsleiter für Energie und Klimaschutz, Constantin Zerger. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wäre eigentlich selbstverständlich, wäre da nicht das im Mai 2022 beschlossene LNG-Beschleunigungsgesetz, das großzügige Ausnahmen vorsieht.

Um Erdgas zu verflüssigen, wird es auf Minus 162 Grad heruntergekühlt. Schwimmende LNG-Terminalschiffe nutzen Seewasser, um es aufzuwärmen und somit wieder gasförmig zu machen. Damit die Anlagen nicht mit Algen, Muscheln oder Seepocken zuwachsen, wird das Seewasser mit Chlor als Biozid versetzt.

Das Zehnfache der Menge, die australische Behörden vertretbar fanden

Auf der "Esperanza" soll dies sogar in ungewöhnlich hoher Konzentration geschehen. In Australien wollte sie 0,1 Milligramm Biozid pro Liter nutzen – die dortigen Behörden argumentierten jedoch, andere Terminalschiffe würden nur ein Fünftel dieser Menge einleiten.

Darauf beruft sich nun die Deutsche Umwelthilfe, verweist aber zugleich darauf, dass der bald verstaatlichte Energiekonzern Uniper für den Einsatz der Esperanza in Wilhelmshaven mit 0,2 Milligramm sogar eine doppelt so hohe Biozid-Einleitung beantragt hat – also die zehnfache Menge dessen, was australische Behörden für vertretbar hielten.

"Gezieltes Lobbying der Gasindustrie"

Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven soll nach Angaben des niedersächsischen Energieministeriums am 23. Dezember in Betrieb genommen werden. Nach Einschätzung von Zerger droht dadurch ein "schleichender Chemieunfall".

Ermöglicht werde dergleichen durch "gezieltes Lobbying der Gasindustrie". Dem Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) und der Mehrheit im Bundestag wirft er vor, dabei mitgemacht zu haben. Sowohl die Ampel-Parteien als auch die Unionsfraktion hatten das LNG-Beschleunigungsgesetz durchgewinkt. Linksfraktion und AfD hatten sich enthalten.