Die US-Legende über Hiroshima und Nagasaki
Wie Präsident Trumans Selbstrechtfertigungen die Geschichtsschreibung ersetzen
Am 6. und 9. August 1945 explodierten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Von toten Zivilisten war in den ersten Pressemeldungen überhaupt nicht die Rede. Mehr als 330.000 Menschen starben wegen der ersten beiden Einsätze einer neuen "Wunderwaffe". Die Wahrheit über diese Ereignisse und über die Leiden, die sie gebracht haben, durfte nicht in das Gedächtnis der Menschheit gelangen. Überlebenswichtige Lernprozesse für die Zivilisation blieben aus. Die Legende verkündet noch sechzig Jahre später, US-Präsident Truman habe mit seinem Befehl unzählige Menschenleben gerettet. Die Ungereimtheiten der Staatsversion sind offenkundig.
Nur achtzehn Stunden nach dem Abwurf von "Little Boy" über Hiroshima zeigte sich Harry S. Truman fähig, in einer Presseerklärung am 6. August 1945 Pläne für eine Kommission zur zivilen Nutzung der Kernenergie zu unterbreiten. Bis zu seinem Tode hat er wiederholt geäußert, seinen Befehl zum Einsatz der ersten Atombomben nicht zu bereuen.
Die Fernsehproduktion Truman (USA 1995) des Senders HBO nähert sich seiner nach dem Krieg zurechtgelegten Erinnerungsversion - und vermutlich auch seinem Selbstbild - in einer sehr genehmen Weise: Der bescheidene Präsident Harry S. Truman stammt aus einfachen Verhältnissen und betet als Politiker wie der biblische König Salomon um Weisheit. Sein Berater meint mit Blick auf die neue Waffe der USA, etwaige moralische Grenzen seien durch 100.000 Brandopfer in Tokio längst überschritten. Wir hören immerhin, dass einige beteiligte Wissenschaftler des Manhattan-Projekts wünschen, es würde nie zu einem Einsatz der Atombombe kommen. Im Nebensatz klingt sogar die Möglichkeit an, Japan lediglich durch eine Vorwarnung - durch eine demonstrative bzw. dokumentierte Explosion auf einem Testgelände - zum Einlenken zu zwingen. Doch all das erweist sich im Filmstatement von Präsident Truman als unsinnig:
Wenn wir die Bombe nicht werfen, werden noch viel mehr unserer jungen Männer bei der vorgesehenen Invasion in Japan sterben, Japaner auch und deren Frauen und Kinder. Wie könnte ich vor die Menschen treten, wenn das alles vorüber ist, und ihnen sagen, dass ich die Macht hatte, das alles zu beenden, dass ich die Chance hatte, ihr Leben und das ihrer Angehörigen zu retten, und dass ich diese Chance einfach nicht genutzt habe? Wie könnte ich in ihre Gesichter sehen und ihnen das sagen?
Geschickt umgeht es das Drehbuch, nach der ersten Zündung auch das zweite Ziel Nagasaki deutlich zu benennen. Der Filmschnitt geht nach wenigen Gräuelbildern aus der verstrahlten Todeszone direkt zum Friedensschluss in Japan über. Irgendeine glaubwürdige Gewissenskrise von Truman wird nicht gezeigt.
Die Schulbuch-Version
In etwa ist damit der offiziöse Narrativ der US-Gesellschaft wiedergegeben, der sich ab 1945 etablierte und nur von einigen Außenseitern als eine von oben verordnete Beruhigung durchschaut wurde. Die meisten Schulkinder in den Vereinigten Staaten lernen: Nur die Atombomben konnten Japan zur Kapitulation zwingen und den Zweiten Weltkrieg unter Schonung vieler Menschenleben beenden.
Beim Vergleich der "Texte" kommt sehr schnell der Verdacht auf, dass es sich bei dieser Version um Hofgeschichtsschreibung handelt, die einfach den frühen Selbstrechtfertigungen Trumans folgt und diese nachträglich mit historischen Argumentationen anreichert. Immerhin lassen sich zu diesem Zweck auch japanische Stimmen zitieren, etwa die von Hisatsune Sakomizu, der 1945 Generalsekretär des japanischen Kabinetts gewesen war:
Die Atombombe war für Japan ein Geschenk des Himmels, um den Krieg zu beenden.
Für eine eigenständige Einschätzung des Komplexes, so könnte man einwenden, ist ein gründliches Fachstudium erforderlich, das nur von einigen Historikern geleistet wird. Immerhin handelt es sich aber um nicht weniger als den Einstieg ins Atomzeitalter. Deshalb muss auch von lediglich referierenden Autoren verlangt werden, dass sie die wichtigsten Unterschlagungen, sprachlichen Auffälligkeiten, Widersprüche und offenen Fragen der Bulletin-Variante benennen, zumindest all das, was Truman und seine Berater beim Blick in den Spiegel kaum haben leugnen können.
Angeblich galt der Einsatzbefehl nur militärischen Zielen
In seinem Potsdamer Tagebuch betont Truman bezogen auf den geplanten Atombombenabwurf über Japan:
Wir haben die schrecklichste Waffe in der Menschengeschichte entwickelt. [...] Diese Waffe wird gegen Japan eingesetzt werden [...], so dass militärische Objekte, Soldaten und Seeleute die Ziele sind, jedoch nicht Frauen und Kinder. Auch wenn die Japaner Wilde sind - rücksichtslos, gnadenlos und fanatisch -, so dürfen wir als Führer der Welt für die gemeinsame Wohlfahrt diese schreckliche Bombe weder auf die alte noch auf die neue Hauptstadt abwerfen.
Im Ruhestand schrieb er erneut:
Als ich meine diesbezüglichen Weisungen erteilte, machte ich es zur Bedingung, dass die Bombe als Kriegsmittel im Rahmen der Landkriegsordnung einzusetzen sei.
Mit Blick auf die industrielle Bedeutung Hiroshimas sowie Schiffswerften und Rüstungsproduktion in Nagasaki könnte diese Version zunächst als stimmig erscheinen. Beim Blick auf die realen Opfer der Atombomben, die fast ausschließlich Zivilisten waren, muss sie hingegen als absurd bezeichnet werden. Aus dem - sehr flexiblen - Einsatzbefehl für die "Spezialbomben", der bereits am 24. Juli 1945 an den Oberkommandierenden der strategischen US-Luftwaffe General Carl Spaatz ergangen war, lässt sich irgendeine Absicht zur Beachtung der Haager Kriegskonventionen nicht erkennen. Nicht erst in einer rückwirkenden Betrachtung, sondern bereits zum Zeitpunkt der Atombombenabwürfe handelte es sich um - vorsätzliche - Verstöße gegen geltendes Völkerrecht.
Rache für Pearl Harbor?
Truman machte öffentlich keinen Hehl daraus, dass er "die Japs" hasste. In seiner Radioansprache vom 9. August 1945 erscheinen die Atombomben als gerechte Vergeltungsschläge, wobei "Pearl Harbor" an prominenter Stelle erinnert wird. Ist die Frage erlaubt, ob nicht der antiasiatische Rassismus in den USA sowie der mit offenen Racheabsichten behaftete Pearl-Harbor-Komplex einen bedeutsamen Hintergrund für Trumans "Rechtfertigung" bildeten? Man muss sich auch an Präsident Roosevelts Ankündigung vom 8. Dezember 1941 erinnern:
Egal wie lange es dauern mag, diesen von langer Hand geplanten böswilligen Angriff zu vergelten ...
Die Antwort von Historiker Barton Bernstein:
Der Wunsch nach Rache (denkt an Pearl Harbor und die japanische Misshandlung von Kriegesgefangenen, forderte Truman) hat wohl auch dazu beigetragen, den Beschluss zum Einsatz der Bombe zu bestätigen.
Doch was hatten die Menschen in Hiroshima und Nagasaki, darunter viele koreanische Zwangsarbeiter, mit Pearl Harbor zu tun? Was konnten sie dafür, zufällig Bewohner jener wenigen noch intakten Großstädte Japans zu sein, in denen die Wirkungen einer neuen Erfindung im August 1945 überhaupt demonstriert werden konnten? Waren die Menschen in Nagasaki etwa Ziel eines "Gottesgerichts", da ein dichter Wolkenhimmel über Kokura, dem ursprünglichen Primärziel, den US-Bomber am Tag des Abwurfs über ihre Stadt lenkte?
Die Atombombe: Gebaut, um eingesetzt zu werden
Der vielleicht wichtigste Satz der besagten Radioansprache von Truman lautet:
Nachdem wir die Bombe gefunden haben, haben wir sie auch eingesetzt.
Muss man nicht dahinter lesen: Der Verzicht auf ein gerade errungenes Waffenmonopol fällt einfach zu schwer, und die Versuchung, das eigene Potential politisch auch zu nutzen, ist zu groß? Bis heute wirkt die Sprachwendung nach. So schreibt z.B. Hermann-Josef Rupieper als Entgegnung auf Kritiker ganz lapidar, dass doch "die Bombe gebaut worden war, um sie auch zu benutzen."
Tatsächlich fielen die Bomben 1945 nach dem ersten Test vom 16. Juli zum frühestmöglichen Zeitpunkt der technologischen (!) Entwicklung und zum vermutlich letztmöglichen Termin auf der Zeitleiste des Kriegsgeschehens. Dienen nicht alle anderen, später angeführten "Gründe" der nachträglichen Verschleierung dieses Zeitplans? Sehr deutlich hat Kriegsminister Henry Stimson nach dem Krieg eingestanden, das Manhattan-Projekt mit über 100.000 Mitarbeitern und Investitionen in mehrfacher Milliardenhöhe sei von Anfang an auf den Ersteinsatz einer Atomwaffe festgelegt und auch nur so gegenüber dem Steuerzahler zu rechtfertigen gewesen.
Waffenexperimente im Großmaßstab
Der Verdacht, dass es sich im wesentlichen auch um Waffenexperimente im Großmaßstab und an lebenden "Objekten" handelte, ist bis heute nicht glaubwürdig widerlegt. Das gilt nicht nur für den in Hiroshima eingesetzten Uranium-Typ. Die Logistik zur Beobachtung und Dokumentation (Messinstrumentarium etc.) war fester Bestandteil der beiden "Einsätze" (entsprechende Objekte sind im musealen Gedenken der USA ausdrücklich unerwünscht).
Die wissenschaftlichen Anstrengungen zur Erforschung der Strahlungsfolgen beim Menschen waren 1945 dringlich. Nicht dringlich war die medizinische Versorgung der Überlebenden. Das US-Militär übte Druck aus, damit die Japaner medizinische Hilfe des Roten Kreuzes ablehnten. Japanischen Medizinern und Wissenschaftlern wurde bis 1952 der Zugang zu Daten über die Strahlenkrankheit verwehrt, die für Therapien dienlich sein konnten. Teams aus den USA untersuchten Betroffene, leisten aber keine Hilfe, um nicht indirekt den Anschein eines Schuldbekenntnisses zu erwecken.
Zwei Bomben zur Abschreckung?
Das Hauptziel der Atombombe sollte angeblich in einer überwältigenden Abschreckung liegen, die Japan zur sofortigen Aufgabe zwingt und so das Leben von US-Soldaten schont. Die naheliegendste Frage lautet: Warum musste dann aber unbedingt ein zweiter (!) Abwurf über Nagasaki erfolgen, noch dazu innerhalb einer so kurzen Zeitspanne, die der japanischen Kapitulationsfraktion und der umständlichen Bürokratie des Kaiserreichs keinen Raum ließen?
Ebenso bezeichnend ist die Nichtbeachtung alternativer Abschreckungsanwendungen ohne Menschenopfer, auf die Berater und auch beteiligte Wissenschaftler hingewiesen hatten. (Historiker der US-Atomaufsichtsbehörde schreiben, dass es eine Alternative zum Massenmord gab und Truman das auch wusste.) Man hätte die Wirkungen der Atombombe auf einer unbewohnten Insel dokumentieren und einem internationalen Publikum vorführen können. Zudem gab es ja bereits Material über den Testlauf des Plutonium-Typs.
Als Argument gegen diese Alternativen wird zuweilen geltend gemacht, dass nur zwei Nuklearsprengsätze zur Verfügung standen. Selbst wenn man dieses perverse Argument akzeptieren möchte, bleibt die Frage: Warum hat man nicht zumindest versucht, die Japaner mit einer verständlichen (!) Botschaft zu warnen? So hatten es z.B. die Autoren des sogenannten "Franck-Reports" verlangt. Die Kapitulationsforderung an Japan enthielt jedoch bewusst nur die vage Androhung "unverzüglicher und völliger Zerstörung". Sollte die Waffe um jeden Preis zum Einsatz kommen? Waren nicht unbedingt dichtbesiedelte Großstadtziele und also menschliche Qualen unerlässlich, um dem Projekt zum erwünschten "Erfolg" zu verhelfen?
Das Wissen um die "Kaiserfrage" wurde ignoriert
In diesem Zusammenhang wirft ein Blick auf die Umstände der Kapitulationsforderung noch mehr Fragen auf. Bedingungslos sollte die Kapitulation gemäß der Potsdamer Botschaft vom 26. Juli 1945 sein. US-Diplomaten wussten durch abgefangene Depeschen, dass der (später ja zugestandene) Verbleib des als göttlich verehrten Kaisers auf japanischer Seite zentrales Anliegen war! "Verrat an der Gottheit" lautete das Kernargument der japanischen Hardliner.
Mit keiner Silbe jedoch signalisierten die USA irgendein Entgegenkommen in dieser Frage. Einsichtige US-Regierungsmitglieder wussten um die "Kaiserfrage", konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Vor diesem Hintergrund ist die folgende Feststellung des Philosophen Michael Walzer (USA) zu lesen:
Im Sommer 1945 schuldeten die siegreichen Amerikaner dem japanischen Volk ein Experiment der Verhandlung. [...] Der Einsatz der Atombombe, die Ermordung und Terrorisierung von Zivilisten, ohne ein solches Experiment überhaupt zu versuchen, war ein doppeltes Verbrechen.
Ohne Atombomben kein "gnädiges" Kriegsende?
Angesichts der Alternativen "Verhandlung, Vorwarnung oder Massentötung durch Atombomben" geben regierungsamtliche Untersuchungsergebnisse der USA aus dem Jahr 1946 sehr zu denken.
Auf japanischer Seite standen die Einsichtigen keineswegs auf restlos verlorenem Posten. Professor J. K. Galbraith, der 1945 offizieller US-Ermittler in Japan war, stellte später fest: "
Die Bomben fielen, nachdem die japanische Regierung die Entscheidung gefällt hatte zu kapitulieren.
Auch der Niederländer Bert V. A. Röling meint, die Atombomben könnten nach Lektüre der japanischen Protokolle (Ministerrat, Kronrat) nicht als die Ursache der Kapitulation betrachtet werden. Außerdem: Noch vor dem 1. November 1945 wäre der Krieg mit Japan, so ein 1946 herausgegebener US-Militärbericht, auch ohne Atombombeneinsatz zu Ende gewesen. Stalin hatte bereits auf Jalta im Februar 1945 einen Eintritt in den Krieg gegen Japan drei Monate nach dem absehbaren Sieg über Deutschland zugesagt. Deshalb rechneten viele US-Militärs gar nicht mehr mit einer Notwendigkeit der beiden geplanten Invasionsstufen (November 1945, März 1946). US-General Eisenhower hielt Japan Anfang August faktisch schon für besiegt. Die Kernfrage ist: Wollte Truman keinen Verhandlungsfrieden, weil er dann die neue Bombe nicht mehr hätte einsetzen können?
Wie haltbar ist das Menschenrettungsargument?
Das uns schon bekannte Hauptargument Trumans, das bis heute zum Standardrepertoire der US-Erinnerung gehört, lautet: Die Atombomben haben unzählige Menschenleben gerettet, insbesondere US-amerikanische.
Truman hat direkt nach den Bombenabwürfen zwei Punkte betont: a. Junge Männer aus den USA bleiben jetzt verschont; b. Da die große Welt - anders als die USA - gesetzlos ist, darf nicht jeder die neue Waffe in die Hände bekommen.
Man rechnete bei der geplanten - jedoch fraglichen - Invasion zu Recht mit zahlreichen Toten in der US-Armee. Doch geben die verlustreichen Konfrontationen mit dem fanatischen Heer Japans auf Iwo Jima oder auf Okinawa (7.600 tote US-Soldaten) Anhaltspunkte dafür her, die mögliche Opferzahl der US-Armee auf eine halbe oder gar eine ganze Million Tote hochzurechnen? Die toten US-Soldaten des gesamten Zweiten Weltkrieges wären damit allein in Japan verdoppelt oder vervierfacht worden.
Stand oder steht bei solchen Spekulationen nicht ein rechtfertigender Zahlenvergleich mit Hiroshima und Nagasaki im Vordergrund? Die Auskunft unangepasster US-Historiker wie Barton Bernstein ist eindeutig: Bei der nach den Abwürfen forcierten und äußerst großzügig variierten Behauptung, die Atombomben hätten allein auf US-Seite einer halben oder (!) ganzen Million US-Soldaten das Sterben erspart, handelt es sich um eine Lüge, um eine besonders von Truman gesponnene Legende, die durch tausendfache Wiederholung nicht wahrer wird. Trumans großherzige Bekundung, er habe mit den Atombomben ebenfalls das Leben japanischer Frauen und Kinder retten wollen, muss nach dem vorausgegangenen Brandbombenkrieg von US-General Curtis LeMay mit einer Million Toten in mehr als 60 japanischen Städten befremden. Gibt es in der faktischen Kriegsführung auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Schonung von Zivilisten in Japan zu den Gesichtspunkten gehörte, die auf Seiten der USA eine Rolle spielten? Mit Blick auf Hiroshima und Nagasaki gibt es sie jedenfalls nicht.
Der Potsdamer Fahrplan
Die kritischen Forscher berichten, Potsdam sei verschoben worden, weil erst in der zweiten Julihälfte mit einem "Erfolg" des Manhattan-Projekts zu rechnen war. Der Fahrplan im Kalender 1945 liest sich wie folgt: Erste Testzündung einer US-Atombombe (16. Juli), Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August), Information Stalins über eine "neue Waffe" (24. Juli), Kapitulationsforderung an Japan (26. Juli), "Hiroshima" (6. August), gemäß der bekannten Ankündigung Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan (7. August), "Nagasaki" (9. August).
Innerhalb dieser schnellen Folge lässt sich der demonstrative Zweck der Atombomben schwer leugnen. Der von den USA lange vergeblich gewünschte Eintritt Stalins in den Krieg gegen das japanische Kaiserreich war - trotz trügerischen Vertrauens der Japaner auf den geltenden Nichtangriffspakt vom 13.4.1941 - ausgemachte Sache, was den US-Geheimdiensten auch hinsichtlich der Militärplanungen nicht verborgen blieb. Doch das Begehren der USA nach diesem Beistand der UdSSR war inzwischen unsicher geworden oder gar nicht mehr da.
Sehr unerwünscht war auf US-Seite, dass der Beistand die Machtposition der Sowjetunion in Ostasien und ihre "Mitwirkungsrechte" bei der Nachkriegsordnung stärken würde. Trumans enger Berater, der späterer Außenminister James Byrnes, war nach Ansicht des US-Historikers Gar Alperovitz deshalb sehr für die Kriegserprobung der Atombombe. Im Ringen um Einfluss sollte vor allem auch Stalin sehen: Die neue Wunderwaffe der USA existierte wirklich - und das nicht nur in Form eines einmaligen Prototyps. Neuerdings publiziert der Journalist Frank Krüger die These, es sei den US-Amerikanern auch um einen exklusiven Zugang zu den japanischen Raubgolddepots aus ganz Südostasien gegangen. (Vgl. Frank Krüger: Amerika, das japanische Raubgold und Hiroshima - Warum die A-Bomben wirklich fielen )
Am Ende erscheint nun eine rein militärische Intention der Atombombenabwürfe als sehr unwahrscheinlich, während der politische Zweck auf der Hand liegt. Die Bomben sollten die Macht ihres Erfinderlandes USA demonstrieren. Möglicherweise werden zukünftige Historiker auch die Habgier als zentrales Motiv erweisen. So oder so ergibt sich für die Bewohner Hiroshimas und Nagasakis keine Tröstung. Florian Coulmas stellt in seinem Buch "Hiroshima - Geschichte und Nachgeschichte" (2005) fest:
Die Vernichtung galt nicht [...] den Opfern selbst [...], denn das Publikum, für das das Schauspiel ihrer Tötung gedacht war, saß in Tokyo und in Moskau.
Von den Japanern verlangten die US-Regierungen ab 1945 sehr zu recht, dass sie sich den ungeheuren Kriegsverbrechen der eigenen Nation stellen sollten. Bezogen auf Hiroshima und Nagasaki haben die USA selbst den dabei angelegten moralischen Maßstab bis heute nicht erfüllt.
Siehe auch von Peter Bürger: Manche Japaner sprachen von der "christlichen Bombe" und Nach Hiroshima blieb ein Lernprozess der Zivilisation aus.
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