"Langweilig, dreckig, gefährlich"

Nix mehr "Blut an euren Händen": Dafür hat Rheinmetall jetzt den "Mission Master". Foto: Angela Blattner / Rheinmetall Defence / CC-BY-SA-4.0

Rheinmetall will nicht mehr vom Auto abhängig sein: Der Konzern setzt verstärkt auf moderne Kriegswaffen, die Soldaten unangenehme Aufgaben abnehmen

Der Rüstungs- und Autozulieferkonzern Rheinmetall will in der Corona-Krise seine Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr senken. Dafür setzt er umso mehr auf bewaffnete Konflikte, den politischen Willen zur Aufrüstung und großzügige Exportrichtlinien. Im Rahmen der "strategischen Neuausrichtung", die der Konzern am Freitag ankündigte soll Rüstungs- beziehungsweise "Sicherheitstechnologie" im Jahr 2025 rund 70 Prozent zu seinem Gesamtumsatz beitragen. Im Jahr 2020 waren es etwa 63 Prozent.

Rheinmetall rühmt sich unter anderem als "weltbekannter Hersteller moderner unbemannter Fahrzeuge": Mit so einem "Mission Master" könnten "die Soldaten künstliche Intelligenz und 'Robotik-Muskeln' für die ungeliebten 3D-Aufträge (dull, dirty, dangerous - langweilig, dreckig, gefährlich) anwenden", schwärmte die Presseabteilung des Konzerns im November.

Mit einem Demonstrator von Rheinmetall und MBDA auf der Fregatte "Sachsen" will die Bundeswehr im Jahr 2022 Laserwaffen auf hoher See testen. Aber auch "altbewährte" Kriegswaffen bringt der Konzern in Umlauf. Leopard-2-Panzer von Krauss-Maffei Wegmann, wie sie die türkische Armee 2018 in der nordsyrischen Region Afrin einsetzte, waren von Rheinmetall mit 120-Millimeter-Glattrohrkanonen ausgestattet worden.

Im Zuge seiner Wachstumserwartungen hat der Konzern auch seine "mittelfristigen Finanzziele" aktualisiert: Nach Rheinmetall-Angaben soll der Umsatz von rund 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf rund 8,5 Milliarden im Jahr 2025 steigen.

Gut vernetzt mit Politik und Militär

Die Auftragsbücher sind jedenfalls voll - und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) legt sich dafür ins Zeug, dass dies für die Rüstungsindustrie so bleibt. Es gehe dabei schließlich auch um "nationale Industriepolitik" und in der Krise zu schützende Arbeitsplätze, sagte sie vor rund einem Monat der Deutschen Presseagentur.

Das Forschungsinstitut CODE an der Bundeswehr-Universität München hat zudem Rheinmetall mit einem Innovationspreis im Bereich Cyber Security bedacht. Auf das Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro dürfte der Konzern zwar kaum angewiesen sein, sich aber um so mehr über die guten Kontakte und die Möglichkeit freuen, "weitergehende Gespräche mit den Experten der Bundeswehr zu führen".

So ist es für Rheinmetall verschmerzbar, dass die ursprünglich für diesen Monat geplante 57. Münchner Sicherheitskonferenz wegen der Pandemie auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben werden musste. Rheinmetall gehört zu den Hauptsponsoren der alljährlichen Konferenz im Münchner Luxushotel Bayerischer Hof, die unter Friedensbewegten nicht nur als "Kriegstreibertreffen" verschrien ist, sondern auch als Geschäftsanbahnungstreffen gilt, bei dem Rüstungslobbyisten mit Spitzenpolitikern aus aller Welt Hinterzimmergespräche führen könnten. Für den Konferenzleiter und ehemaligen Spitzendiplomaten Wolfgang Ischinger kam es jedenfalls nicht in Frage, die Konferenz digital stattfinden zu lassen.

Corona schützt vor Störaktionen

Rheinmetall hingegen dürfte froh über die Gelegenheit sein, auch seine nächste Hauptversammlung im Mai digital stattfinden zu lassen, wie es rechtlich noch bis Ende 2021 möglich ist. Von der letzten Hauptversammlung im Mai 2020 hatte der Konzern sogar Journalisten ausgeschlossen. Ein Sprecher nannte dies damals einen "Sonderfall" und begründete es mit den besonderen sicherheitstechnischen Herausforderungen und dem relativ kurzfristigen Wechsel von der Präsenz- zur Online-Veranstaltung.

Im Mai 2019 hatte es bei der Rheinmetall-Hauptversammlung im Berliner Maritim-Hotel eine Protestaktion auf der Bühne gegeben, nachdem bereits in den Warteschlangen kritische Aktionärinnen und Aktionäre Diskussionen angeregt hatten. Für einige Minuten hatten dann rund 30 Personen die Bühne besetzt und Parolen wie "Rheinmetall zu Altmetall" und "Blut, Blut, Blut an euren Händen" gerufen, bis sie von der Polizei aus dem Saal getragen worden waren. Dergleichen bleibt dem Rheinmetall-Vorstand unter Armin Papperger und den weniger kritischen Aktionären durch die Corona-Pandemie und entsprechende Eindämmungsmaßnahmen erspart.

Im Zuge der Kampagne "Rheinmetall entwaffnen" werfen dem Konzern mehrere Organisationen vor, Kriegsverbrechen zu ermöglichen und dafür "Schlupflöcher" zu nutzen, die ihm die Politik lässt. So hatte die italienische Rheinmetall-Tochterfirma RWM Italia Bomben an Saudi-Arabien geliefert, als für rein deutsche Produkte bereits ein Exportstopp dorthin galt, weil das Königreich Krieg gegen den Jemen führt. Als die Firma nach einer Strafanzeige des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zunehmend unter Druck geriet, wurden im Juli 2019 die Lieferungen eingestellt.

Für das Vorgehen des Nato-Partners Türkei, der bei der sogenannten "Operation Olivenzweig" in Afrin deutsche Panzer einsetzte, erkannten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in einem Gutachten von 2018 keine völkerrechtliche Legitimation. "Einen überzeugenden Beweis dafür, dass sich die allgemeine Bedrohungssituation an der syrisch-türkischen Grenze zu einer konkreten Selbstverteidigungslage verdichtet hat, hat die Türkei nicht angetreten", heißt es darin. Die schwer um Arbeitsplätze in Rüstungsfirmen besorgte deutsche Wehrministerin denkt aber gar nicht daran, wegen solcher Lappalien die Zusammenarbeit mit der Türkei einzustellen, sondern bezeichnete sie erst vergangene Woche als "wichtigen Partner".

Vor diesem Hintergrund ist die "strategische Neuausrichtung" von Rheinmetall keine gute Nachricht für Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft des Planeten machen - auch wenn der klimaschädliche zivile Verbrennungsmotor offensichtlich an Bedeutung verliert.