Lützerath: Schwarz-Grün will räumen lassen

Mahnwache von "Alle Dörfer bleiben" vor dem vom Abriss bedrohten Lützerath. Bild: Leonhard Lenz / Public Domain

Energie und Klima – kompakt: Die Grünen verabschieden sich mehr und mehr von Klimaschutz. Sie planen im Januar gemeinsam mit der CDU, den Weg für RWE im Braunkohle-Tagebau Garzweiler II freizumachen. Ein schmutziger Deal mit Folgen.

In Nordrheinwestfalen scheint die dortige schwarz-grüne Landesregierung fest entschlossen, noch in diesem Winter Lützerath zu räumen. Die kleine, zur Stadt Erkelenz gehörende Siedlung ist dem rheinländischen Tagebau Garzweiler II im Wege und ist inzwischen zu einem Protestdorf aus Zelten, Baumhäusern und besetzten Wohngebäuden geworden.

Einige Wohnungen waren vom letzten Bauern des Dorfes vermietet worden, der nach jahrelangen Prozessen, wie berichtet, dem Druck RWEs nachgegeben und verkauft hatte, um einer Enteignung zuvorzukommen.

Nun bereitet die Düsseldorfer Landesregierung die Räumung vor und hat schon mal mit der propagandistischen Vorbereitung begonnen. Von der zuständigen Polizei in Aachen – Erkelenz liegt im Dreieck zwischen Aachen, Mönchengladbach und Köln – heißt es die Räumung werde für Januar vorbereitet. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte letzte Woche im Landtag an, es sollen bei einem "umfassenden Einsatz" alle Klimaschützer "entfernt", alle Häuser abgerissen und alle Bäume gefällt werden.

Reul war bereits im Spätsommer 2018 für einen der bis dahin größten Polizeieinsätze des Landes für die Räumung des Hambacher Forst verantwortlich gewesen. Der steht am gleichnamigen Tagebau Hambach, ein paar Dutzend Kilometer südlich von Lützerath, und war seinerzeit zum Fanal der Klimaschutzbewegung geworden. Die wochenlange Räumung, bei der ein Mensch zu Tode kam, hatte sich im Nachhinein als illegal erwiesen, ohne dass dies für den Innenminister oder seinen damaligen Chef Amin Laschet (CDU) Konsequenzen gehabt hätte.

In den Dörfern um die Tagebaue im Rheinland sowie in Ostdeutschland und auch in der Klimabewegung hatten viele gehofft, eine Regierungsbeteiligung der Grünen würde die Auseinandersetzung um die Kohle endlich beenden. Doch über Lützerath blieb das Damokles-Schwert auch nach dem Einzug der Grünen in die Düsseldorfer und Berliner Regierungen hängen und in den ersten Herbstwochen fielen schließlich die Würfel: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seine ebenfalls grüne Amtskollegin Mona Neubaur aus Nordrhein-Westfalen handelten, wie berichtet, mit RWE unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen Deal aus, wonach der Konzern seinen Tagebau ausweiten und Lützerath zerstören darf.

Umso schlimmer für die Pariser Klimaübereinkunft

Begründet wird das übrigens hauptsächlich damit, dass Abraum zur Sicherung der Böschungen des Tagebaus benötigt wird. Nur unter ferner liefen und sehr unkonkret wird von Brennstoffbedarf geredet, der nötig sei, um die Gasverstromung zu vermindern.

Unerwähnt bleibt dabei, dass die hochflexiblen Gaskraftwerke vor allem schnell einsetzbare Lückenbüßer sind, wenn zum Beispiel im Tagesverlauf die Stromnachfrage steigt, aber wenig Windstrom vorhanden ist und auch die Sonne noch nicht genug liefert. Oder am Abend, wenn der Solarstrom zurückgeht, der Bedarf hingegen hoch ist. Braunkohlekraftwerke sind im Gegensatz dazu sehr träge und bedienen eher die Grundlast.

Dessen ungeachtet wird RWE es sich sicherlich nicht entgehen lassen, die mit massiven Polizeieinsätzen zugänglich gemachte Braunkohle abzubaggern und zu verbrennen, denn mit der lässt sich aufgrund des hohen Gaspreises und des unsäglichen Merit-Order-Prinzips der Strombörse derzeit hervorragend Geld verdienen. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass alle Stromlieferanten für einen bestimmten Nachfrageblock den gleichen Preis bekommen, der sich am teuersten Anbieter – zurzeit meist ein Gaskraftwerk – orientiert.

Mit dem Verbrennen der Lützerather Braunkohle macht Deutschland allerdings klar, dass man in Berlin, Düsseldorf und in der RWE-Zentrale nicht gedenkt, sich an die Pariser Klimaübereinkunft halten zu wollen. Gingen nämlich alle Staaten so vor, würden sie genauso rücksichtslos Kohle und andere fossile Energieträger verbrennen, dann wäre die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf keinen Fall zu schaffen und vermutlich nicht mal auf "deutlich unter zwei Grad Celsius". Beides war 2015 in Paris verabredet worden und ist eigentlich geltendes Völkerrecht.

Unterdessen weist die Anwohnerinitiative "Alle Dörfer bleiben" in einer Pressemitteilung darauf hin, dass die Rechtsgrundlage für einen Polizeieinsatz wieder einmal fraglich sein könnte. Der Hauptbetriebsplan, der die rechtliche Grundlage für den Abbau der Kohle unter Lützerath wäre, würde zum Ende des Jahres auslaufen. Damit habe Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur, die wie gesagt ein grünes Parteibuch besitzt, zumindest die Möglichkeit, ein Moratorium zu verhängen, ohne dass RWE dadurch Regressansprüche entstünden.

Doch die dafür notwendige Konfliktbereitschaft scheint den Grünen inzwischen – nach Beteiligung an Angriffskriegen, Aufrüstungsprogrammen, Autobahnbau durch den Dannenröder Wald, Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und LNG-Terminals für Frackinggas aus den USA – völlig abhandengekommen zu sein. Also steht der Republik wohl nach drei Dürrejahren, einem fast ausgetrocknetem Po und dem katastrophalen Juli-Hochwasser 2021 im Rheinland der nächste Polizeigroßeinsatz gegen die Klimaschutzbewegung bevor.

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