Mehr einsatzbereite Atomwaffen
Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges steigt die Anzahl an aktiven Atomsprengköpfen. Sipri-Forscher warnen vor Trendwende
Das renommierte Friedensforschungsinstitut Sipri aus Stockholm hat in seinem Jahresbericht 2021 eine Zunahme an einsatzbereiten atomaren Sprengköpfen konstatiert - zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges.
Es gibt weltweit neun Staaten, die Atombomben besitzen: die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Israel, Indien, China, Pakistan und Nord-Korea. Insgesamt, so schätzen die Stockholmer Forscher, gab es zu Beginn dieses Jahres 13.080 atomare Sprengköpfe – und damit etwa 320 weniger als Anfang 2020.
Die meisten dieser Sprengköpfe sind indes nicht direkt einsatzbereit, sondern inaktiv und eingelagert. Einige sollen demontiert und unschädlich gemacht werden.
Knapp 90 Prozent aller weltweiten nuklearen Sprengköpfe gehören Russland und den USA. US-Amerikaner und Russen hielten sich laut Sipri im Wesentlichen an den im Abrüstungsvertrag New Start aus dem Jahr 2010. Darin war jedoch keine Obergrenze der erlaubten aktiven Sprengköpfe pro Land definiert worden.
Die einsatzbereiten Atombomben werden von Sipri auf 3.825 geschätzt und damit auf etwa einhundert mehr als im vergangenen Jahr. Einsatzbereit bedeutet, dass die Sprengköpfe auf Raketen montiert oder als Bomben an Flugzeuge gehängt werden können. Die meisten dieser atomaren Sprengkörper besitzen die USA (1.800), gefolgt von Russland (1.625), Frankreich (280) und Großbritannien (120). Die anderen Atommächte haben ihre Bomben nicht permanent einsatzbereit oder es liegen hierzu keine seriösen Informationen vor.
Nato-Mächte haben hunderte Nuklearsprengköpfe mehr als Russland
Etwa zweitausend der einsatzbereiten Nuklearsprengköpfe - die meisten davon aus den USA und Russland - werden mit höchster Alarmstufe (state of high operational alert) bereitgehalten. Bemerkenswert ist: Die drei Nato-Staaten USA, Großbritannien und Frankreich verfügen zusammen über knapp 600 einsatzbereite Atomwaffen mehr als Russland.
Das Sipri-Institut konstatiert, dass alle Atommächte ihre Waffenarsenale mittlerweile modernisieren oder dies in Zukunft vorhätten. Ziel sei es, flexiblere und kleinere Sprengköpfe zu entwickeln, die man auch mithilfe von künstlicher Intelligenz steuern könne. Russland habe, so Sipri, im vergangenen Jahr zwar alte Sprengköpfe vernichtet, aber seine Gesamtzahl an Bomben dennoch auch erhöht. Die britische Regierung hatte erst kürzlich angekündigt, die absolute Anzahl ihrer Atomwaffen ebenfalls zu erhöhen.
Den Auftakt für eine umfassende Modernisierung von Atomwaffen haben die USA im Jahr 2014 unter dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama gemacht. Als Begründung dafür diente unter anderem die der Anschluss der bis dahin zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim an Russland. Von Kiew und der Nato wird dieser Vorgang als Annexion eingestuft.
Beschlossen wurde damals ein lang angelegtes Modernisierungsprogramm, das bis zu einer Billion US-Dollar kosten könnte.
Nur USA haben jemals Atombomben abgeworfen
Atomwaffen sind Abschreckungswaffen - in zweierlei Hinsicht: Zum einen gilt, dass wer eine Bombe besitzt, nicht so einfach angegriffen werden kann und auch Regime-Change-Operationen nicht ohne weiteres durchgeführt werden können.
Beides sind Gründe, warum Staaten wie Pakistan und Nord-Korea die Massenvernichtungswaffe für die eigenen Arsenale entwickelt haben und warum der Iran dies in der Vergangenheit mindestens versucht hat. Zum anderen sollen die Atomwaffen und ihre Modernisierung auch direkt abschrecken – als Drohung.
Der einzige Staat, der Atombomben weltweit jemals direkt gegen Menschen eingesetzt hat, waren die USA, als sie im Sommer 1945 die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben zerstörten. Bei den Einsätzen wurden damals hunderttausende Menschen getötet, mehrheitlich Zivilisten.
Zahlreiche Historiker gehen davon aus, dass der Abwurf dieser Bomben für den Sieg im Zweiten Weltkrieg gegen Japan nicht mehr notwendig war. Es ging vermutlich eher darum, die Sowjetunion als neuen Gegner im beginnenden Kalten Krieg zu warnen und einzuschüchtern.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.