Informatik oder Ideologie? Streit um Medienbildung an Schulen entbrannt

Symbolbild: Bunte Informationsflut

Einen Computer bedienen können und Informationsflut kompetent verarbeiten, sind zwei verschiedene Dinge. Symbolbild: Gerd Altmann / Pixabay Licence

Medienbildung und Informatik an Schulen sorgen für Kontroversen. Lehrerverbände fordern Trennung der Fächer. Was steckt hinter Streit um digitale Kompetenzen?

Informatikunterricht an Schulen dient zur Vermittlung von Grundlagenwissen über Computer und elektronische Datenverarbeitung sowie dem Erlernen des praktischen Umgangs mit Informationstechnik, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist.

Der Verband der Informatiklehrerinnen und -lehrer (ILLBW) und der Philologenverband begrüßen daher, dass Informatik im Bundesland Baden-Württemberg nun durchgehend unterrichtet werden soll, berichtete am Wochenende das Portal News4Teachers.

Informatik als eigene Fachwissenschaft

Die Verbände kritisierten allerdings, dass dies erst ab der siebten statt ab der fünften Klasse geschehen soll. Darüber hinaus lehnen sie die Vermischung des Fachs Informatik mit Medienbildung, die das Urteilsvermögen über Inhalte stärken soll, ab:

"Informatik ist eine eigenständige Fachwissenschaft und sollte deshalb als eigenständiges Fach wie Chemie, Physik usw. unterrichtet werden. Informatik behandelt die technischen Grundlagen und Funktionsweisen digitaler Systeme; Medienbildung hingegen befasst sich als Querschnittsaufgabe mit der verantwortungsvollen Nutzung dieser Systeme."

Die baden-württembergische Landesregierung plant bislang die Einführung des Fachs "Medienbildung / Informatik" in den Jahrgangsstufen sieben bis elf – in Klasse fünf und sechs soll der "Basiskurs Medienbildung" erhalten bleiben.

Medienkompetenz: Fakten, Fake News, Meinungen

In diesem Bereich geht es um inhaltliche Medienkompetenz und häufig auch um Ideologien –beziehungsweise das Erkennen ideologisch gefärbter Berichte und "Fake News" – sowie um die Abgrenzung zwischen Meinungen und Fakten.

Daraus kann sich viel Diskussionsbedarf ergeben, wenn Jugendliche oder deren Eltern den etablierten Medien kritisch gegenüber stehen oder mit deren Angebot wenig anfangen können.

Viertel der Deutschen sieht sich medial nicht repräsentiert

Etwa ein Viertel der Menschen in Deutschland fühlt sich in der Medienlandschaft nicht repräsentiert. Dies zeigten im Frühjahr die neuesten Daten und Zahlen einer Langzeitstudie des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Demnach stimmten insgesamt 25 Prozent der befragten Erwachsenen "voll und ganz" beziehungsweise "eher" der Aussage zu, dass die Themen, die einem selbst wichtig seien, in den Medien "gar nicht ernst" genommen würden. 29 Prozent antworteten auf die Aussage mit "teils teils".

Berüchtigt, aber bei Jugendlichen beliebt: TikTok

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt unterdessen vor der bei Kindern und Jugendlichen beliebten Plattform TikTok:

Auf TikTok sind Ansichten der AfD und demokratiegefährdende Meinungen überproportional vertreten. Aber auch YouTube, Instagram, Facebook, Podcasts und andere soziale Medien sind kein unbedingt sicherer Raum für Kinder und Jugendliche. Lehrkräfte brauchen daher Unterstützung im Umgang mit Medienbildung und gezielte Fortbildungen, um Kinder und Jugendliche diesen Einflüssen nicht ungeschützt zu überlassen.

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, Februar 2024

Medienbildung ist daher ein klares Politikum. Hier stellt sich auch die Frage, wie Lehrkräfte linke Medien einordnen, die Kritik an den "Leitmedien" nicht Rechten überlassen wollen.

Informatiklehrerin: Später Start würde Mädchen benachteiligen

ILLBW und Philologenverband fürchten angesichts dieses weiten Feldes, dass grundlegendes IT-Wissen bei der Vermischung beider Fächer zu kurz kommen könnte. Sie fordern stattdessen, durchgehend ab Klasse fünf bis elf explizit Informatik unterrichten – dabei sollten auch nur Informatik-Fachlehrkräfte eingesetzt werden.

Die "Leitperspektive Medienbildung" solle darüber hinaus als Querschnittsaufgabe von allen Fächern umgesetzt werden, so die Verbände.

Der Informatikunterricht müsse schon in der fünften Klasse beginnen, um rechtzeitig informatische Grundlagen zu vermitteln. "Ein späterer Start benachteiligt insbesondere Mädchen, deren Interesse ab der Pubertät erfahrungsgemäß nachzulassen beginnt, weil sie das Fach als 'Jungenfach' wahrnehmen", warnt Leonore Dietrich, Sprecherin des Informatiklehrkräfteverbands ILLBW laut News4Teachers.

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