Medien im Nahost-Krieg: Ein Präsident, den man nicht (aner-)kennt

Seite 2: Die Machtverhältnisse und Medienrealität

Hier wird, gleichsam in der Nuss-Schale oder eben im Brennglas einer vermeintlich unscheinbaren Formulierung wie "Palästinenserpräsident", auch deutlich, dass es einerseits um bisher etablierte Machtverhältnisse samt entsprechender Medienrealitäten geht (alle wichtigen "westlichen" Länder einschließlich Israels anerkennen bisher nicht die Existenz eines Staates Palästina), und dass andererseits diese Machtverhältnisse global in relativ starkem Wandel begriffen scheinen.

Der "Globale Süden" wirkt selbstbewusster, und das bisherige Bündnis des "globalen Nordens" scheint angesichts weltweiter Umwälzungen brüchiger: In der UN-Vollversammlung stimmten vor einigen Tagen mehr als zwei Drittel der Staaten-Vertreter per Resolution für eine sofortige humanitäre Waffenruhe im Gazastreifen.

Darunter viele Gesandte aus Ländern, die Palästina bereits als Staat anerkannt haben. Aber darunter auch Regierungen etablierter "westlicher" Länder wie Frankreich und Spanien. Andere Regierungen wie die deutsche, die britische und die italienische hatten sich enthalten. Einige wenige, insgesamt 14 Regierungen stimmten dagegen, darunter neben manchen sehr kleinen Pazifik-Staaten sowie Paraguay die Regierungen der USA und Israels sowie jene der vier EU-Staaten Österreich, Ungarn, Kroatien und Tschechien.

Was kann uns das Ganze lehren?

Es scheint angesichts globaler Krisen und Umbrüche sowie angesichts von Tiefstwerten, was das geschwundene Vertrauen vor allem junger Menschen gegenüber etablierten Medien betrifft, journalistisch mehr denn je angemessen, weil professionell, gerade in Nachrichten über Kriegsgeschehen besonders sachlich zu formulieren.

Sich stärker als bisher der eigenen sowie der redaktionellen Position samt der damit verbundenen Interessen und Beschränkungen bewusst zu werden. Nicht zuletzt dafür sollten Redaktionen nützlich sein – eben nicht als Sprachrohre organisierter Interessen, sondern als Organe gesellschaftlich-offener, auch selbstkritischer Kommunikation.

Denn sonst wäre Journalismus kaum etwas anderes als das, was Karl Kraus (1874 bis 1936) schon 1924, vor beinahe 100 Jahren, aphoristisch kritisierte: ein "Terminhandel", bei dem "das Getreide", also der eigene Stoff, der besondere Kern selbst als Idee nicht vorhanden sei, aber dennoch "effektives Stroh gedroschen" werde.