Länder, wo Kanonen blühn
Seite 2: Europa: Alle wollen Frieden, alle rüsten sich für den Krieg
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In einer neuen außenpolitischen Doktrin, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag vorgestellt und dann auch gleich wie üblich per Dekret in Kraft gesetzt hat, bezeichnet seine Regierung die USA als größte Bedrohung für die Sicherheit ihres Landes.
In dem Dokument heißt es, die USA seien "Initiator, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik des kollektiven Westens". Zudem gehe von Washington "eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit Russlands, den internationalen Frieden und die ausgewogene, gerechte und nachhaltige Entwicklung der Menschheit" aus. Russland werde seine Politik nach dieser Analyse ausrichten.
China und Indien sind dem Papier zufolge strategische Partner Russlands. Moskau werde sich gegenüber anderen Ländern so positionieren, wie diese sich Russland gegenüber verhielten. Zudem müssten die "Grundlagen der Dominanz" der USA und anderer "unfreundlicher Staaten" beseitigt werden. Die Doktrin geht von einer "Russophobie" in westlichen Ländern aus. Europa wird aufgefordert, unabhängiger von den USA zu werden.
Russland sieht seinen eigenen Platz als kulturelles Zentrum einer "russischen Welt", die Moskau zumindest im postsowjetischen Raum wahren und durchsetzen will. Was das im Konkreten bedeutet, hatte Telepolis-Autor Roland Bathon diese Woche anhand der Debatte über Frauenrechte und Schwangerschaftsabbrüche analysiert hat.
Der andauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine kommt in der Doktrin nur indirekt vor. Hauptziel Moskaus sei es, die Nachbarstaaten im postsowjetischen Raum, in eine "Zone des Friedens, der guten Nachbarschaft, der nachhaltigen Entwicklung und des Wohlstands" zu machen.
Die Erneuerung der außenpolitischen Doktrin findet inmitten massiver Spannungen mit dem Westen angesichts der Invasion in der Ukraine statt. Putin sagte dazu, grundlegende Veränderungen in den internationalen Beziehungen hätten auch Moskau zu den Anpassungen seiner strategischen Planung gezwungen.
Russland geht damit – wie auch andere Staaten Osteuropas – auf Konfliktkurs. Überall verschärft sich der Ton und wird aufgerüstet. Und überall begründen die Verantwortlichen die mit einer wachsenden Bedrohung der Gegenseite – was im Fall Moskaus angesichts des laufenden Ukraine-Krieges zumindest im Westen entschieden zurückgewiesen wird.
Die Zeichen stehen auf Sturm. Polen etwa kann derzeit zwar nur 123.000 Soldaten mobilisieren. Bis 2035 aber soll die Armee 300.000 Mann stark sein. Dafür sorgen ein Aufrüstungsgesetz und ein beschleunigter Ausbildungsprozess ab diesem April. Zudem erhöht Warschau die ohnehin schon hohen Verteidigungsausgaben, mittelfristig sollen sie fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Das wäre Nato-Rekord.
Die Baltischen Staaten rüsten schon seit der Zuspitzung des Ukraine-Konfliktes 2014 und der Annexion der Krim massiv auf. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine führte Lettland vergangenes Jahr die Wehrpflicht wieder ein.
Vernünftig ist das alles nicht. Nicht nur Osteuropa und Russland verbrennen mit dieser Aufrüstungs- und Eskalationsspirale Gelder, die für die Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit fehlen werden: Entwicklung, Kooperation, Stopp des Klimawandels.
Beide Seiten weisen den anderen die Verantwortung zu. Russland könne sich aus der Ukraine zurückziehen, heißt es dann. Das ist richtig und wohlfeil zugleich, weil ein solcher Schritt – derzeit zumindest – nicht absehbar ist und das Hauptproblem nicht lösen wird: Die lange sträflich vernachlässigte Schaffung einer europäischen Friedensordnung. Nun droht an ihre Stelle eine vielleicht globale Kriegsunordnung zu treten.
Es ist Frühling über Europa und über seinen Schlachtfeldern. Es floriert die Rüstungsindustrie mit ihren Panzern und Granaten.
"Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn?", schrieb Johann Wolfgang von Goethe wohl 1782 vor seiner Italienreise.
"Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?", paraphrasierte ihn Erich Kästner 1928: "Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!"
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