Macron: Bilanz "negativ für die Ärmsten, positiv für die Reichsten"

Archivfoto: Emmanuel Macron, Mai 2017/kremlin.ru/ CC BY 4.0

Die Steuer- und Wirtschaftspolitik des französischen Präsidenten bestätigt Vorurteile, stellt ein Institut fest, das 1981 von der damaligen Regierung gegründet wurde

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Das Etikett "Präsident der Reichen" wird dem derzeitigen Bewohner des Elysée-Palastes Emanuel Macron nicht zu Unrecht angeheftet, rechnet ihm ein französisches Wirtschaftsinstitut vor. Dessen Analyse der Steuer- und Sozialpolitik der letzten drei Jahre zeichnet das Bild einer Umverteilung von unten nach oben: "Die Bilanz ist sehr negativ für die Ärmsten und sehr positiv für die Reichsten."

Auf durchschnittliche Euro-Beträge für die unterschiedlichen Einkommensschichten gerechnet wird dies so veranschaulicht: In der Summe von drei Jahren haben die reichsten 5 Prozent im Durchschnitt 2.950 Euro mehr an Einkommen angehäuft, während die ärmsten 5 Prozent 240 Euro verloren haben.

Damit betrage die Kluft zugunsten der Wohlhabenden mehr als 3.000 Euro, wozu im Übrigen noch komme, dass die 0,1 Prozent der Superreichen, die mit ihrem Vermögen an den Finanzmärkten aktiv sind, die ganz großen Gewinner sind. So werde das Ausmaß der Anti-Umverteilungspolitik dieser Regierung ersichtlich, kommentiert das linksliberale Medium Médiapart.

Solche auf Anschaulichkeit gerechnete Durchschnittszahlen wecken immer auch Misstrauen und raten Distanz an. Zumal das Institut - mit vollem Namen Observatoire français des conjonctures économiques (OFCE), buchstäblich mit "französische Beobachtungsstelle der wirtschaftlichen Konjunkturen" übersetzt - zwar als unabhängig ausgewiesen wird und 1981 von einem Ministerpräsidenten ins Leben gerufen wurde, aber als "linksstehend " gilt, weswegen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Macron-Präsidentschaft sicher nicht wohlmeinend beäugt werden.

Allerdings werden neben diesen plakativen Zahlen auch andere genannt und dazu Maßnahmen wie das Abschaffen der Vermögensteuer, Steuerkürzungen, die den besser situierten Mittelstand begünstigen, Kürzungen durch den Stopp der Anpassungen von Sozialleistungen an Preiserhöhungen sowie die Last der Mehrwertsteuer, die vor allem die Haushalten mit spärlichem Einkommen treffen, die das generelle Resumée plausibel erscheinen lassen.

Während den Reicheren durch den Verzicht auf Erhebung der Vermögenssteuer und günstigere steuerliche Behandlung der Unternehmen mehr "finanzieller Spielraum" gegönnt wurde, sparte der Staat am anderen Ende, so gut es geht: exemplarisch bei den Sozialleistungen für diejenigen, die politisch gar keine Lobby haben.

Im laufenden Jahr würde sich die Tendenz bestätigen. Trotz der Maßnahmen, die Macron zur Erhöhung der Kaufkraft getroffen hat, um die Gelbwesten-Proteste Ende 2018 zu beschwichtigen, zeige sich ein fortgesetzter Effekt. Die Ärmsten verlieren, die Mitte (classes moyennes) gewinnt hinzu, die Reichen konnten durch die ersten kräftigen Maßnahmen unter Macron - auch hier wird der Abschaffung der Vermögenssteuer auf Finanzguthaben eine prominente Rolle zugewiesen - kumulieren: Gewinne anhäufen.

Von den 20 Prozent der ärmsten Haushalte heißt es, dass sie "mehr Verlierer zählen als Gewinner". Darunter fallen Haushalte, die weniger als 1.320 Euro im Monat und "pro Konsumeinheit" einnehmen. "Für sie fällt die Bilanz negativ aus" (Médiapart). Bei den 5 ärmsten Prozent, die weniger als 820 Euro im Monat und "pro Konsumeinheit" zur Verfügung haben, würden 79 Prozent zu denen gehören, deren niveau de vie sich verschlechtert hat.

Eine Pointe gibt dies noch obendrauf: Wäre Macron im Dezember 2018 durch die Gelbwesten nicht dazu gezwungen worden, finanzielle Show-Maßnahmen - von Kritikern mit guten Gründen als "Mogelpackung" bezeichnet - zu ergreifen, wäre alles nur noch schlimmer, auch was das Wirtschaftswachstum betrifft. Das lebt, so zumindest suggeriert es die Studie des OFCE, zu einem Teil noch von den Maßnahmen des Macron-Vorgängers Hollande, die die Kaufkraft der finanziell nicht privilegierten Schichten verbessern sollten.

Wogegen das wirtschaftspolitische Kalkül Macrons, wonach die Reicheren bei weniger steuerlicher Belastung ihr Geld derart in die Unternehmen stecken, dass die französische Wirtschaft auflebt, bisher noch keine deutlich zählbaren Ergebnisse zeige. Irgendwie geht das Geld andere Wege.