"Letzte Generation": Kopfschütteln in Berlin, Paukenschlag in Hannover

Die "Letzte Generation" will nerven, weil sich etwas ändern muss. Manchmal, aber nicht immer, schießt sie dabei Eigentore. Foto: Letzte Generation

In der Bundeshauptstadt stößt eine Baumfällung der Klima-Initiative auf breites Unverständnis. In Hannover verhandelt sie mit dem Oberbürgermeister – und verzichtet derweil auf Blockaden.

In Berlin hat die "Letzte Generation" am Dienstagmorgen mit einer Baumfällung vor dem Bundeskanzleramt für Kopfschütteln gesorgt. "Wirtschaft & Politik sägen an den Ästen, auf denen die Zivilisation sitzt. Wir machen diese Zerstörung mitten in Berlin sichtbar", hatte die Gruppe ihre Aktion via Twitter erklärt.

Dass dann in einer Pressemitteilung auch noch ausführlich erklärt wurde, wie wichtig Bäume im Grunde doch sind und wie viele Hektar Wald der desaströsen Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltpolitik schon zum Opfer fielen – mit dem Subtext, dass es auf einen Baum, dessen toter Stumpf nun als "Mahnmal" dienen soll, nicht ankäme – machte die Performance kaum besser vermittelbar.

Wälder sind einer der wichtigsten Teile unserer menschlichen Lebensgrundlagen, doch die Ampel-Regierung treibt ihre Zerstörung weiter voran. Ob durch die direkte Rodung für neue Autobahnen und Kiesgruben oder durch weitere Zuspitzung der Klimakatastrophe und die damit verbundenen immer größeren Waldbrände und um sich greifendes Waldsterben.

Unterstützer:innen der Letzten Generation vor den Kipppunkten haben heute diese Zerstörung ans Licht gezerrt und dort hingebracht, wo sie für alle sichtbar wird: Vor das Bundeskanzleramt in Berlin.


Aus der Pressemitteilung der "Letzten Generation"

"Dass die 'Letzte Generation' dem Klimaschutz schadet statt nutzt: geschenkt", kommentierte die Springer-Zeitung Die Welt. "Doch dass die Radikalen nun einen Baum fällen, um gegen Rodungen zu protestieren, hat eine neue Qualität: Es ist ein Akt der Verzweiflung über die eigene Bedeutungslosigkeit."

"Ein konstruktives und ergebnisorientiertes Gespräch"

Verzweiflung ist da angesichts des engen Zeitfensters für wirksame Klimaschutzmaßnahmen sicher im Spiel. Aber als völlig bedeutungslos kann die "Letzte Generation" nicht bezeichnet werden – in Hannover beispielsweise hat sie es geschafft, dass die Stadtoberen mit ihr verhandeln. Nach Gesprächen mit Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) fänden nun in der niedersächsischen Landeshauptstadt für 48 Stunden keine Straßenblockaden und sonstigen Proteste der Gruppe statt, teilte deren Presseteam am Dienstagabend mit.

Onay selbst schrieb dazu auf seiner Facebook-Seite: "Es war ein konstruktives und ergebnisorientiertes Gespräch, mit dem gemeinsamen Ziel für mehr Klimaschutz". Die aktuellen Maßnahmen würden nicht ausreichen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. "Deshalb prüfe ich, in welcher Form die Landeshauptstadt Hannover die Forderungen nach einem Gesellschaftsrat für Klimafragen im Bund unterstützen kann."

Er habe aber in diesem Zusammenhang auch deutlich gemacht, "dass es neben diesen konstruktiven Gesprächen wenig Raum für die Protestformen gibt, die nicht von allen Menschen dieser Stadt unterstützt werden", schrieb der Grünen-Politiker am Dienstag. Bis zum morgigen Donnerstag wollen die Stadtoberen eine Stellungnahme zu den Zielen der Gruppe abgeben.

Hannover könnte somit bundesweit die erste Stadt werden, die öffentlich die Ziele der "Letzten Generation" unterstützt, freute sich deren Presseteam am Dienstagabend. Die Gruppe hatte dazu alle Städte der Bundesrepublik aufgerufen und das Angebot gemacht, bei Unterstützung die Proteste in der jeweiligen Stadt dauerhaft auszusetzen.

"Durch nichts legitimierter Alleingang"

Auch in Hannover gibt es jedoch heftigen Gegenwind: Die CDU kritisiert Onays Vorgehen als "unverantwortlich" und wirft ihm vor, eine Gruppe zu "hofieren", die Straften begehe. Die wäre "ein durch nichts legitimierter Alleingang des grünen Oberbürgermeisters und eine Politik gegen die übergroße Mehrheit der hannoverschen Bevölkerung", erklärte Maximilian Oppelt von der CDU Hannover.

Zwar müssten die Anstrengungen für mehr Klimaschutz weiter intensiviert werden, räumte auch er ein, aber Demokratie in Hannover benötige keine Ersatzgremien wie die von der "Letzten Generation" geforderten Klimaräte.

Für die Grünen, die sich in Bundes- und Landesregierungen sehr weit von ihrer umweltbewussten Stammwählerschaft entfernt haben – seit der Räumung von Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier ist auch vermehrt von "Verrat" die Rede –, sind allerdings Lokalpolitiker wie Onay so etwas wie eine letzte Ehrenrettung.

Die "Letzte Generation", der die CDU Missachtung demokratischer Gremien vorwirft, beruft sich bei Altionen des zivilen Ungehorsams auf das Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts, das im März 2021 gemäß Artikel 20a des Grundgesetzes effektivere Klimaschutzmaßnahmen angemahnt hatte.

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