Blackout-Angst sorgt für Panik in der Schweiz

Ein Notkraftwerk auf einem Parkplatz eines Firmengeländes in Birr soll Stromlücken überbrücken - unter Umgehung von Umweltgesetzen. Es gibt erste Proteste.

Die Schweiz hat ein Energieproblem. Der Betrieb der alpinen Wasserkraftwerke wirft kaum noch Gewinn ab, in andere Energiequellen wurde zu wenig investiert, Lieferungen aus französischen Atomkraftwerken sind unsicher und Deutschland kann seine Gaskraftwerke möglicherweise aus politischen Gründen nicht mehr aktivieren.

Diese wenig erfreuliche Gemengelage lässt die Gefahr eines technischen Blackouts in der Schweiz kaum noch verdrängen. Ein auf vier Betriebsjahre ausgelegtes, mit Gas oder Diesel betriebenes 250 Megawatt-Notkraftwerk in Birr im Kanton Aargau soll jetzt auf die Schnelle die Rettung bringen und die Stromversorgung sicherstellen, wenn die eigenen Kraftwerke zu wenig produzieren und aus den Nachbarländern keine Rettung mehr kommt.

Die in Containerbauweise errichtete Anlage mit einer Gesamtleistung von 25 Prozent des KKW Leibstadt am Hochrhein lässt die Schweizer Bundesregierung von der General Electric Gas Power auf einem Parkplatz ihres Firmengeländes in Birr im Kanton Aargau errichten. Die Anlage soll aushelfen, falls im Winter 2023/2023 der Strom knapp wird. Sie besteht aus acht Turbinen, die von Flugzeugturbinen abgeleitet sind und die etwa 470 Millionen Franken kosten.

Für den Bau wurden die üblichen Genehmigungsprozesse ausgehebelt. Der Bundesrat hat gestützt auf das Gesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung sehr schnell entschieden, dass die Anlage gebaut wird.

Dass das nationale Notkraftwerk ausgerechnet im Kanton Aargau errichtet werden soll, hat damit zu tun, dass hier die Einbindung ins nationale Stromnetz einfacher zu sein scheint als in anderen Kantonen, erfolgt doch ein Drittel der Schweizer Stromerzeugung in diesem Kanton.

Auch aus logistischer Sicht hinsichtlich der Brennstoffversorgung scheint der Standort in Birr für den Bau einer Notversorgung gut geeignet, wie der Kanton mitteilt:

"Der Standort Birr verfügt dank der Platzverhältnisse, den ausreichenden Anbindungen an Gas-, Strom- und Schienennetze sowie lösungsorientierten Stakeholdern über ideale Voraussetzungen für ein thermisches Kraftwerk."

Besser schmutziger Strom als gar keiner

Weil alles so hurtig entschieden wurde, sind viele Fragen bislang noch ungeklärt. Wenn alle acht Aggregate vom Typ GE TM2500 laufen, sollen sie zusammen etwa 1.600 Tonnen Diesel pro Tag verbrauchen, wie inzwischen von den Behörden bestätigt wurde.

Ende September gab es weder zu den Lärmemissionen, noch zum CO2-Ausstoß oder anderen Schadstoffen belastbare Aussagen. Einsprüche gegen den Bau sind möglich, haben jedoch keine aufschiebende Wirkung und so wurde mit der Rodung störender Bäume schon begonnen.

Proteste

Dass die Anlage in der Nähe eines Wohnquartiers und einer Schule errichtet werden soll, sorgt bei den Anliegern für wenig Begeisterung. Zwar sollen für die Betriebszeit Anlage Kompensionsmaßnahmen greifen, die jedoch die Luftverschmutzung und den Lärm vor Ort nicht reduzieren. Am vergangenen Wochenende kam es zu ersten Protestkundgebungen mit dem Motto "Stoppt den Birr-Sinn".

Bei der zu erwartenden Lärmentwicklung meldete die Aargauer Zeitung inzwischen, es sei gerüchteweise zu hören, dass die Lärmbelastung beim Betrieb des Kraftwerks bei 74 Dezibel liege, was einem vorbeifahrenden Zug entspreche.

Die Gemeinde Birr hofft zumindest finanziell für die Beeinträchtigung ihrer Einwohner entschädigt zu werden. Während der Kanton dem Bau des Notkraftwerks grundsätzlich zustimmt, verlangt man aufgrund der Rückmeldungen aus der Bevölkerung einen anderen Standort.

Der Kanton hofft, dass seine Bereitschaft, das Notkraftwerk schnell zu realisieren, vom Bund damit honoriert wird, dass spätestens nach Ablauf des befristeten Vertrages für Birr im Jahre 2026 eine reguläre Gasturbine mit 300 bis 400 Megawatt Leistung als Reservekraftwerk mit Multi-Fuel Modus (Öl, Gas, erneuerbare Treibstoffe) für 15 bis 20 Jahre im Kanton einsatzbereit sein wird.

Offensichtlich setzt die Schweiz weiterhin auf wenige zentrale Großkraftwerke.