Mit Martin Luther gegen Saddam Hussein

CDU-Mitglieder kritisieren in einem parteiinternen Forum ihre kriegswillige Vorsitzende Angela Merkel

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Auf Friedbert Pflüger kommt noch viel Arbeit zu. Zwar steht der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion weiterhin fest an der Seite seiner Parteivorsitzenden. Auch und gerade in der Frage des Irak-Krieges, den Angela Merkel "unvermeidbar" genannt hat, weil bei einem Nichthandeln der Schaden angeblich noch größer gewesen wäre. Aber auch Pflüger weiß natürlich, dass diese Pro-Bush-Position von vielen CDU-Mitgliedern abgelehnt wird.

Daher hat er bereits am 20. März ein Papier veröffentlicht mit "Fragen und Antworten zum militärischen Vorgehen gegen den Irak". Auf 17 Seiten werden in dieser parteiinternen Argumentationshilfe bestehende Zweifel an der Notwendigkeit des Krieges ausgeräumt. Der Fragenkatalog reicht dabei von "1. Was sagt die Union zum militärischen Vorgehen gegen den Irak?" über "7. Hätte es nicht noch mehr Zeit für die Inspektionen geben müssen?" bis zu "18. Muss nicht gerade die CDU/CSU dem Papst mehr folgen als Bush?"

Doch viel Neues ist den Pflügerschen Antworten nicht zu entnehmen. Auffällig ist aber, dass die Anti-Kriegshaltung der Kirchen der CDU-Führung wohl die größten Kopfschmerzen bereitet. So wird sogar Martin Luther bemüht, um George W. Bush und damit auch Angela Merkel zu verteidigen:

Martin Luther hat 1526 in der Schrift 'Ob Kriegsleute auch im seligen Stand sein können' gefordert, politische Konflikte friedlich und nicht durch Krieg zu lösen. Es sei aber die Schuldigkeit eines 'jeglichen Herrn und Fürsten', die Seinen zu schützen: 'Dazu hat er das Schwert.' Nach christlichem Verständnis mache jede Anwendung von Gewalt zwar schuldig, auch die aus Notwehr. Die Schuld wäre nach Luther aber größer, überließe man seinen Mitmenschen wehrlos dem gewaltsamen Zugriff eines Angreifers. Beim militärischen Vorgehen gegen Saddam Hussein geht es genau darum: Um die Verteidigung der Prinzipien der Völkerrechts und um die Sicherheit der Bürger in Israel, Europa und den USA vor zukünftigen Angriffen mit Massenvernichtungswaffen.

Doch selbst das Pflügersche Frage- und Antwortspiel hat viele an der CDU-Basis offensichtlich nicht überzeugt. Das zeigt auch eine Diskussion in einem Forum des CDUnet, auf das nur CDU-Parteimitglieder nach Angabe von Mitgliedsnummer und Name Zugriff haben. Die von uns zitierten Beiträge sind uns aus einer sicheren und überaus glaubhaften Quelle, die allerdings anonym bleiben möchte, zugespielt worden.

Eröffnet wird dort das Thema "Angela Merkel hat unsere Unterstützung" zwar von einer positiven Äußerung über die Position Angela Merkels, doch danach hagelt es nur noch Kritik. Und bisweilen wird dabei sogar die politische Kompetenz der Vorsitzenden grundsätzlich in Frage gestellt. Angela Merkel, heißt es beispielsweise, werde niemals das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Wenn es die Partei nicht schaffe, eine integre Persönlichkeit an die Spitze zu bringen, werde sie immer 2. Sieger bleiben. Und ein anderer Diskussionsteilnehmer meint, dass ihre Lebensleistung keinen Wähler überzeuge. Sie habe sich schon als Umweltministerin schwere Fehler geleistet, als Landespolitikerin habe sie versagt und ihre PR-Kompetenz werde durch die vielen Witze leider treffend karikiert: "Ich bin gespannt, welche Hintergründe für ihre plötzliche USA-Reise vor dem Irakkrieg in Zukunft ans Licht kommen werden."

Auch ein von Merkel Ende März verschickter vierseitiger Brief, in dem sie den Parteimitgliedern ihre Haltung in der Irak-Frage noch einmal ausführlich erläutert, hat die Forumsteilnehmer nicht überzeugt. Auf vier Seiten, meint dazu ein CDU-Ortsvorsitzender, werde viel erklärt. Aber:

"Kein Wort, dass die amerikanische Regierung mit dem Anspruch der letzen Wahrheit antritt und wie ein Elefant im Porzellanladen argumentiert hat."

Sein Bundestagsabgeordneter, heißt es weiter, verteidige Fr. Merkel mit der Aussage: Sie zeigt Führungsstärke! "Ich möchte in einer demokratischen Partei keine absoluten Führer, die immer Recht haben."

Wie unzufrieden viele an der Basis inzwischen mit den höheren Funktionsträger der Partei sind, kann man dieser Aussage entnehmen:

"Es ist schon ziemlich eindeutig, wie reagiert wird. Wenn's drauf ankommt, nur jubeln und ja nicken. Schließlich haben viele von uns das in der Kohl-Ära so gelernt." Gefordert wird daher "die Beseitigung der Mauer zwischen Basis und Parteispitze. Ich halte Frau Merkel nicht mehr für fähig, eine echte Demokratisierung der Partei voranzutreiben, aber wir von der Basis müssen versuchen, die innerparteiliche Kommunikation zu beleben. Vorher ist eine inhaltliche Mitsprache und -arbeit der Mitglieder nicht möglich!"

Ein anderer Diskutant denkt bereits daran, die Partei zu verlassen:

Frau Merkel propagiert, dass die CDU (also auch ich) den Krieg für richtig hält. Dass wir damit nun auch das "C" aus unserem Parteinamen streichen müssten sei hier nur am Rande erwähnt. Tragisch finde ich aber, dass Merkel offensichtlich den Kontakt zur Basis bereits heute in dem gleichen Masse verloren hat, wie es seinerzeit bei Kohl der Fall war. Ich schließe daraus, dass die Partei insgesamt zu schwach ist, solche Vorgänge zu verhindern. Sind wir nur noch Stimmvieh? Wer kann mir einen Grund nennen, warum ich nicht schnellstmöglich aus der Partei austreten sollte?"

Und sogar Bundeskanzler Schröder wird in dem CDU-Forum für seine Anti-Kriegshaltung gelobt:

"Schröder macht das einzig richtige. Keine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg. (...) Frau Merkel eiert nur deshalb so herum, weil sie insgeheim derselben Meinung wie Schröder ist, es aber nicht sagen kann, weil ja Schröder nicht recht haben darf. Frau Merkel hat noch immer jede politische Sachfrage ihrer eigenen Karriere untergeordnet."