MDR unter Kritik: Qualitätsjournalismus weniger wichtig als Florian Silbereisen?

Geld und ein Formular für den Rundfunkbeitrag

Bild: Camilo Concha / Shutterstock.com

Offener Brief von Mitarbeitern: Sparpläne bedrohen investigativen Journalismus. MDR bügelt Kritik glatt. Mit welcher Vision?

"Wir sparen", heißt das große Signal, das der MDR ausgibt. Das ist eine Antwort auf die große Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern, wonach diese doch in Deutschland reichlich Geld zur Verfügung haben und doch besser mit den Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag umgehen könnten.

Gutes Budget, aber wofür?

Laut Berechnungen des Instituts für Medienpolitik (IfM) stehen den ARD-Anstalten im Jahr 2023 gemäß der Haushaltspläne voraussichtlich 7,250 Milliarden Euro und dem ZDF 2,501 Milliarden zur Verfügung. Warum also eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags, fragen sich nicht wenige.

Die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender sei zu regierungsnah, nicht unabhängig genug. Sie traue sich zu wenig oder gar nicht, sich mit Konträrem auseinanderzusetzen, das sich nicht einem moralisch verengten politik-pädagogischen Rahmen fügt, lautet der andere Strang der Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Wieso für einen "Staatsfunk" bezahlen, der für die Führungsetage und Stars reichliche Honorare ausbezahlt, aber nicht die Hintergrundberichte bringt, die die Gebührenzahler erwarten?

Sparmaßnahmen treffen politische Beiträge

Die Sender stehen unter Druck und müssen Antworten geben. Damit tun sie sich schwer, wie das Beispiel MDR zeigt. Dort will man 160 Millionen Euro bis 2028 einsparen, 40 Millionen jährlich - bei einem Budget, das die von KEF vorgeschlagene Beitragserhöhung einrechnet.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind alarmiert. In der aktuellen Diskussion um die Sparpläne des MDR steht insbesondere die Abteilung "Politische Magazine und Reportagen" im Zentrum. Wie aus der Mitarbeiterpräsentation hervorgeht, über die Süddeutschen Zeitung kürzlich berichtete, könnten die Sparmaßnahmen dazu führen, dass das Politikmagazin "Exakt" von 44 auf 21 Sendeplätze gekürzt wird. Dies würde den Wegfall von rund 70 Beiträgen zur Folge haben.

Ein gestern veröffentlichter offener Brief von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Unterstützern bekräftigt aktuell diese Befürchtung.

Die Redaktion "Politische Magazine und Reportagen" ist massiv von den geplanten Einsparungen innerhalb des MDR-Programms betroffen. Das regionale Politikmagazin "exakt" soll von 44 auf 21 Sendeplätze gekürzt werden. Das wäre eine Reduzierung um mehr als die Hälfte.

Damit würden ab Januar 2025 jährlich rund 70 acht- bis zehnminütige Beiträge wegfallen, die relevante regionale Themen und Ereignisse abbilden und analysieren.

Offener Brief zu Kürzungen beim MDR

Wer meint, das sei nicht so wichtig, wird auf bisherige Hintergrundarbeiten der Redaktion "Politische Magazine und Reportagen" hingewiesen:

Unsere Recherchen haben V-Leute im Umfeld des NSU aufgedeckt und damit zur Aufklärung des NSU-Skandals beigetragen. Wir haben unbekannte Hintergründe zum Fall Lina E. öffentlich gemacht. Wir haben über die Strategien und Köpfe der rechtsextremen "Freie Sachsen" berichtet. Unsere Autorinnen und Autoren haben mutmaßliche Straftaten im MVZ Kopfzentrum Leipzig aufgedeckt, worauf ein Ermittlungsverfahren folgte.

Bei uns bekamen Menschen aus Colditz den Raum darüber zu berichten, dass sie sich wegen krimineller Rechtsextremisten im Ort nicht mehr sicher fühlen. Ebenso dokumentieren wir regelmäßig die soziale Situation von Menschen und fragen nach den strukturellen Ursachen.

In zahlreichen Beiträgen thematisieren wir die Lebenssituation von pflegenden Angehörigen, von Menschen in Obdachlosigkeit, von Menschen, die sich mit Sozialhilfe oder Niedriglohnjobs durch die Inflation kämpfen, von Kindern in Armut und von Betroffenen von häuslicher Gewalt.

Unsere Beiträge gehen über die reine Beschreibung der Situation hinaus. Wir analysieren, hinterfragen, haken bei zuständigen Behörden nach und konfrontieren verantwortliche Politikerinnen und Politiker.

Offener Brief zu Kürzungen beim MDR

Jetzt habe man die Sorge, dass die journalistische Qualität ausgedünnt werde, wenn es bei dem Einschnitt bleibe, dass wichtige Kollegen gehen und der Nachwuchs fernbleibt:

"Wir erleben, dass junge Autorinnen und Autoren angesichts der Kürzungspläne ihre journalistische Zukunft nun nicht mehr beim MDR sehen."

Was der Intendant meint und das offizielle Statement des MDR

MDR-Intendant Ralf Ludwig erklärte in einem ausführlichen Gespräch mit Flurfunk erst pauschal: "Wenn sie so eine Sparagenda auf den Weg bringen, (...), dann gibt es viele Perspektiven, natürlich auch kritische Meinungen".

Dann führt er etwas umständlich aus, dass man "im Nachgang" eine "Feinjustierung" vorgenommen habe. Diese klingt glatt und clean und soll vor allem beruhigen: Es gebe sogar mehr für Investigatives.

Und so hat es jetzt im Bereich der Investigation stattgefunden, indem es einen vom Bereich selbst vorgeschlagenen Einsparbeitrag gibt – und dabei belassen wir es dann auch. Und gemäß dieser Feinjustierung stärken wir die Investigation im Digitalen: die Redaktion plant, die Schlagzahl unseres jungen Investigativformats "exactly" von 14-täglich auf wöchentlich zu erhöhen.

Im Gegenzug wird das klassische Fernsehmagazin "exakt" statt wöchentlich künftig 14-täglich ausgestrahlt. Und mit einem möchte ich hier aufräumen: Der MDR kürzt nicht in einem Wahljahr in der Investigation, das ist nicht korrekt und ging immer an der Realität vorbei.

Ralf Ludwig, Flurfunk

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den konkreten Arbeitsbetrieb und die Pläne kennen, sind von letzterer Behauptung nicht überzeugt, wie aus dem offenen Brief hervorgeht.

Die MDR-Geschäftsleitung hat hingegen entschieden, in diesem journalistischen Bereich erheblich zu kürzen. Die Redaktion "Politische Magazine und Reportagen" ist massiv von den geplanten Einsparungen innerhalb des MDR-Programms betroffen.

Offener Brief zu Kürzungen beim MDR

Der MDR reagierte darauf mit dem Hinweis, dass sich investigativer Journalismus nicht auf die Redaktion "Politische Magazine und Reportagen" beschränke.

Über die Informations-Angebote der Redaktion Politische Magazine und Reportagen (Programmdirektion Leipzig) hinaus gibt es weitere investigative Recherchen und Angebote aus anderen Bereichen des MDR (…)

Laut dem offiziellen Statement gab es auch aus der Redaktion Vorschläge, die für die Umkehrung plädieren: Das TV-Magazin "exakt" soll nur mehr 14-tägig erscheinen und das digitale Investigativ-Format "exactly" künftig wöchentlich, um mehr junge Nutzer zu erreichen.

Es bleibt die Kritik aus Reihen der Mitarbeiter, dass dies auf eine Kürzung von Hintergrundbeiträgen hinauslaufe.

Vision wird vermisst

Generell wird eine Vision mit einem größeren Horizont vermisst. Die Einsparungen, die jetzt für Diskussionen sorgen, würden nur einen Bruchteil des Budgets ausmachen, eine Viertelmillion im Jahr, sind aber politisch relevant. Und es zeige sich einmal mehr, dass die Einsparungen von oben auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem wichtigen journalistischen Segment "durchgedrückt" werden.

Die SZ merkte zum "großen Knall" beim MDR Anfang Mai an, dass anderes bereits entschieden sei.

Florian Silbereisen macht in diesem Jahr vom MDR aus fünf weitere große Shows für das Erste, "der MDR hat mit Zustimmung des Rundfunkrats für 2024 einen einjährigen Vertrag abgeschlossen", so der Sender. Business Insider berichtete, es gehe um 10,6 Millionen Euro, was der MDR nicht kommentieren möchte.

SZ

Die Frage lautet, und das ist in dieser Gemengelage nicht nur ein MDR-Problem, mit welchen Kräften man den eigenen Journalismus verteidigt.