Wie entsteht der Strompreis in Deutschland?

Strom kommt inzwischen nicht mehr einfach so aus der Steckdose. Steigende Preise werden zum Ärgernis. Aber kaum jemand weiß, wie der Strompreis entsteht.

Strom hat im Gegensatz zu anderen Handelsgütern keine sichtbare Form und keine Farbe. Er ist nur verfügbar oder nicht. Und mit der Liberalisierung des Strommarktes bekam er unterschiedliche Preise und es wurden ihm unterschiedliche Ursprünge, beispielsweise als Ökostrom, zugewiesen.

Im Gegensatz zum Gas, bei dem man mithilfe der sogenannten Netzatmung einen Puffer zwischen Einspeisung und Entnahme auf Kundenseite nutzen kann, gibt es beim Stromnetz diese Möglichkeit nur in sehr viel geringerem Umfang.

Ziemlich bald nach Beginn der leitungsgebundenen Elektrizitätsversorgung hat man sich in Deutschland auf eine Frequenz von 50 Hertz verständigt. Der Richtwert von 50 Hz in Europa wird dem AEG-Gründer Emil Rathenau zugeschrieben.

In den USA haben sich 60 Hz durchgesetzt. In Japan hat man bis heute als Kriegsfolge je nach Landesteil die eine oder die andere Frequenz. Eine Anpassung der Frequenzen wäre noch aufwändiger als ein einheitlicher Netzstecker.

Die Frequenz erhielt ihre Bedeutung mit der Einführung der Wechselspannung. Bei ihr, daher der Name, verändert sich die Polarität regelmäßig. Die Frequenz ist das Maß für die Häufigkeit der Polaritätswechsel. Die jeweils aktuelle Frequenz in einem Stromnetz gibt auch Auskunft über das Verhältnis von Stromerzeugung und Stromverbrauch.

Ist die Frequenz zu niedrig, fehlt Strom im Netz. Steigt die Frequenz an, befindet sich mehr Strom im Netz als benötigt. Will man Netzfrequenz bei 50 Hz stabil halten, benötigt man einen Angebot-Nachfrage-Mechanismus sowie ein funktionierendes Regelenergiesystem.

Diese Regelenergie, auch als Regelleistung bezeichnet, gleicht als Reserve Schwankungen in der Stromnetzfrequenz aus. Beim Einsatz von Regelenergie kann sowohl Strom in das Netz eingespeist (positive Regelenergie) werden, wofür man Kraftwerke oder Speicher benötigt, als auch Strom durch Drosselung der Einspeisung gezielt aus dem Netz entnommen (negative Regelenergie) werden.

Während die Drosselung der Einspeisung durch Abschalten von Einspeisern relativ schnell durchgeführt werden kann, bieten sich für eine zusätzliche Einspeisung derzeit Pumpspeicherkraftwerke und in erster Linie jedoch Gas- oder Diesel-Kraftwerke an, die schnell hochgefahren werden können.

Der Merit-Order-Effekt

Mit Merit-Order bezeichnet man in der Elektrizitätswirtschaft die Reihenfolge der in einem Stromhandelsmarkt verfügbaren Kraftwerksleistungen nach Grenzkosten. Das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten, das noch benötigt wird, um die Nachfrage zu decken, bestimmt den Marktpreis. Somit werden auch die Erlöse aller Anbieter festgelegt, die günstigere Gestehungskosten haben.

Kraftwerke, die fortlaufend sehr preisgünstig Strom produzieren, werden gemäß der Merit-Order als Erstes zur Einspeisung zugeschaltet. Danach werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten hinzugenommen, bis die Nachfrage gedeckt ist.

Die gestiegenen Gaspreise sorgten nun dafür, dass die aufgrund ihrer guten Regelbarkeit üblicherweise zur Spitzenlastabdeckung eingesetzten Gaskraftwerke jetzt unmittelbar auf den Strompreis durchschlagen.

Die zum Shell-Konzern zählenden Next-Kraftwerke beschreiben den Merrit-Order-Effekt wie folgt:

Bei der Merit-Order handelt es sich um ein mögliches Beschreibungsmodell eines funktionierenden Strommarkts. Die Annahme hinter diesem Modell ist, dass Kraftwerksbetreiber immer ihre Kosten für die nächste produzierte Megawattstunde decken wollen, sonst würden sie diese nicht produzieren.

Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten können also einen niedrigeren Preis für ihren Strom bieten und werden damit öfter bezuschlagt als Kraftwerke mit höheren Grenzkosten. Die Merit-Order versucht also zu erklären, wie die Preisbildung auf dem Strommarkt funktioniert; sie ist kein "Gesetz", das den Kraftwerkseinsatz koordiniert.

Next-Kraftwerke

Welche Möglichkeiten einer Strompreisdämpfung bestehen?

Die Politik könnte bei den Gaskraftwerken insofern preissenkend einwirken, indem der Gaspreis für die Gaskraftwerke gedeckelt wird. Übersteigt der Gaspreis diese Marke, müssten die zusätzlichen Kosten für den Gaseinsatz entweder vom Steuerzahler übernommen werden oder auf die anderen Gaskunden umgelegt werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre kontrollierter Lastabwurf. Es gibt in diesem Zusammenhang auch Modelle, in denen große Stromverbraucher den Verzicht auf einen Leistungsbezug im Bedarfsfall auch verkaufen können. Damit sparen sie nicht nur die Kosten des vermiedenen Strombezugs ein, sondern sie werden darüber hinaus bezahlt, sodass sie mit einer Produktionseinstellung, wenn Strom knapp ist, mehr Geld verdienen können als mit ihrer normalen Produktion.

Diese Modelle bieten sich jedoch nur für Prozesse an, die zwar energieintensiv ablaufen, aber wenig Arbeitskräfte beschäftigen.