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Mikro- und Nanoplastik: Eine unsichtbare Gefahr für Mensch und Umwelt

Illustration: KI

Die nächste Stufe der Umweltverschmutzung: Inzwischen erscheint ein Leben ohne Kunststoffe gar nicht mehr denkbar. Was das für unsere Gesundheit bedeutet.

Galt Plastik lange Zeit nur als lästiger Abfall, der die Meeresbewohner bedroht, hat sich gezeigt, dass Mikroplastik sowohl in Kosmetika als auch im Abwasser zu finden ist, wenn bügelfreie Baumwolle gewaschen wird. Auch das beste Wäschenetz kann Mikroplastik nicht zurückhalten.

Neben den Weltmeeren sowie Ost- und Südostasien rückt nun auch Afrika [1] in den Fokus der Umweltverschmutzung durch Kunststoffe des täglichen Bedarfs.

Da sich die Entwicklung der Analytik deutlich verbessert hat, rücken jetzt auch noch kleinere Kunststoffpartikel, sogenannte Nanoplastik, in den Fokus. Diese Partikel sind nicht nur deutlich kleiner, sondern auch viel weiter verbreitet als bisher befürchtet.

Damit ist klar, dass es kein Entkommen vor Nanoplastik gibt und die Folgen noch lange nicht absehbar sind. Schließlich greift Nanoplastik in den Stoffwechsel von Tieren ein [2].

Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel [3] sind zu erwarten.

Mikroplastik: Das EU-Verbot

Mikroplastik, also Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern, stellt eine zunehmende Belastung für die Umwelt dar. Die Folgen sind aufgrund unzureichender Erfassungs- und Analysemethoden noch nicht im Detail absehbar.

Die EU hat inzwischen begonnen, Mikroplastik zu verbieten [4].

Das Verbot dürfte jedoch zu spät kommen [5], um Mikroplastik aus der Umwelt zu entfernen. Zu viele Produkte des täglichen Gebrauchs setzen permanent Mikroplastik frei.

Dazu gehört zum Beispiel bügelfreie Kleidung aus Baumwolle. Dabei wird die einzelne Baumwollfaser mit Kunststoff umhüllt, damit sie nicht knittert und somit nicht gebügelt werden muss.

PFAS: Aiwanger warnt vor EU-Plänen

Mikroplastik war die erste Kategorie von Kunststoffprodukten, die in die menschliche Nahrungskette gelangte. Angesichts der sich abzeichnenden Umweltschäden durch per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS [6], will die EU nun Druck machen.

Doch sie stößt auf Widerstand bei Herstellern und Verbrauchern. Unter Handelsnamen wie Teflon, Gore-Tex oder Tyvek haben die Stoffe das Leben vieler Menschen angenehmer und komfortabler gemacht.

Zudem sind zahlreiche industrielle Prozesse ohne per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen heute kaum noch vorstellbar, was die Politik auf den Plan ruft.

So warnte Staatsminister Aiwanger davor, dass die aktuelle EU-Chemikaliengesetzgebung die gesamte europäische Industrie und den Hochtechnologiestandort Bayern und Deutschland gefährde.

Wir brauchen eine Chemikalien- und PFAS-Regulierung mit Augenmaß statt einer überzogenen Gesetzgebung. Anderenfalls wird die chemische Industrie aus Europa abwandern – mit gravierenden Folgen für Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Umwelt.

Hubert Aiwanger [7]

In der Folge wandte sich der bayerische Wirtschaftsminister auch gegen die Pläne des 3M-Konzerns, die PFAS-Produktion an seinem Dyneon-Standort im Chemiepark Gendorf [8] einzustellen.

Dass hinsichtlich der Belastung des Grund- und Trinkwassers [9] im Raum Gendorf schon aufgrund der bisherigen Einträge mit einer steigenden Belastung zu rechnen ist, scheint im Rahmen der bayerischen Industriepolitik keine Rolle zu spielen.

Nanoplastik: Die unsichtbare Gefahr im Trinkwasser

Als Nanoplastik bezeichnet man Partikel mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer. Aufgrund ihrer geringen Größe blieben diese Partikel bisher weitgehend unentdeckt. Inzwischen ist es analytisch möglich, diese Partikel nachzuweisen.

Untersuchungen in den USA [10] haben inzwischen gezeigt, dass in Wasser, das in Plastikflaschen abgefüllt wurde, mehr als 200.000 Nanoplastikpartikel pro Liter enthalten sein können.

Überraschenderweise handelte es sich bei diesen Nanopartikeln meist nicht um solche aus PET, dem Material, aus dem die Flaschen hergestellt werden. Der größte Teil des Nanoplastiks bestand aus Polyamid [11].

Dieser Kunststoff gelangt vermutlich über die Wasseraufbereitung und -filtration ins Wasser, da hier häufig Kunststoffmembranen eingesetzt werden. Inwieweit diese Ergebnisse auf Deutschland übertragbar sind, ist derzeit noch nicht geklärt.

Das gilt auch für die Frage, ob bei der Trinkwasseraufbereitung hierzulande vergleichbare Techniken zum Einsatz kommen.

Der Preis für den Wohlstand

Das jetzt entdeckte Nanoplastik gilt als besonders toxisch, weil es aufgrund seiner geringeren Größe leichter tief in den menschlichen Körper eindringen kann. Dadurch können die Partikel noch leichter in menschliches Gewebe und Organe eindringen und Zellschäden verursachen.

Sogenannte Radtierchen [12] verwechseln Mikro- und Nanoplastik mit Algen und zerkleinern es in ihrem Kaumagen [13], wodurch sich die Zahl der Nanoplastikteilchen im Wasser drastisch erhöht.

Die Umweltbelastung durch Kunststoffe ist heute wohl nicht mehr aufzuhalten. Will man von einer konsequenten weltweiten Deindustrialisierung absehen, bleibt wohl nur die Möglichkeit, die Veränderung der menschlichen Lebensbedingungen zu dokumentieren und als Preis für den allgemeinen Wohlstand in Kauf zu nehmen.


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https://www.heise.de/-9635304

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.blaetter.de/ausgabe/2024/februar/plastik-als-globale-gefahr
[2] https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/wie-nanoplastik-den-stoffwechsel-beeinflussen-kann-2023-03-08
[3] https://www.vdi-nachrichten.com/technik/gesundheit/pet-mikroplastik-im-koerper-fuehrt-zu-leberschaeden-und-verhaltensaenderungen/
[4] https://www.telepolis.de/features/Bye-bye-Glitzer-Warum-das-EU-Verbot-von-Mikroplastik-nur-der-Anfang-sein-kann-9325007.html
[5] https://www.telepolis.de/features/Kommt-das-Mikroplastik-Verbot-zu-spaet-fuer-unsere-Gesundheit-9328153.html
[6] https://www.telepolis.de/features/Warum-das-Teflon-Zeitalter-zuende-gehen-muss-7524348.html
[7] https://www.bayern.de/bayerns-wirtschaftsminister-fordert-von-der-eu-nderungen-bei-bioenergie-frderung-gebudeenergievorschriften-und-den-pauschalen-pfas-verboten/
[8] https://www.bayern.de/zur-schlieung-des-dyneon-werks-im-chemiepark-gendorf/
[9] https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/aktuelle_situation/index.htm
[10] https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2300582121
[11] https://www.n-tv.de/wissen/Unmengen-an-Nanoplastik-verunreinigen-Flaschenwasser-article24649072.html
[12] https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/raedertiere/55436
[13] https://www.nature.com/articles/s41565-023-01534-9