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Marios eigenes Holi Festival der Farben

Die Mischung aus Karte, Farbe und gutem Timing bestimmt die Stärke der Angriffe

Paper Mario Color Splash

Eigentlich wollte Mario Urlaub machen, aber wie so oft kam es anders: Die schöne Insel Prisma ist Opfer eines Überfalls von Farbräubern geworden. Der zentrale Farbbrunnen ist leer, die sechs großen Farbsterne in alle Richtungen verstreut und überall stören weiße Flecken das bunte Geschehen.

Die Einleitung von Paper Mario Color Splash [1] weckt Erinnerungen an andere Nintendo-Spiele wie "Mario Sunshine" (vgl. Zur Sonne, zur Freizeit [2]), in dem der quirlige Klempner eine Insel von schwarzen Flecken befreien muss. Spätestens nachdem Mario sich mit Farbian anfreundet, einem Farbeimer, der ihm die Fähigkeit verleiht mit kräftigen Hammerschlägen, die weißen Flecken wieder einzufärben, zeigt Paper Mario Parallelen zum Farb-Shooter "Splatoon". Ähnlich dazu hat das Team aus Mario und Farbian einen Tank, der einen begrenzten Vorrat der Grundfarben Rot, Gelb und Blau enthält. Beim Einfärben weißer Flächen leert sich der Tank. Nach Kämpfen und durch Hammerschläge auf diverse Gegenstände füllt er sich wieder auf.

Mario muss die weißen Flächen mit kräftigen Hammerschlägen einfärben.

Spielerisch bleibt der Papierheld der Kombination aus Rollenspiel und Jump-and-Run der Paper-Mario-Serie weitgehend treu, die Nintendo zusammen mit dem Entwicklerstudio Intelligent Systems vor sechzehn Jahren auf dem N64 gestartet hat. Dabei erweitern die Macher das Grundkonzept um Elemente aus Sammelkartenspielen.

Zum Befreien der Insel muss der Spieler zahlreiche Gebiete erkunden, einige Rätsel lösen und unzählige Kämpfe bestehen. Nach dem Verlassen der Stadt trifft Mario auf die ersten traditionellen Widersacher wie Gumbas und Koopas. Beim Zusammenstoß kommt es zum Kampf.

Aus der Hand auf den Bildschirm

In der dafür geöffneten Arena führt das richtige Ausspielen der Karten zum Sieg - und das im wörtlichen Sinne: Ähnlich wie in "Paper Mario: Sticker Star" sammelt der Spieler Karten, die jeweils für eine Attacke stehen. Das Ausspielen erfolgt aus der Hand und zwar über den Tablet Controller der Wii U. Damit blättert der Spieler durch sein Deck. Da die Farbräuber viele Karten in Schwarzweiß hinterlassen haben, sollte der Spieler sie vor dem Einsatz einfärben, damit sie ihre volle Kraft entfalten. Das geht wiederum zu Lasten des Farbtanks.

Das Tablet zeigt das Kartendeck. Eine Wischbewegung schnippt die Karten ins Geschehen.

Anfangs darf Mario nur eine Karte einsetzen, aber im Verlauf der Geschichte erhält er weitere Slots, mit denen er mehrere Angriffe in einem Zug kombinieren kann.

Anschließend wirft er die Karten mit einer Wischbewegung vom Tablet ins Spiel. Dort führt Mario den passenden Angriff aus: Für einen Schuh springt er auf den Gegner, und er greift zum Hammer, wenn die Karte das Werkzeug zeigt. Außerdem gibt es die aus Mario Games bekannten Gegenstände wie Feuerblume oder heilende Pilze. Auch die Gegner gibt es in Spielkartenform: Das Ausspielen der sogenannten Schergenkarten schickt beispielsweise einen Koopa auf die Kontrahenten.

Wie in den anderen Titeln der Serie spielt beim Angriff und der Verteidigung die Geschicklichkeit eine wesentliche Rolle. Das richtige Timing verstärkt Hammerschläge sowie Sprünge und blockt gegnerische Attacken, damit sie weniger bis keinen Schaden verursachen.

Nach erfolgreichen Kämpfen gibt es zwar keine Erfahrungspunkte, aber kleine Hammersymbole. Hat Mario genug davon gesammelt, steigt die Kapazität des Farbtanks. Da mächtigere Spielkarten oft viel Farbe erfordern, bestimmt die Füllmenge in dicht von Gegnern besiedelten Gebieten oder in Bosskämpfen Marios Schlagfertigkeit. Nach dem Einsammeln großer Sterne steigt zudem Marios maximale Lebensenergie.

"Paper Mario: Color Splash" hat keine durchgängige Welt, sondern verwendet eine große Karte, von der aus der Klempner einzelne Zonen betritt. Dort findet er einen oder mehrere Farbsterne, die wiederum neue Zonen öffnen. Bevor Mario einen der sechs großen Sterne einsammeln kann, muss er jeweils einen Bossgegner besiegen. Dazu benötigt er besondere Karten, die ihm helfen den ansonsten unbesiegbaren Gegner zu bezwingen. Diese sogenannten "Dings"-Karten quetscht Mario aus unterschiedlichen Gegenständen wie einer Zitrone oder einem Feuerlöscher.

"Dings"-Karten lösen starke Attacken aus.

Trotz offensichtlicher Parallelen zu "Paper Mario: Sticker Star", vermeidet Color Splash dessen größte Fehler, die das 3DS-Spiel recht unübersichtlich gemacht hatten. Fehlende Karten kann der Spieler leicht ersetzen. Auch einmal gefundene, aber im falschen Moment eingesetzte "Dings"-Karten kann Mario problemlos nachkaufen. Außerdem helfen einige Toads dem Spieler auf Ansprache mit kleinen Tipps, wenn er nicht mehr weiter weiß. Allerdings sollten engagierte Gamer die Hinweise spärlich nutzen. Sonst reduzieren sie den Rätselfaktor, welche Karte Blockaden öffnet oder gegen den aktuellen Boss hilft.

Kartendeck statt RPG-Taktik

Trotz der Verbesserungen verringert das Spielkartensystem ebenso wie bei "Sticker Star" den aus anderen "Paper-Mario"- und "Mario & Luigi"-Games gewohnten Rollenspielanteil. Viele Gebiete haben zahlreiche Gegner, die einen bestimmten Kartentyp erfordern. Normale Sprünge auf stachelige Gegner schaden nur dem Helden, sodass die entsprechenden Karten für diese Kämpfe nutzlos sind. Fliegende Kontrahenten weichen dagegen Hammerschlägen gekonnt aus. Schließlich gibt es gestapelte Gegner, die aus fünf oder zehn Einzelgegner bestehen. Gegen solche Stacks helfen nur Serienangriffe, während starke Einzelattacken jeweils nur einen Gegner aus dem Stapel beseitigen.

So kann es trotz der großzügigen Obergrenze von 99 Karten passieren, dass gegen Ender einer Zone eine bestimmte Kartensorte ausgeht. Das vermittelt dem Spieler das Gefühl, dass Zusammenstellen des perfekten Decks wichtig ist, als die Auswahl der passenden Attacken für die jeweiligen Gegner. Wer Sammelkartenspiele liebt, wird diesen Aspekt vermutlich sogar schätzen, aber klassische Rollenspieler werden in ihrem Repertoire eingeschränkt. Immerhin darf der Spieler während des Kampfs zufällig ausgewählte Karten nachkaufen und so sein Repertoire ergänzen.

Einen schönen Dreh bringt ein wichtiges, aber gekonnt spärlich eingesetztes Rätselelement: An einigen Stellen muss der Spieler Teile des Hintergrunds ausschneiden und damit verborgene Wege öffnen. Manche Landschaften bieten zudem verborgene Platzhalter für Spielkarten. Schneidet der Spieler diese Stellen aus und setzt das passende "Dings" dort ein, hilft er beispielsweise einem Segelschiff gegen die Flaute oder aktiviert einen erloschenen Leuchtturm.

Seine wahre Stärke zeigt "Paper Mario: Color Splash" im Lauf der Zeit: Es ist der bisher vielseitigste Titel der Serie. Viele Zonen brechen das typische Spielprinzip auf. So muss Mario beispielsweise in einem verlassenen Hotel Geister-Toads zu einer gemütlichen Teerunde verhelfen, indem er erkennt, was sie zu erledigen haben, bevor sie ihren Frieden finden. An einer anderen Stelle deutet der Spieler die Logbucheinträge eines Kapitäns, um ein Schiff zu einer Schatzinsel zu steuern.

Gelegentlich muss der Klempner etwas geraderücken.

Das Inselreich bietet einen Wechsel zwischen der normalen und einer Geisterwelt, bei denen sich Änderungen in der einen auch auf die anderen auswirkt, aber unterschiedliche Hindernisse das Vorankommen nur in einer Welt erlaubt. So muss Mario beispielsweise in der Geisterwelt einen Eingang freilegen, um in der normalen weiterzukommen. Dort kann er dann eine Brücke bauen, die er auch in der Geisterwelt überqueren kann.

Auch eine Hommage an das klassische Jump-and-Run fehlt nicht: Mario springt in ein altes Videospielset an einem Röhrenfernseher, dessen Welt an die 8-bit-Zeiten erinnert. Hier darf Mario gegen und über Blöcke springen und trifft pixelige Gumbas und Koopas. Gleichzeitig belebt die Passage ein spielerisches Element aus dem Wii-Titel "Super Paper Mario" wieder: Durch Knopfdruck wechselt die Perspektive in eine 3D-Ansicht, die versteckte Objekte, Eingänge und Wege zeigt.

Viel Abwechslung, wenig Rollenspiel

Unter dem Strich ist "Paper Mario Sticker Star" der bisher abwechslungsreichste Titel der Serie. Es bietet angenehm dosierte Rätsel und wunderschöne Settings. Die Einbindung des Tablets ist ebenfalls gelungen. Das erneute Besuchen der meisten Zonen ist wie bei Nintendo-Spielen gewohnt optional und vor allem etwas für diejenigen, die auch den letzten weißen Flecken einfärben wollen. Außerdem gibt es ein virtuelles Museum, das Kartenspenden mit einer Bildergalerie belohnt und vollständig eingefärbte Gebiete mit einer stetig wachsenden Musikauswahl.

Beim erneuten Besuch der frühen Zonen besiegt Mario schwache Gegner durch einmalige Sprünge oder Hammerschläge ohne Kampfarena.

Leider trübt der Sammelkartenaspekt das klare Rollenspielvergnügen. Zum einen fehlen manchmal die perfekten Karten, sodass der Spieler sich behelfen muss. Zum anderen gibt es gegen Ende viele mächtige Angriffe für wenig Spielgeld zu kaufen, und Boni wie die Schnick-Schnack-Schnuck-Arenen sind ein steter Quell neuer Münzen.

Trotz der kleinen Abstriche macht das Spiel durchweg Spaß und schafft es bis zum Schluss, immer wieder mit neuen Ideen zu überraschen. Kurz nach der Ankündigung der kommenden Nintendo-Konsole rechtfertigt es kaum den Kauf einer Wii U, aber wer sie bereits im Wohnzimmer hat, findet in "Paper Mario Sticker Star" ein umfangreiches, abwechslungsreiches und vor allem schönes Spiel - und eins der letzten Highlights für die Wii U.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.nintendo.de/Spiele/Wii-U/Paper-Mario-Color-Splash-1090845.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Zur-Sonne-zur-Freizeit-3426978.html