Militärische Allianz: Westliche Waffenindustrie lässt sich in der Ukraine nieder
Eine Reihe westlicher Staaten unter US-Führung plant industrielle Zusammenarbeit. Militärische Koproduktion in Ukraine soll kommen. Welche Gefahren darin lauern.
Westliche Waffenhersteller bereiten sich darauf vor, sich in der Ukraine niederzulassen, was die Frage aufwirft, wie die US-Regierung die Bemühungen der Industrie um den Aufbau von Waffenproduktionskapazitäten in der Ukraine begleiten wird. Die Regierung sollte sich lieber früher als später einschalten, denn die US-Unternehmen haben sich bereits verpflichtet, gemeinsam mit der Ukraine Waffen zu produzieren.
Letzten Monat trafen sich 252 Unternehmen aus über 30 Ländern in Kiew zum Internationalen Forum der Verteidigungsindustrie. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte die Gründung einer neuen Allianz der Verteidigungsindustrie an, deren Ziel es ist, die Ukraine und "jede Nation der Welt vor Aggressionen" zu schützen. Das Bündnis wird der Ukraine helfen, die Waffenproduktion für ihren Kampf gegen Russland vor Ort abzuwickeln.
Mindestens 59 Unternehmen aus 23 Ländern – darunter Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Schweden – haben sich bisher dem Bündnis angeschlossen. Laut dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba bedeutet dies, dass die Auftragnehmer "konkrete Zusagen zur Herstellung der erforderlichen Waffen" in Zusammenarbeit mit ukrainischen Verteidigungsunternehmen gemacht haben.
Über den Beitritt von US-Unternehmen gibt es kaum Details, aber die Räder scheinen in Bewegung zu sein – nur eine Woche vor dem Forum unterzeichneten drei US-Verbände der Verteidigungsindustrie Berichten zufolge Kooperationsvereinbarungen mit der ukrainischen Regierung, die mehr als 2.000 US-Militärausrüster in künftige potenzielle Koproduktionsbemühungen einbeziehen.
Die Ankurbelung der Waffenproduktion in der Ukraine wird zweifellos die Fähigkeit des Militärs stärken, die russische Aggression zu bekämpfen und gleichzeitig den Druck auf die westlichen Produktionslinien zu verringern – eine besonders verlockende Aussicht für die Vereinigten Staaten, da sie nun zwei laufende Kriege unterstützen. Aber das Pentagon kann es nicht den Auftragnehmern überlassen, die Mechanismen der gemeinsamen Produktion zu entwickeln.
Militärische Hersteller setzen sich ständig für mehr nationale Sicherheitsausgaben ein. In der Zwischenzeit treiben die Hersteller die Preise für das Pentagon hoch und spielen ihre finanzielle Lage herunter, um die Taschen der Aktionäre zu füllen. Ihnen kann man also nicht trauen, wenn es um das nächste Kapitel der US-Unterstützung für die Ukraine geht: industrielle Zusammenarbeit.
Lesen Sie auch:
Atomwaffen und Klimawandel: Das doppelte Damoklesschwert
Nach Waffendeals mit Russland und Ukraine: Rheinmetall als Werbepartner in der Kritik
Tödliche Hilfe: USA schicken Landminen in die Ukraine
Westliche Waffen gegen Russland: Zwischen Eskalation und Psychokrieg
China, Iran, Russland: Geheimdienste sehen neue Kampfdrohnen-Allianz
Das Pentagon muss die Koproduktionsbemühungen lenken, indem es die einschlägigen Richtlinien für den Transfer von Militärtechnologie und die Produktion im Ausland klarstellt und sich mit der Industrie abstimmt, um sicherzustellen, dass die Koproduktionsbemühungen effizient und kostengünstig sind.
Das Pentagon hat offen für "Friendshoring" oder "Co-Entwicklung, Co-Produktion und Co-Nachhaltigkeit" mit Partnern geworben, um die Waffenproduktion zu beschleunigen und die industrielle Basis in den USA zu entlasten. Das Wall Street Journal hat berichtet, dass das Ministerium sogar "die Regeln lockert", um Militärtechnologie mit Herstellern in verbündeten Ländern wie Polen und Deutschland zu teilen und deren Produktion zu genehmigen. Die entscheidende Frage ist, wie und ob solche gelockerten Regeln für ein Land gelten, das sich im Krieg befindet.
Joint Ventures
Das Pentagon wird wahrscheinlich den Löwenanteil der Joint Ventures mit ukrainischen Herstellern fördern, aber auch das Außen- und das Handelsministerium könnten einbezogen werden, wenn solche Unternehmen den Transfer bestimmter Waffen oder Technologien beinhalten.
Dem Handelsministerium mangelt es vor allem an Transparenz, wenn es um die Meldung von Ausfuhren bestimmter Kleinwaffen geht, darunter verschiedene Feuerwaffen, Artillerie und Munition (die die Ukraine derzeit dringend benötigt). Die Logistik der gemeinsamen Produktion wirkt sich also direkt auf die Transparenz der Investitionen der US-Rüstungsindustrie in der Ukraine aus, deren sicherheitspolitische Auswirkungen näher untersucht werden sollten.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist die meiste US-Sicherheitshilfe für das Land aus gut dokumentierten zusätzlichen Ausgabenpaketen geflossen. Logistisch gesehen haben das Verteidigungs- und das Außenministerium die Hilfe durch präsidiale Abzugsoperationen, die Ukraine Security Assistance Initiative und das Foreign Military Financing Programm, kanalisiert.
Der US-Außenminister hat – in Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium – bisher 44 Abzüge aus den Beständen des Pentagons ermöglicht, um Waffen an die Ukraine zu liefern.
Die Regierung hat Umfang und Art dieser Militärhilfe für die Ukraine seit dem Einmarsch Russlands stets detailliert dargelegt – eine willkommene Abwechslung in einem ansonsten entmutigenden Trend zur Transparenz im Waffenhandel. Die Republikaner im Repräsentantenhaus lehnen jedoch zunehmend mehr Sicherheitshilfe für das Land ab, und die öffentliche Unterstützung nimmt ab. Aus diesem Grund könnte der jüngste Antrag der Biden-Regierung auf zusätzliche Hilfe für die Ukraine der letzte bis zu den Wahlen im Jahr 2024 sein.
Dennoch hat US-Präsident Biden erklärt, dass die Vereinigten Staaten die Ukraine "so lange wie nötig" unterstützen werden und sich verpflichten, "die Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine langfristig zu stärken, auch durch Partnerschaften mit der ukrainischen Verteidigungsindustrie".
Im September kündigte Biden an, dass die US-Regierung in Kürze eine Konferenz veranstalten wird, auf der führende Vertreter der Verteidigungsindustrie, der Wirtschaft und der Regierung der Vereinigten Staaten und der Ukraine zusammenkommen werden, um "Optionen für Joint Ventures und Koproduktionen zu erkunden".
Diese Partnerschaften könnten sehr wohl zu einem bedeutenden Kanal für die US-Unterstützung der Ukraine werden, da sowohl der politische Wille für Waffentransfers als auch die Vorräte des Pentagons schwinden.
Während das Pentagon seine bevorstehende (und erste) Nationale Strategie für die Verteidigungsindustrie vorbereitet, sollte es der Gestaltung der Parameter und Leitplanken für die gemeinsame Produktion Vorrang einräumen, um sicherzustellen, dass die Hilfe für die Ukraine so effektiv wie möglich ist und das Pentagon vor möglichem Fehlverhalten der Auftragnehmer schützt.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.